Wintersemester 2016/17

Vorlesung: Leib und Seele im Mittelalter - eine Bilanz der Körpergeschichte in der Mediävistik

Do 10-12 Uhr

Raum: ZHG 104

Beginn: 20.10.2016

Kommentar: Die Geschichtswissenschaften sind traditionell philologisch orientiert. Lange Zeit haben sie daher das Handeln historischer Personen primär vermittelt durch schriftliche Zeugnisse geistiger Betätigung wahrgenommen. Seit den späten 1980er Jahren jedoch interessieren wir uns auch für ganz andere Dinge: Im Zuge der kulturanthropologischen Wende haben auch Historikerinnen und Historiker den Menschen als Einheit von Leib und Seele begreifen gelernt - und diese Vorstellung sogleich wieder als eurozentrisch dekonstruiert?

Die "Körpergeschichte" ist jedoch zumindest in der deutschen Mediävistik nie über eine gewisse Randständigkeit hinausgekommen - anders als in der Frühneuzeit- oder in der englischsprachigen Mittelalterforschung. Dabei gibt es hier so viel zu entdecken: die Lebensbedingungen in einer Mangelgesellschaft; Krankheit und Gesundheit; den Körper als Zeichenträger in seinen gesellschaftlichen Funktionen; die Leiblichkeit der Erlösung im christlichen Kult; den geschlechtlichen Körper und seine Dekonstruktion; den Körper als Gegenstand der Delinquenz und ihrer Bestrafung etc. Zu all diesen Themen ist in den letzten Jahrzehnten fruchtbar geforscht worden. Dann aber ist es in der Forschungslandschaft auffällig still um die "Körpergeschichte" geworden (wiederum vor allem in Deutschland). So ist der Schritt zur Selbsthistorisierung vielleicht zu rechtfertigen. In der Vorlesung soll also der Versuch unternommen werden, ein gerade ausgewechseltes Paradigma zu bilanzieren: Welche Erträge hat die "Körpergeschichte" gebracht? Wo liegen ihre Grenzen, aber auch ihre Potentiale? Brauchen wir sie noch?

Einführende Literatur:

Kalof, Linda/Bynum, William F. (Hg.): A Cultural History of the Human Body in the Medieval Age. (Cultural History of the Human Body, Bd. 2). Oxford, New York 2010.

Le Goff, Jacques/ Truong, Nicolas: Die Geschichte des Körpers im Mittelalter, Stuttgart 2007.

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Proseminar:Gewalt auf See und ihre Wahrnehmung in Nordeuropa um 1400

Fr, 10-13

Raum KWZ 1.731

Beginn: 21.10.2016

Kommentar: Zwischen ca. 1370 und 1435 tauchen in den zahlreichen Auseinandersetzungen im nordeuropäischen Raum Gruppen von Kämpfern auf, die mal für diese, mal für jene Seite, oder auch ohne erkennbaren Auftraggeber fochten. In den hansischen Quellen werden sie oft als "(see)rover" oder "fratres vitalienses" bezeichnet. Heute fasst man sie oft fälschlich als die "Vitalienbrüder" zusammen, die unter ihrem legendären Oberhauptmann Klaus Störtebeker Piraterie gegen die Hanse betrieben hätten. Allerdings ist der tatsächliche soziale und rechtliche Status von maritimen Gewaltakteuren im Spätmittelalter bisher kaum bekannt.

Populär, wenig erforscht, und in vielerlei Hinsicht exemplarisch - die Gewalttäter der Hansezeit bieten sich als Thema für ein Einführungsseminar besonders an. Wir wollen uns diesem Phänomen anhand von Fallbeispielen und Einzelpersonen nähern, und dabei immer zugleich Anknüpfungspunkte für die propädeutischen Grundlagen der Mediävistik suchen. Dazu werden wir u.a. gemeinsam anhand von ausgewählten Quellenbeispielen Personeneinträge für ein Wiki erstellen, an dem seit mehreren Semestern im Rahmen von Lehrveranstaltungen gearbeitet wird.

Link:

http://de.prosopographie.wikia.com/wiki/Prosopographie_Wiki

Einführende Literatur:

Jahnke, Carsten: Die Hanse, Stuttgart 2014.

Rohmann, Gregor: Der Kaperfahrer Johann Stortebeker aus Danzig. Beobachtungen zur Geschichte der "Vitalienbrüder", in: Hansische Geschichtsblätter 125 (2007), S. 77-119.

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Vertiefungsseminar: Staufer und Welfen - ein Machtkampf mit langer Nachgeschichte

Do, 14-16

Raum KWZ 1.701

Beginn: 20.10.2016

Kommentar: Das hochmittelalterliche Kaisertum bildete bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts den unangefochtenen Höhepunkt der deutschen Reichsgeschichte. Die Zeit der Staufer und Welfen bildete den Ursprungsmythos des im 19. Jahrhundert entstandenen Nationalstaats. Die Kaiserpfalz in Goslar, das Kyffhäuserdenkmal bei Bad Frankenhausen oder die Burg Braunschweig waren Kristallisationskerne dieser Traditionsbehauptung. Doch seit das "Dritte Reich" die deutsche Erinnerungskultur monopolartig beherrscht, sind Friedrich Barbarossa und Heinrich der Löwe im nationalen Gedächtnis in den Hintergrund getreten. In der Forschung wurden zudem Zweifel angemeldet, ob es sich bei den historischen Ereignissen überhaupt um einen dynastischen Zweikampf gehandelt habe oder nicht eher um eine Kette von individuellen Machtkonflikten zwischen engen Verwandten.

Jedenfalls bietet das Reich im 12. und frühen 13. Jahrhundert ein Bild, anhand dessen sich die Mechanismen und Funktionsweisen hochmittelalterlicher Herrschaft wie unter Laborbedingungen studieren lassen. Zudem waren mit den erwähnten Konflikten zahlreiche territoriale Entscheidungen verbunden, die bis heute nachwirken. Schließlich ist die beschriebene Rezeptionsgeschichte von "Staufern und Welfen" ebenso unumgänglich, wenn man die deutsche Geschichte der Neuzeit verstehen will. Allen drei Aspekten: Geschichte vormoderner Königsherrschaft, langfristige Folgen dynastischer Machtkämpfe, moderne Wahrnehmung des Mittelalters, wollen wir im Vertiefungsseminar anhand exemplarischer Studien nachgehen.

Einführende Literatur:

Hechberger, Werner/Schuller, Florian (Hg.): Staufer und Welfen. Zwei rivalisierende Dynastien im Hochmittelalter, Regensburg 2009.

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Kolloquium: Themen und Tendenzen der Mittelalterforschung (TTM)

Do, 18-20

Raum KWZ 0.610

Beginn: 20.10. 2016 (Vorbesprechung)

Kommentar: Das Kolloquium steht als Forum für neue Arbeiten, Ansätze und Fragen unserer Profession zur Verfügung. Wir unterscheiden dabei zwei verschiedene Arten von Diskussionsrunden: Zum einen regelrechte Vorträge von maximal 45 Minuten Dauer mit anschließender Diskussion, zum anderen Berichte aus der Werkstatt, die den Bachelor- und Masterstudierenden sowie Doktorandinnen und Doktoranden die Möglichkeit bieten, ihre Forschungsprojekte zu diskutieren.Das Kolloquium steht allen Studierenden offen, die sich für den gegenwärtigen Fragenhorizont der internationalen Mediävistik interessieren. Es soll dabei auch als Forum für die Vorstellung eigener Arbeiten (Bachelor- und Masterarbeit, Dissertation, Habilitation) dienen. Das aktuelle Programm wird zu Beginn des Semesters veröffentlicht.