Kurzzeit-Stipendien 2014
Bernstein, Stephanie
Zwischen Technikglaube und Selbstbestimmung - Einfrieren von Eizellen gesunder Frauen in der ethischen DebatteIn der Arbeit wird eine intensive Analyse der moralischen Argumente Gleichheit, reproduktive Autonomie, Natürlichkeit und Kindeswohl innerhalb der Debatte um Einfrieren von Eizellen fortpflanzungsfähiger junger Frauen vorgelegt. Diese klassisch philosophischen Argumente werden ergänzend aus feministischer Perspektive beleuchtet, um auf Besonderheiten oder Probleme bei der Anwendung der Argumente im Kontext reproduktiver Entscheidungen aufmerksam zu machen.
Neben dieser ethischen Analyse wurde im Rahmen des Dissertationsprojekts eine deutschlandweite quantitative Datenerhebung unter Reproduktionsmediziner*innen zu deren medizinischer und ethischer Einschätzung der Technik durchgeführt. Die Ergebnisse sowohl der Literaturanalyse als auch der empirischen Datenerhebung werden in einer kontextsensitiven Analyse der Argumente zusammengeführt und diskutiert. In diesem interdisziplinären Ansatz werden moralphilosophische Argumente mit sozialwissenschaftlich-empirischen und medizinisch-naturwissenschaftlichen Daten in Beziehung gesetzt, um die normativen Positionen zu reflektieren. An der Schnittstelle zwischen geschlechtersensibler bioethischer Reflexion und sozialwissenschaftlicher Forschung können implizit verhandelte Rollenbilder und Stereotype von Weiblichkeit, Mutterschaft und Alter sichtbar gemacht werden. Der Vergleich von philosophischer Argumentation und den praktischen Einschätzungen von Reproduktions-mediziner*innen ermöglicht einen neuen praxisorientierten Beitrag zur Debatte.
Frenking, Sarah
"Sämtliche über die Landesgrenze eintreffenden Eisenbahnzüge sind zu kontrollieren...". Praktiken der Grenzregime an der deutsch-französischen und deutsch-niederländischen Grenze 1880 - 1920Millionen Männer und Frauen durchquerten um 1900 Europa, um zu den Häfen (etwa Rotterdam) zu gelangen, von denen aus sie in die "Neue Welt" aufbrachen. Schifffahrtsgesellschaften und staatliche Behörden errichteten "Auswandererkontroll-" und "Registrierstationen" an den Grenzen - wie zwischen den Provinzen Overijssel und Westfalen - um die Migrant_innen erfassen zu können. Neben dieser globalen Dimension wurde auch lokal die Grenzkontrolle bedeutsam: Plötzlich waren Menschen damit konfrontiert, eine neue Grenze (wie die des "Reichslandes" Elsass-Lothringen) passieren zu müssen, ehe sie ihre Verwandten im Nachbardorf besuchen konnten.
Die Annahme von der Grenze als "permeabler Membran" und eines age of free migration für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bestimmt das Bild über die Grenzregime um 1900. Doch wie passt diese (vermeintliche) Offenheit mit der Hochphase des westeuropäischen nation-building zusammen? Das Dissertationsprojekt fragt nach der Entwicklung und dem Wandel von Praktiken der Grenzkontrolle. Dabei wäre sowohl Geschlecht zu berücksichtigen, als auch antisemitische und antiziganistische Kategoriebildung sowie etwa (wiederum vergeschlechtlichte) Diskurse über Schmuggel und Spionage.
Als Kultur- und Geschlechtergeschichte der Verwaltung und des Politischen geht es um den Wandel der bürokratischen Praktiken (mit Augenmerk auf die spezifische Vernunft der "Migrationsverwalter" und die Materialität von Akten). Der Blick auf die Akteure (auch als "Männer des Nationalstaates") sowie das jeu d'échelles, das Globales, Nationales und Lokales in Beziehung setzt, soll einen kritischen Beitrag zur (Geschlechter-)Geschichte der Grenzen und des nation-building ermöglichen.