Workshop Anachronistisches Interpretieren


Universität Göttingen, 10.-11. Dezember 2015

Veranstaltungsort: CRC "Textstrukturen", Nikolausberger Weg, 37073 Göttingen



Für die Interpretation literarischer Texte scheint ein generelles "Anachronismusverbot" zu herrschen: Anachronistische Interpretationen – vorläufig verstanden als Eigenschaftszuschreibungen an ein Werk, die im Entstehungskontext des Werkes nicht verfügbar waren – gelten üblicherweise als verfehlt und unangemessen. Angehende Philologen etwa werden schon in den ersten Semestern dazu angehalten, literarische Werke vor ihrem jeweiligen zeitgeschichtlichen Hintergrund zu verstehen und Interpretationen zu vermeiden, die die historische Bedingtheit ihres Gegenstandes nicht hinreichend beachten. Dass anachronistisches Interpretieren zumindest im wissenschaftlichen Kontext keine legitime Form des Umgangs mit Literatur darstellt, scheint so klar und unstrittig zu sein, dass dies in der Regel nicht einmal als begründungsbedürftig gilt, sondern vielmehr zu den allgemeinen und stillschweigend akzeptierten Voraussetzungen des Interpretierens zählen dürfte. Auf dem Workshop möchten wir uns dem Phänomen anachronistischer Interpretationen in historischer und systematischer Perspektive nähern und nach seinen Voraussetzungen, seinen Formen und den Gründen fragen, die für bzw. gegen anachronistisches Interpretieren sprechen. Neben einer genaueren Klärung, was anachronistische Interpretationen eigentlich sind und was sie auszeichnet, sollen u.a. folgende Fragen diskutiert werden: Lässt sich ein generelles Anachronismusverbot verteidigen oder gibt es Formen anachronistischen Interpretierens, die legitim sind? Welche Antworten geben sowohl historische als auch zeitgenössische Literaturtheorien auf diese Frage? In welchem Zusammenhang steht anachronistisches Interpretieren mit der Wahl von Kontexten und Bezugstheorien, die bei der Interpretation literarischer Texte einbezogen werden? Und welche Rolle spielen anachronistische Interpretationen in der Praxis, in welchen Formen treten sie auf, wodurch sind sie bedingt und wie werden sie de facto beurteilt und begründet?





Programm



Donnerstag, 10. Dezember 2015


  • 15:00-15:45 Uhr
    Begrüßung und Einführung durch die Veranstalter



  • 15:45-16:30 Uhr

    Ralf Klausnitzer:

    Context unlimited? Über intrinsische und extrinsische Grenzen von Kontextbildung und Kontextverwendung.


  • 16:30-16:45 Uhr

    Kaffeepause



  • 16:45-17:30 Uhr

    Silvan Kufner:

    Novalis interpretiert mit aktueller Traumforschung. Problemfelder aus der anachronistischen Interpretationspraxis.


  • 17:30-18:15 Uhr

    Marcus Willand:

    Historische Angemessenheit als hermeneutisches Konzept, Argument oder Problem?




  • anschließend gemeinsames Abendessen







    Freitag, 11. Dezember 2015



    • 10:00-10:45 Uhr

      Thomas Petraschka:

      Unter welchen Umständen können anachronistische Interpretationen gerechtfertigt sein?


    • 10:45-11:00 Uhr

      Kaffeepause


    • 11:00-11:45 Uhr

      Jan Borkowski:

      Überlegungen zur Zulässigkeit des anachronistischen Interpretierens literarischer Texte (mit einem Seitenblick auf die Geschichtswissenschaft).

    • 11:45-12:15 Uhr

      Abschlussdiskussion



      Da das Raumangebot begrenzt ist, wird um Anmeldung gebeten unter:
      stefan.descher@phil.uni-goettingen.de