Universität als Stiftung: Zehn Fragen des Personalrats - Antworten des Rechtswissenschaftlers und Senatsmitgliedes Prof. Dr. Hansjörg Otto
Welche Auswirkungen hätte die Umwandlung der Universität Göttingen in eine Stiftung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hochschule? Müssen sie mit einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen rechnen? Oder würde ihnen die Stiftungslösung im Gegenteil neue Chancen und Verbesserungen bringen? Der Personalrat der Georg-August-Universität hat dazu zehn Fragen gestellt, die der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hansjörg Otto beantwortet. Der Hochschullehrer ist seit 1978 Professor für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Göttinger Juristischen Fakultät. Seit 1995 gehört er dem Senat an. Prof. Otto ist Mitglied der vom Senat eingesetzten Arbeitsgruppe, die sich seit September vergangenen Jahres mit den Hauptfragen einer möglichen Änderung der Trägerschaft befasst und den Senatsbeschluss zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem niedersächsischen Wissenschaftsministerium vorbereitet hat. In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt sich Prof. Otto unter anderem mit dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, der Haftung des Arbeitnehmers, mit dem Betriebsverfassungs-, Tarif- und Arbeitskampfrecht und dem Arbeitsrecht der Europäischen Gemeinschaft.
Frage eins: Kann im Stiftungsfall davon ausgegangen werden, dass die bisherigen Beschäftigten der Georg-August-Universität mit ihren verschiedenen Anwartschaften und Ansprüchen voll in das Beamtenrecht, den Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb), den Bundes-Angestelltentarifvertrag - Bund, Länder, Gemeinden (BAT) und die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) eingegliedert werden? Wie verhält es sich mit den Ausbildungsverhältnissen - deren Standard und Zahl - im Fall der Stiftung?
Prof. Otto: Der Besitzstand der gegenwärtig an der Universität Göttingen beschäftigten Beamten und Arbeitnehmer bleibt in jeder Hinsicht gewahrt.
Im einzelnen: Es gilt wie bisher das Niedersächsische Beamtenrecht, auch wenn die Stiftung Dienstherr wird. Die für das Land geltenden Tarifverträge und sonstigen Bestimmungen sind weiterhin anzuwenden. Die Stiftung ist verpflichtet, die beim Land erworbenen arbeits- und tarifvertraglichen Rechte anzuerkennen sowie einem Arbeitgeberverband beizutreten, der der Tarifgemeinschaft deutscher Länder angehört. Dies bedeutet, dass auch neue Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für die bei der Stiftung beschäftigten Arbeitnehmer gelten. Die Stiftung ist verpflichtet, die Ansprüche auf eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung durch die VBL sicherzustellen.
Für die Aufrechterhaltung des Standards der Ausbildungsverhältnisse gilt nichts anderes. Zur zukünftigen Zahl der Ausbildungsplätze kann ich keine Aussage machen, weil sie auch vom Bedarf abhängt. Sollte die Stiftung neue Funktionen übernehmen, könnten auch neue Ausbildungsmöglichkeiten entstehen.
Frage zwei: Was geschieht mit den Beschäftigten, die dem Übergang ihres Beschäftigungsverhältnisses auf die Stiftung widersprechen, sofern ihnen dadurch Nachteile entstehen sollten?
Prof. Otto: Nach meiner Auffassung wird ein Widerspruch nicht in Betracht kommen. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse beruht nämlich nicht auf einem Rechtsgeschäft, sondern auf einem staatlichen Hoheitsakt, so dass Paragraph 613a (Rechte und Pflichten beim Betriebsübergang) des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht anwendbar ist. Vielmehr wird der Übergang der Arbeitsverhältnisse in der so genannten Überführungs-Verordnung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) geregelt werden müssen.
Frage drei: Werden Arbeitnehmer, die nach der Umwandlung der Universität in eine Stiftung eingestellt werden, zu den gleichen Konditionen beschäftigt wie vor dem Stiftungsdatum?
Prof. Otto: Auch für die Arbeitnehmer, die nach dem Stiftungsdatum eingestellt werden, gelten die Tarifverträge und Dienstvereinbarungen. Für gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer sind die tariflichen Regelungen als Mindestbedingungen zwingend. Der öffentliche Arbeitgeber ist darüber hinaus nach meiner Auffassung schon wegen des Gebots der Gleichbehandlung gehindert, zwischen Nichtorganisierten und Organisierten zu differenzieren. Hinzu kämen praktische Schwierigkeiten bei einer Differenzierung. Modifikationen sind allenfalls oberhalb des Tarifniveaus denkbar. Diese Möglichkeit würde aber ohnehin erst mit der Stiftung eröffnet werden.
Frage vier: Welche Vorteile haben Beschäftigte durch die Überleitung in eine Stiftung?
Prof. Otto: Bei der Frage nach den Vorteilen für die Beschäftigten muss zwischen der Gesamtheit der Beschäftigten und ihrer individuellen Situation unterschieden werden. Die Verhandlungen werden nur dann erfolgreich sein, wenn die zu gründende Stiftung vor finanziellen Risiken geschützt ist und für sie im Verein mit der Universität wirklich eine größere Autonomie gewährleistet wird. Eine verbesserte Handlungsfähigkeit von Dienstherr beziehungsweise Arbeitgeber käme dann auch den Beschäftigten insgesamt bei dem Wettbewerb der Hochschulen untereinander in den Bereichen Forschung und Lehre zugute. Bedeutsam sind ja auch die Bedingungen, unter denen die Arbeit zu verrichten ist.
Inwieweit der jeweils einzelne Arbeitnehmer einen individuellen Vorteil hat, hängt ganz von den spezifischen Umständen seiner Beschäftigung ab. So wird man davon ausgehen können, dass zum Beispiel nur in relativ geringen Fällen eine verbesserte Bezahlung möglich sein wird, wenn man die Gesamtausstattung der Universität bedenkt. Entscheidend ist jedoch aus meiner Sicht, dass solche Möglichkeiten überhaupt bestehen und dass hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Übrigen der größere Handlungsspielraum auch zugunsten der Arbeitnehmer genutzt werden kann.
Frage fünf: Wird es eine gemeinsame Stiftung von Universität und Medizin in Göttingen geben? Werden in diesem Fall die „beiden Betriebe„ Universität und Medizin dieselben Organisationsstrukturen beibehalten, etwa bei Organisations- und Personalentwicklung oder der Personaladministration?
Prof. Otto: Falls es eine Stiftung geben sollte, wird es auf jeden Fall nur eine Stiftung der Gesamtuniversität sein können. Dies ist mit Recht politisch so entschieden. Die Einzelheiten der Umsetzung vermag ich aus eigener Erfahrung nicht zu übersehen. Es besteht jedoch unverändert die Auffassung, dass es drei Gruppen von Angelegenheiten gibt, nämlich solche, die nur die Universität ohne die Medizin betreffen, solche, die allein im Bereich Humanmedizin entschieden werden sollten und schließlich in einem großen Umfang gemeinsame Aufgaben. Gerade in dieser Hinsicht hat der Senat mit Nachdruck ein einvernehmliches Handeln von Präsidium und Vorstand verlangt.
Frage sechs: Wie wird in dem einen oder anderen Stiftungsfall die Repräsentanz der Beschäftigten - Personalvertretung, Jugend- und Auszubildenden-Vertretung, Frauenbeauftragte, Schwerbehindertenvertretung, Einigungsverfahren - gewährleistet? Inwieweit werden bisherige Landeskompetenzen (Hauptpersonalrat, Job-Börse) beibehalten oder anders verteilt?
Prof. Otto: Da die Stiftung nur Träger der Universität Göttingen werden soll, bleibt es aus meiner Sicht im Grundsatz bei den zwei relativ selbständigen Einheiten, nämlich der Universität ohne die Medizin und dem Bereich Humanmedizin. Für einen Veränderungsbedarf hinsichtlich der Personalvertretung sehe ich auf den ersten Blick keinen Anlass. Dasselbe gilt für die Schwerbehindertenvertretung und die Frauenbeauftragten. An den Sitzungen des Stiftungsrats nehmen ein Mitglied des Personalrats und die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule mit beratender Stimme teil.
Nicht erhalten bleibt mit Sicherheit die bisherige Kompetenz des Hauptpersonalrats. Seine Funktion ist an einen mehrstufigen Behördenaufbau gebunden. Hieran fehlt es, wenn die Stiftung als selbständige juristische Person des öffentlichen Rechts Rechtsträger wird. In Konfliktfällen ist deshalb zukünftig eine Einigungsstelle auf der Ebene der Stiftung zu bilden.
Die Job-Börse hat mit den Kompetenzen des Personalrats allenfalls insoweit etwas zu tun, als es um die Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern geht, die an ihrem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr eingesetzt werden können. Insoweit ist noch unklar, ob die Universität Göttingen beziehungsweise die Stiftung an die Job-Börse gebunden bleibt. Ich selbst würde dies mit Rücksicht auf eine schnelle Handlungsfähigkeit für keine überzeugende Lösung halten.
Frage sieben: Wie werden im Stiftungsfall Arbeitsverhältnisse geregelt, die bisher nicht tariflich, sondern durch Erlasse des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, zum Beispiel bei Lehrkräften für besondere Aufgaben, studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte, festgelegt sind?
Prof. Otto: Diese Frage vermag ich nicht eindeutig zu beantworten. Im Niedersächsischen Hochschulgesetz ist von der Anwendbarkeit der für das Land geltenden „sonstigen Bestimmungen„ die Rede. Dies könnte bedeuten, dass auch die in der Frage genannten Erlasse weiter maßgeblich sein sollen. Nach meiner Auffassung wäre das jedenfalls generell keine vernünftige Lösung, weil sie die Autonomie der Stiftung im Personalbereich beschränken würde. Dabei steht für mich außer Frage, dass auch eine Neuregelung auf Stiftungsebene zu sozialverträglichen Lösungen führen muss.
Frage acht: Hat die Universität bereits Vorstellungen, an welche Persönlichkeiten sie sich für die Bestellung des Stiftungsrates wenden möchte?
Prof. Otto: Von konkreten Vorstellungen ist mir nichts bekannt. Für besonders bedeutsam halte ich jedoch, dass fünf der sieben Mitglieder im Einvernehmen mit dem Senat bestellt werden müssen und dass der Senat eine Person seines Vertrauens uneingeschränkt selbst benennen kann. Der Entwurf einer neuen HumanmedVO (Stand 13. Mai 2002), die die Beziehungen zwischen Universität und Medizin regelt, sieht darüber hinaus für einen erweiterten Stiftungsrat ein weiteres, vom Senat zu benennendes Mitglied aus dem Bereich Humanmedizin sowie zwei auf Vorschlag des Fakultätsrats zu bestellende Mitglieder vor.
Frage neun: Inwieweit soll das für eine Stiftung unabdingbare Fundraising, das Einwerben von Mitteln, an der Universität etabliert werden?
Prof. Otto: Nach meiner Kenntnis soll das Fundraising bei der Befürwortung einer Stiftung in der Universität etabliert werden. Jedoch kämen detaillierte Überlegungen zum jetzigen Zeitpunkt viel zu früh. Im Übrigen würde ich diesen Aspekt auch deshalb nicht überbetonen, weil mit Spenden zugunsten der Stiftung in größerem Umfang in näherer Zukunft sicher ohnehin nicht gerechnet werden kann.
Frage zehn: Was passiert bei Auflösung der Stiftung?
Prof. Otto: Der Gesetzgeber hat es abgelehnt, die Frage der Auflösung und damit auch etwaige Konsequenzen für die Beschäftigungsverhältnisse im Gesetz anzusprechen. Aus meiner Sicht ist dies politisch verständlich, wenn man die Überführung in eine Stiftung öffentlichen Rechts für den sachgerechten Weg hält. Nach meiner festen Überzeugung besteht jedoch zu einer Beunruhigung der Beschäftigten kein Anlass. Denn nach meiner Auffassung ist nicht daran zu zweifeln, dass bei einer vom Gesetzgeber zu beschließenden Auflösung der Stiftung die Dienst- und Arbeitsverhältnisse unter Besitzstandswahrung entweder in den Landesdienst rücküberführt oder an eine andere Einrichtung übertragen werden müssten.