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Zentrale Ringvorlesung 'Menschenrechte in Zeit und Raum'

Jeder weiß, was Menschenrechte sind. Wenn sie genauer gefragt werden, werden viele Menschen aber unsicher. Darf ein mutmaßlicher Terrorist zur Sicherheit einige Monate im Gefängnis festgehalten werden, auch wenn es keine konkreten Beweise gegen ihn gibt? Verlangt die Meinungsfreiheit, daß Chinesen ihre Staatsführung genauso offen kritisieren dürfen wie Amerikaner ihren Präsidenten? Verstoßen traditionelle muslimische Regeln über das Verhältnis von Mann und Frau gegen den Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung? Allgemeiner gefragt: Gelten die Menschenrechte wirklich immer und überall gleich? Oder liegt darin nicht gerade ihr Anspruch? Nach dem 11. September 2001 und angesichts der umstrittenen Globalisierungsprozesse stellen sich diese Fragen wieder einmal neu.
Mit der Ringvorlesung sollen Beiträge für besser begründete Antworten auf solche Fragen geleistet werden. Sechs Vorträge betrachten Menschenrechtsfragen eher in zeitlicher Perspektive. Zunächst spricht Prof. Starck darüber, wie es überhaupt politisch und rechtlich zu der Anerkennung von Menschenrechten gekommen ist. Prof. Barner beschreibt dann anhand plastischer Beispiele aus der Literatur, welche Rolle das Theater dabei gespielt hat. Prof. Frowein zeigt am Beispiel des heutigen Terrorismus, inwiefern selbst ein einzelnes Ereignis wie die Anschläge des 11. September 2001 zu einer Herausforderung für den Menschenrechtsschutz insgesamt führen kann. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Kerstin Müller erläutert die Ziele, die Schwerpunkte und die Praxis der aktuellen Menschenrechtspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Prof. Ostner beschreibt, wie es zur Lockerung der scheinbar unerschütterlichen elterlichen Gewalt gekommen ist und warum heute stattdessen so viel von den Rechten der Kinder die Rede ist. Schließlich zeigt Prof. Heun, wie sich das Verständnis dessen, was Gleichheit zwischen den Menschen bedeutet, unter dem Eindruck moderner Entwicklungen verändert hat. Fünf Vorträge behandeln Menschenrechtsfragen in stärker räumlicher Perspektive. Tilman Zülch von der Gesellschaft für bedrohte Völker berichtet aus seiner reichen Erfahrung im Kampf um die Rechte bedrohter Völker in allen Erdteilen. Prof. Nolte betrachtet mit den Ver-einigten Staaten von Amerika einen Staat, der sich seit langem besonders nachdrücklich für die Durchsetzung der Menschenrechte eingesetzt hat, allerdings nicht zu jeder Zeit, nicht überall und nicht frei von Selbstgerechtigkeit. Prof. Nagel und Prof. Chen sprechen darüber, was die Menschenrechte außerhalb des Westens bedeuten und bewirken. Prof. Nagel prüft, ob islamische Rechtsvorstellungen und Rechtspraxis mit dem modernen universellen Menschenrechtsverständnis vereinbar sind. Prof. Chen erläutert, wie chinesisches und westliches Menschenrechtsverständnis in Theorie und Praxis zusammenpassen. Last but not least wird der Richter am Haager Internationalen Gerichtshof, Prof. Buergenthal, zeigen, welche Zusammenhänge heute zwischen der nationalen und internationalen Akzeptanz einer Regierung einerseits und der Beachtung der Menschenrechte andererseits bestehen.
Alles in allem soll die Ringvorlesung klarere Vorstellungen über die Kraft und die Schwäche der Menschenrechte im Lauf der Zeit und an unterschiedlichen Orten vermitteln. Es soll deutlich werden, daß es häufig keine leichte Antwort auf die Frage gibt, ob die Menschenrechte immer und für alle gleich weit reichen oder ob sich die Menschenrechte wandeln.