SoSe 2003

Lehrveranstaltungen von Prof. Dr. Rebekka Habermas


  • Vorlesung: Reichsgründung und frühes Kaiserreich

    Mit der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 tritt der lange Prozess der Nationsbildung in eine neue Phase. Diese soll im Mittelpunkt der Vorlesung stehen. Dabei wird zum einen beschrieben, wie sich politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Strukturen veränderten: Wie positionierte sich das Reich außenpolitisch; wie lässt sich die Bismarcksche Politik beschreiben; welche Parteien bildeten sich mit welchen spezifischen Politikstilen und Mitgliederstrukturen heraus? Welche Auswirkungen hatte das "Wirtschaftswunder" in Folge der Industrialisierung? Wie strukturierten sich die Beziehungen zwischen Bürgertum, Adel, entstehender Arbeiterklasse und der ländlichen Bevölkerung? Auch wird es um die Frage gehen, welche Bedeutung Religion ? nicht nur vor dem Hintergrund des Kulturkampfes ? in der Entstehung des neuen Staates hatte. Zum anderen wird nach übergreifenden Faktoren der Nationsbildung zu fragen sein: Wie strukturierte der Aufbau welcher Formen moderner Verwaltung die neue Nation? Welche Geschlechterordnung wurde mit der Nationsbildung gleichsam mit entworfen? Welche Rolle spielten die Nationalitätspolitiken Dänen, Polen und Elsaß-Lothringern gegenüber? Wie lassen sich die nationalen Mythologisierungen beschreiben?

    Literatur: Eric Hobsbawm/Trence Ranger (Hg.), The Invention of Tradition, Cambridge 1983; David Blackbourn, The Long Ninteenth Century. A History of Germany, 1780?1918, New York 1998; Dieter Langewiesche/Georg Schmidt (Hg.), Förderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg, München 2000.



  • Hauptseminar: Göttingen im 19. Jahrhundert (Fortsetzung)

    Als Göttingen 1866 Teil der preußischen Provinz Hannover wurde und damit seinen besonderen Status als königlich-hannoversche Universitätsstadt verlor, befand sich die Stadt mitten in dem auch für kleinere Städte des 19. Jahrhunderts typischen Urbanisierungsprozess. Im Mittelpunkt des Seminars steht die Frage, wie sich Struktur und Folgen dieses Urbanisierungsprozesses genauer beschreiben lassen: Wie veränderten sie das wirtschaftliche Gefüge, ab wann kann überhaupt von Industrialisierung gesprochen werden? Wie wandelten sich Sozial- und Familienstruktur? Welche Auswirkungen hatte die Bevölkerungszunahme auf Stadtbild und Sozialtopographie, aber auch auf das Verhältnis zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen? Wie veränderten sich die politischen Öffentlichkeiten nach 1866 ? bzw. kam es überhaupt zu Veränderungen? Diesen und ähnlich sozial- und kulturgeschichtliche Fragen soll auch in diesem Semester entlang von im Seminar gemeinsam unternommenem Archivstudien (Stadtarchiv und Universitätsarchiv) nachgegangen werden. Erwartet wird die Bereitschaft zur Quellenarbeit sowie eventuell zur Erarbeitung exemplarisch angelegter Studien zur Stadtgeschichte Göttingens im 19. Jahrhundert.

    Literatur: Ernst Böhme/Rudolf Vierhaus (Hg.), Göttingen. Geschichte einer Universitätsstadt. Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Anschluss an Preußen ? Der Wiederaufstieg als Universitätsstadt, Göttingen 2002.



  • Oberseminar: Ego-Dokumente

    Unter Ego-Dokumenten versteht man im allgemeinen Quellen, die Auskunft über subjektive Erfahrungen, Wahrnehmungen und Gefühle zu geben versprechen: Briefe, Tagebücher, biographische Entwürfe und Testamente. Ob und inwiefern diese Quellen tatsächlich Auskunft über die Innenwelten historischer Akteure und Akteurinnen geben, soll Thema des Seminars sein. Dabei geht es auch um die Frage, wie dieses Material gelesen werden kann und was Kennzeichen eines Ego-Dokumentes ist. All dem soll auf der Grundlage ausgewählter Quellentexte, aber auch ausgehend von theoretischen Texten nachgegangen werden.

    Literatur: Winfried Schulze, Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996.



  • Forschungskolloquium

    Im Rahmen des Kolloquiums werden Staatsexamens-, Magister- und Doktorarbeiten sowie laufende Forschungsarbeiten der Neueren Geschichte vorgestellt und diskutiert. Überdies sollen wichtige Neuerscheinungen aus dem Bereich der Kulturgeschichte vorgestellt werden. Insbesondere Studierende in den Abschlusssemestern bzw. der Prüfungsphase sind hoch willkommen, um im Rahmen dieses Seminars eigene und fremde Forschungsarbeiten zu debattieren.





Lehrveranstaltungen von Dr. Alexandra Przyrembel


  • Proseminar: Der Erste Weltkrieg

    Die Forschungsliteratur zum Ersten Weltkrieg ? der "Urkatastrophe Deutschlands" (W. Mommsen) ? lässt sich mittlerweile kaum noch überblicken. Insbesondere Fritz Fischers Studie "Griff nach der Weltmacht" löste in den 60er Jahren eine breite Debatte über die Ursachen, die Schuldfrage und die deutschen Ziele des Ersten Weltkrieges aus. Ausgehend von der "Fischer-Kontroverse" setzt sich das Proseminar mit den unterschiedlichen Deutungen des Ersten Weltkrieges durch die Geschichtswissenschaft auseinander: Inwieweit unterscheiden sich beispielsweise alltags-, kultur- und mikrohistorische Untersuchungen des Ersten Weltkrieges von den bereits zitierten Standardstudien? Dieses Seminar richtet sich auch an Studierende, die einen Überblick über die Vielfalt der historiographischen Ansätze und Methoden bekommen wollen.

    Literatur: Die mit einem * gekennzeichneten Titel bitte anschaffen. Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düssldorf 1961; Gerhard Hirschfeld u.a. (Hg.), "Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch...". Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt a.M. 1996; *Niall Ferguson, Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, München 2001; *John Keegan, Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, Reinbek 2001; Karen Hagemann/Stefanie Schüler-Springorum (Hg.), Heimat-Front. Militär- und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt a.M./New York 2002; *Wolfgang J. Mommsen, Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg, 1914?1918, 10., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart 2002.



  • Seminar für fortgeschrittene Anfänger: Emotionen in der Späten Neuzeit

    "Glücklich zu sein ist ja der erste aller unserer Wünsche." Spiegelt diese Maxime des Dichters Heinrich von Kleist aus dem Jahr 1799 tatsächlich unsere eigene Befindlichkeit im Jahr 2003 wider? Oder zeigt sie nicht vielmehr, dass Gefühle wie "Glücklichsein", Liebe, Schmerz, Angst und Wut einem historischen Wandel unterliegen? Lassen sich Gefühle und ihre Ausdrucksformen gar periodisieren? Nach einer theoretischen Diskussion der Begriffe Empfindungen, Gefühle und Emotionen sollen sowohl einzelne "Gefühlszustände" als auch ihre unterschiedlichen Ausdrucksformen untersucht werden. Eine gemeinsame Abschlussveranstaltung mit dem parallel aufgebauten SfA zu Emotionen im Mittelalter von Dr. Katrinette Bodarwé ist geplant.

    Literatur: Jean Delumeau, Angst im Abendland. Die Geschichte kollektiver Ã?ngste im Europa des 14. bis 18. Jahrhunderts, Reinbek 1989; Ute Frevert, Vertrauen. Historische Annäherungen an eine Gefühlshaltung, in: Claudia Bentheim u.a. (Hg.), Emotionalität. Zur Geschichte der Gefühle, Köln/Weimar/Wien 2000, 178?197; Martina Kessel, Langeweile. Zum Umgang mit Zeit und Gefühlen in Deutschland vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert, Göttingen 2001; William M. Reddy, The Navigation of Feeling. A Framework for the History of Emotions, Cambridge u.a. 2001.