Neues Testament
Die Neutestamentliche Wissenschaft an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen erforscht das Neue Testament (NT) als die Ur-Kunde des Christusglaubens, wie sie auf der Basis der Heiligen Schriften Israels, im Kontext des antiken Judentums und in Auseinandersetzung mit der hellenistisch-römischen Welt formuliert wurde. Diese Wissenschaft vollzieht sich demnach im Spannungsfeld von religionsgeschichtlicher Perspektive, in der das NT zunächst die Schriftensammlung einer jüdischen Splittergruppe, sodann die Gründungsurkunde einer Weltreligion darstellt, und theologischer Sicht, der zufolge es Gottes Offenbarung in der Person Jesus Christus auf grundlegende Weise bezeugt.
Forschungsschwerpunkte
Seit über hundert Jahren ist es eine Spezialität Göttingens, die Auslegung des NT in den Kontext außerbiblischer Traditionen zu stellen, also die Exegese mit religionsgeschichtlichen Fragestellungen zu verbinden. Auf eine lange Tradition blicken dabei die Studien zum antiken Judentum zurück, die vor allem in neuerer Zeit auch bewußt in Absehung von neutestamentlichen Fragestellungen betrieben wird (vgl. die Projekte von Prof. Hans-Jürgen Becker in der Abteilung für Judaistik). Ergänzend zu den Forschungen im Rahmen der Judaistik und der alttestamentlichen Wissenschaft geht Prof. Dr. Florian Wilk der Verwurzlung der Texte des NT in (gerade auch hellenistisch-)jüdischen Traditionen nach; besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem jeweiligen Umgang mit der Heiligen Schrift. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt, der in der Abteilung Hellenistische Religionsgeschichte gebündelt wird, ist die Erschließung der hellenistischen Kultur und Geistesgeschichte als Kontext der frühchristlichen Theologie(n), die von Prof. Dr. Reinhard Feldmeier v. a. in Zusammenarbeit mit außertheologischen Fächern bearbeitet wird: als Mitherausgeber verantwortet er die inzwischen bei Mohr-Siebeck etablierte Reihe SAPERE, in der Schriften der griechisch-römischen Antike zu Philosophie, Religion und Ethik herausgegeben, übersetzt und interdisziplinär kommentiert werden. Mitarbeiter beschäftigen sich in verschiedenen Forschungsprogrammen auch mit früh-christlichen Texten jenseits des NT bis hin zur Gnosis.
Das Ziel solcher Forschungen ist bei aller sorgfältigen philologischen, historischen und religionsgeschichtlichen Arbeit letztlich ein theologisches: Die biblischen Texte sollen für die Gegenwart erschlossen werden. In diesem Zusammenhang arbeitet F. Wilk an einer "Biblischen Theologie", die das Verhältnis beider Testamente "in Israels Gegenwart", also unter Achtung jüdischer Schriftauslegung zu beschreiben sucht.
R. Feldmeier untersucht vor allem die Profilierung der neutestamentlichen Botschaft im Horizont der griechisch-römischen Welt.