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Begleittext zur Ringvorlesung 'Das System Erde - was bewegt die Welt?'

Der Planet Erde ist ein nur in Ansätzen verstandenes, komplexes und vernetztes System von geologischen, kosmischen und biologischen Prozessen und somit ein interessantes und vielseitiges Forschungsobjekt. Das Jahr 2002 wurde deshalb vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zum »Jahr der Geowissenschaften« erklärt, um die vielseitigen Forschungsaktivitäten von Geowissenschaftlern einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.
Die Öffentliche Ringvorlesung der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Georg-August-Universität Göttingen im WS 2002/ 2003 mit dem Titel »Das System Erde – Was bewegt die Welt: Lebensraum und Zukunftsperspektiven«, organisiert von Prof. Dr. Joachim Reitner und Prof. Dr. Klaus Weber, ist Teil der Aktivitäten der Fakultät für Geowissenschaften und Geographie zum Jahr der Geowissenschaften. Ziel dieser Ringvorlesung ist es, einige Facetten der vielfältigen geowissenschaftlichen Forschung, philosophische Aspekte und Elemente einer geowissenschaftlich orientierten Forschungspolitik vorzustellen.
Insgesamt konnten 16 Kolleginnen und Kollegen dafür gewonnen werden, zu diesen großen Themenfeldern eine Vorlesung zu halten. Die Veranstaltung wird eingeleitet durch Prof. Krumbein (Universität Oldenburg) mit einem interessanten und provozierenden Vortrag über die GAIA-Philosophie, eine Vorstellung, die den Planeten Erde als einen komplexen Organismus betrachtet. Der zweite Vortrag von Prof. Hansen (Isotopen-Geochemie, GZG, Universität Göttingen) behandelt die Bedeutung von Isotopen für das grundlegende Verständnis geologischer Prozesse und deren zeitlichen Rahmen.
Die Vorlesung von Prof. Stöffler (Museum für Naturkunde Berlin/ Humboldt-Universität zu Berlin) beschäftigt sich mit der zentralen Bedeutung von kosmischen Katastrophen und Einschlägen von Meteoriten und Kometen für die Existenz unseres Planeten. Vermutlich kam der organische Urstoff aus dem Weltall. Im Beitrag von Prof. Kuhs (Kristallographie, GZG, Universität Göttingen) dreht sich alles um Eis, einen Stoff, der von vitaler Bedeutung für das System Erde ist und für die Aufklärung vieler geowissenschaftlicher Prozesse ein idealer Modellstoff ist.
Prof. Schidlowski, Biogeochemiker am MPI in Mainz, wird den fünften Vortrag über die Entstehung des Lebens in frühen Phasen der Erde vor rund vier Milliarden Jahren halten. Leben hinterlässt in Gesteinen deutliche Spuren. Es handelt sich um Ungleichgewichte, die durch physiologische Vorgänge entstanden sind. In engem Bezug zu diesem Beitrag von Prof. Schidlowski steht der Vortrag von Prof. Jörgensen, dem Direktor des MPI für marine Mikrobiologie in Bremen, der über die Tiefe Biosphäre im Meeresboden sprechen wird. Diese extremen Lebensräume geben Einblicke in die frühe Evolution des Lebens.
Organismen hinterlassen Spuren im Gestein. Diese Spuren sind nicht immer mit dem Auge erkennbare Fossilien, sondern organische Moleküle. Über diese Chemofossilien wird Prof. Michaelis von der Universität Hamburg im siebten Vortrag berichten. Der anschließende Vortrag von Prof. Weber (Strukturgeologie, GZG, Universität Göttingen) wird sich mit einem fast biblischen Thema beschäftigen, nämlich mit der Sintflut aus geologischer Sicht. Aktuell wird die Frage diskutiert, ob das Überlaufen des Schwarzen Meeres in das Mittelmeer oder vice versa ein Modell für den Sintflut-Mythos darstellen kann.
Prof. Emmermann, der Direktor des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ), wird im neunten Vortrag über ein interdisziplinäres geowissenschaftliches Forschungsprojekt berichten: Das Projekt »Geotechnologien«, wird als Chance dafür verstanden, geowissenschaftliche Forschung in Deutschland auf einem hohen Niveau weiter zu entwickeln. Prof. Thiede, Direktor des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven, wird im letzten Vortrag des Jahres 2002 über eiskalte Entdeckungen, das heisst die aktuellen Ergebnisse der deutschen Polarforschung berichten.
Der Vortrag von Prof. Walliser (Paläontologie, Universität Göttingen), der elfte Vortrag der Reihe, wird sich mit den Wechselwirkungen zwischen geowissenschaftlicher Forschung und kultureller Entwicklung beschäftigen. Prof. Kappas (Geographie, Universität Göttingen) wird über hochmoderne Fernerkundungsmethoden berichten und damit ein anderes, ungewohntes Bild der Erde vermitteln.
Im 13. Vortrag wird Frau Prof. Webb (Petrologie GZG, Universität Göttingen) Einblicke geben in die Welt der Schmelzen und Kristalle und somit auch Einblicke in das tiefe Innere unseres Planeten. Prof. Gaupp (Sedimentologie, Universität Jena) wird die 14. Vorlesung über die sedimentäre Haut unseres Planeten geben. Die Sedimente sind mit die wichtigste Rohstoffquelle und somit auch essentiell für die zukünftige Entwicklung der Menschheit auf der Erde.
Frau Dr. Broschinski (Niedersächsisches Landesmuseum für Naturkunde, Hannover) wird im 15. Vortrag über die faszinierende Entwicklung der Wirbeltiere berichten und darüber, wie diese die Schwerkraft überwunden haben. Die Schlussvorlesung wird von Prof. Scherbaum (Geophysik, Universität Potsdam) gehalten. Er setzt Erdbebenwellen in hörbare Töne um. Die entstehenden Klangwelten sind harmonisch und zeigen, dass die Erde auch ein Musikinstrument sein kann. Erdbebenwellen sind auch ein Medium, um die innere Struktur des Erdkörpers zu erkennen.