Nieder- und Mittelwälder zählten über Jahrhunderte zu den vorherrschenden Waldnutzungsformen in Deutschland. Sie prägten nicht nur die Kulturlandschaft nachhaltig, sondern stellten auch eine wichtige Lebensgrundlage für die ländliche Bevölkerung dar und förderten zugleich eine artenreiche Flora und Fauna. Obwohl die Spuren dieser traditionellen Nutzung in vielen Waldbeständen noch erkennbar sind, wird sie heute nur noch in wenigen Reliktflächen aktiv fortgeführt.
Niederwälder
Niederwälder sind eine traditionelle Form der Waldbewirtschaftung, bei der Bäume nach einem forstlichen Einschlag erneut aus dem Wurzelstock austreiben. Typische Baumarten sind Eiche, Hainbuche, Birke und Ahorn; ergänzend können jedoch sehr viele Laubbaumarten genutzt werden. Die Flächen werden in sogenannte Schläge unterteilt, von denen in der Regel jährlich einer genutzt wird. Die Anzahl der Schläge bestimmt damit unmittelbar die Umtriebszeit, die meist zwischen 10 und 40 Jahren liegt. Es entsteht ein kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Altersstadien. Diese strukturreiche Waldform zeichnet sich durch eine hohe ökologische Wertigkeit aus. In den ersten Jahren nach dem Einschlag begünstigt der hohe Lichteinfall auf die offene Fläche licht- und wärmeliebende Arten, die unter geschlossenen Kronendächern nicht vorkommen. Mit zunehmender Beschattung durch den Neuaustrieb schließt sich der Bestand allmählich, bis der Zyklus erneut beginnt. In der Vergangenheit wurden Niederwälder unterlagen einer vielfältigen Produktpalette: Brennholz, Holzkohlegewinnung, Lohgerberei, Laubheugewinnung, Viehweide und Ackerfeldbau.
Mittelwälder
Die Grenzen zwischen Nieder- und Mittelwald waren in der historischen Nutzungspraxis oft fließend. In der bäuerlichen Bewirtschaftung wurden Waldformen nicht strikt voneinander getrennt, sondern flexibel an lokale Bedürfnisse, Nutzungsziele und Standortbedingungen angepasst. So entstanden vielfältige Übergangsformen, in denen sich Merkmale beider Bewirtschaftungstypen kombinierten. Im Unterschied zum Niederwald bleiben im Mittelwald einzelne Bäume – sogenannte Überhälter – stehen, während die übrigen Bestände auf den Stock gesetzt werden. Diese Überhälter, meist aus Kernwuchs hervorgegangen, bilden das sogenannte Oberholz. Es diente der Produktion von Wertholz, etwa für Bauzwecke, und ergänzte damit die Nutzung der Stockausschläge. Wie im Niederwald entstanden auch im Mittelwald durch den regelmäßigen Einschlag lichte Waldbestände mit hoher Strukturvielfalt. Die Überhälter trugen zusätzlich zur Ausbildung von Mikrohabitaten und zur Bereitstellung von Totholz bei, wodurch auch im Mittelwald licht- und wärmeliebende sowie totholzabhängige Arten gefördert wurden.
Warum sind Nieder- und Mittelwälder heute so selten?
Laut der dritten Bundeswaldinventur gibt es in Deutschland nur noch rund 32.500 Hektar Niederwald (einschließlich durchgewachsener Bestände bis 40 Jahre) und etwa 46.000 Hektar Mittelwald. Zusammen machen sie weniger als ein Prozent der gesamten Waldfläche aus. Der Rückgang der Mittel- und Niederwälder setzte mit dem Aufkommen günstiger fossiler Energieträger ein, die Brennholz als wichtigste Energiequelle ersetzten. Gleichzeitig rückte die Produktion von Stammholz in den Vordergrund, die in diesen Waldformen nur begrenzt möglich ist. Auch viele traditionelle Nebennutzungen – wie die Gewinnung von Eichenrinde – kamen spätestens in den 1970er Jahren zum Erliegen. Heute spielt die wirtschaftliche Nutzung von Mittel- und Niederwäldern kaum noch eine Rolle; das gewonnene Holz wird meist im Eigenbedarf verwendet.
