Biografische Verläufe und Ressourcen wohnungsloser Frauen

Prof. Dr. Carla Wesselmann

[Verw.prof.] Dr. disc pol. Dipl. Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH) an der Hochschule Emden/Leer

Kontakt: CWesselmann@gmx.de

Die qualitative Fallstudie untersucht die biografischen Verläufe von Frauen vor in und teils auch nach der Wohnungslosigkeit sowie ihren Umgang mit diesem Phänomen extremer Armut. Dabei geht es zentral um die Fragen, welche sozialen Bedingungen, auch in Form nicht bekannter, nicht existenter oder nicht passender Hilfen der Sozialen Arbeit, Wege in die Wohnungslosigkeit begünstigen können.
Die Autorin fächert auf Basis narrativer Interviews und biografischer Fallanalysen zum einen die unterschiedlichen Dimensionen von Wohnungslosigkeit, zum anderen die konkreten Wechseldynamiken zwischen gesellschaftlichen Bedingungen, subjektiven - lebensgeschichtlichen Erfahrungen und daraus entwickelten Handlungsstrukturen auf.
Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Frauen aufgrund über lange Zeiträume andauernden Beziehungsproblemen mit Erfahrungen von Demütigungen, Gewalt und Ohnmacht sowie aufgrund gesellschaftlicher Ausschlußprozesse in die Wohnungslosigkeit gelangen. In der Wohnungslosigkeit handeln sie bei aller Unterschiedlichkeit mit bisherigen Handlungs- und Problemlösungsmustern. Zur Systematisierung dieser Ergebnisse wurde eine Typologie zu biografischen Handlungsstrukturen in der Wohnungslosigkeit entwickelt. Diese verdeutlicht u. a., dass Versuche die Wohnungs-losigkeit zu überwinden, oft von biografischen Ambivalenzen beeinträchtigt werden.
In biografischen Ambivalenzen spiegeln sich zum einen widersprüchliche gesellschaftliche Strukturen, wozu auch die Soziale Arbeit mit ihrem bekannten Doppelmandat Hilfe und Kontrolle gehört, zum anderen schwierige lebensge-schichtliche Erfahrungen, welche die befragten Frauen in von extremen Machtgefällen bestimmten Bindungskontexten gemacht haben.
Die Bedeutung von diesen und weiteren Ergebnissen wird aus einer biografie - und figurationstheoretischen Perspektive reflektiert. Dabei wird in einem Kapitel gesondert auf die Dynamik und Erscheinungsformen biografischer Ambivalenzen in Biografien wohnungsloser Frauen eingegangen und bezüglich ihrer Implikationen für die Praxis und Theorie Sozialer Arbeit diskutiert.
Die Studie verbindet dabei aktuelle Fragen der Theorie und Praxis Sozialer Arbeit mit Diskursen im Bereich der Armuts- und Ungleichheitsforschung sowie der Biografie- Figurations- und Geschlechterforschung. Sie schließt mit einem Fazit, in welchem die Bedeutung der empirischen Befunde hinsichtlich der Ausgangsfragestellungen und ihrer Relevanz für die Soziale Arbeit reflektiert wird.


Verlag Barbara Budrich