Current Ph.D Theses


Kristina Becker Narrative patterns in 19th century popular Historiography
Nicolas Bilo Kulturgeschichte der Demographie und Statistik. Der Berliner "Verband für Statistik der Juden" (1902-1931) und die Zählung der Gesellschaft
Rüdiger Brandis Historical Simulacra in Digital Spaces. Epistemological Implications of Digital Historical Simulations
Nina Härter Der Schluck (nationale) Identität? Inca Kola als peruanische Kulturgeschichte, 1935-1999
Heidrun Mühlbradt The Revolutionary's Body: A Comparative Body History of the Revolutionary Period in Ireland (1916-23) and Germany (1918-23)
Joana Thinius Projektskizze: Historische Kontingenz visualisieren. Die Infografik in kultur- und medientheoretischer Perspektive
Christian Wachter Hypertextualität als Desiderat für geschichtswissenschaftliches Knowledge Design



Kristina Becker
Becker 2019 klein
Project abstract: Narrative patterns in 19th century popular Historiography

According to the majority of studies focussed on 19th century popular historiography the most significant characteristics, compared to academic historiography, are the following ones: Narrative elements are of prime importance to achieve comprehensibility; facts and details are reduced due to their minor importance. Nevertheless, the sources analysed in this project expose results diametrically opposite to the last-mentioned feature. On the contrary, authors of popular historical literature in the 19th century used a highly amount of details within their texts. However, these details are only one part of narrative patterns that can be verified in the corpus. Another significant feature is the high frequency of visuality; linguistic imagery (e.g. metaphors) as well as pictures. From this it follows that popular history realized the potential of visual mediality within the context of knowledge transfer early on.
The dissertation project focusses on questions relating to the importance of visuality within the communication of knowledge and therefore connects approaches derived from the Visual Turn and History of Ideas and Knowledge.
The project analyses the narrative patterns used by the authors employing computer-assisted techniques and focussing on several narrative levels, both in form and content. The goal of the study is to show how narrative patterns work in the context of knowledge transfer within 19th century popular historiography.



Nicolas Bilo
Bilo Klein
Projektskizze: Kulturgeschichte der Demographie und Statistik. Der Berliner "Verband für Statistik der Juden" (1902-1931) und die Zählung der Gesellschaft

Im Zuge der modernen Staatenwerdung lässt sich eine zunehmende Tendenz der quantitativen Erfassung sozialer Tatbestände beobachten. Spätestens mit der Gründung des Deutschen Zollvereins wurden Zahlen ein Medium der Politik. Statistische Erhebungen stellten ein zentrales Moment der Wissensgenerierung über gesellschaftliche und wirtschaftliche Zustände dar: Durch die Praxis des Quantifizierens vormals rein qualitativ gedachter Aspekte wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend soziale Tatbestände in zahlenmäßigen Verhältnissen beschrieben und dabei überhaupt erst als solche begriffen. Das 19. Jahrhundert, so Jürgen Osterhammel, war „das Jahrhundert des Zählens und Messens“. In ihm habe sich die „Idee der Aufklärung, die Welt vollständig beschreiben und taxonomisch ordnen zu können, zum Glauben an die wahrheitserschließende Kraft der Zahl“ gewandelt. Diese Entwicklung setzte sich im 20. Jahrhundert im Sinne einer zunehmenden gesellschaftlichen Orientierung an einem Ideal der Rationalität fort. Während bereits Arbeiten vorliegen, die dieses Phänomen in Bezug auf die staatlichen Institutionen beleuchten, konzentriert sich das Projekt auf zivile Akteure/innen und das gesellschaftliche Argumentieren durch Zahlen. Zweifelsohne eine der am hitzigsten debattierten und historisch folgenreichsten Fragen ist die sogenannte Judenfrage, also die Frage nach der gesellschaftlichen Stellung der Juden, die im ausgehenden 19. Jahrhundert durch den vermeintlich wissenschaftlichen Antisemitismus neue Brisanz erhielt. Der 1902 gegründete Verband für Statistik der Juden ein Berliner Verband, der eine „unabweisbare Notwendigkeit […], die sozialen Verhältnisse der Juden in verschiedenen Ländern statistisch zu erforschen“ konstatiert, argumentiert in mehrfacher Hinsicht im Sinne des Zeitgeistes, wenn er wissenschaftlich-mathematische Untersuchungen mit dem erklärten Ziel der „Beseitigung des jüdischen Massenelends“ und der „kulturelle[n] Hebung der jüdischen Bevölkerung“ in Verbindung bringt. Das Dissertationsprojekt fragt nach der kulturellen Praxis, also der diskursiven und außerdiskursiven Formation moderner Wissensgenerierung durch Statistiken und Quantifizierung. Anhand der Publikationen und von Sitzungsprotokollen des Berliner Verbandes für Statistik der Juden soll die konkrete Ausformung dieses Prozesses untersucht werden.



Rüdiger Brandis

Project abstract: Historical Simulacra in Digital Spaces. Epistemological Implications of Digital Historical Simulations

All historical knowledge depends on the sources that form its basis and the analysis and interpretation of it. Typically, this process consists of historians analyzing their material in a dialogic and hermeneutic way to extract information, which will be at first contextualized and then interpreted. However, historical sources always incorporate a certain perspective, are fragmented and in a constant process of disintegration. It is the responsibility of the historian to rearrange them and thus generate meaning. This technique is a form of construction, which already contains the possibility of several varying interpretations. Therefore, historical knowledge is always pluralistic. At this point, digital simulations emerge as an interesting medium because they provide the possibility to augment certain source-material by adding further information through their mathematical-formalistic structure. They also enable us to visualize and imitate historical processes, which can be used to communicate pluralistic forms of knowledge more adequate than linear texts. Hence, digital simulations are suited both as an analyzing tool for historical source-material and as an extension of typography, the paradigmatic medium of expression for the humanities. In my PhD project I explore the suitability as well as the limitation of digital simulations as an analyzing tool and a medium for the design of historical knowledge.



Nina Härter
Nina Härter
Projektskizze: Der Schluck (nationale) Identität? Inca Kola als peruanische Kulturgeschichte, 1935-1999

Die Erfolgsgeschichte des peruanischen Erfrischungsgetränks Inca Kola beschreibt das interdependente Zusammenspiel von Konsumgestaltung und (nationaler) Identität. Seit den 1960er Jahren gilt die gelbe Brause als Nationalgetränk; die mit 51 Prozent den größten Absatz an Softgetränken in Peru verzeichnet. Trotz intensiver Marketing- und Werbemaßnahmen ist es dem multinationalen Unternehmen The Coca-Cola Company nicht gelungen, den heimischen Inca Kola-Produzenten Lindley von der Spitzenposition zu verdrängen. In meinem Dissertationsprojekt gehe ich daher der Frage nach, welche weiteren Erfolgsfaktoren, neben der nationalen Verbundenheit zum Produkt, dem heimatbewussten David verhalfen, sich im Globalisierungsprozess gegen den internationalen Goliath am Markt zu behaupten. Anhand der Darstellung der kulturellen Entwicklung Perus im Modernisierungsprozess (Ansatz der „Hybriden Kulturen“ von Néstor García Canclini), einhergehend mit der multidimensionalen Analyse der Produktkommunikation von Inca Kola, wird diskutiert, wie sich die peruanische Marke in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum nationalen Identitätssymbol entwickeln konnte und ob sich eine medial inszenierte Identität auf die peruanische Gesellschaft auswirkte. Abschließend erfolgt eine Konkurrenzanalyse der beiden zentralen Markenprodukte des peruanischen Getränkemarkts: Inca Kola und Coca Cola.


Heidrun Mühlbradt
heidrun
Projektskizze: The Revolutionary's Body: A Comparative Body History of the Revolutionary Period in Ireland (1916-23) and Germany (1918-23)

Das Ende des Ersten Weltkrieges läutete nicht den ersehnten Frieden in Europa ein, sondern vorerst eine Welle gewaltsamer politischer Umwälzungen, an deren Ende die politische Neukartografierung zahlreicher europäischer Staaten stand. Obwohl die heuristische Metapher der "aftershocks" [Kingsley Kent] sich als sehr fruchtbar erwiesen hat, um das transnationale Phänomen radikaler politischer Gewalt terminologisch fassen zu können, und neuere Arbeiten bereits herausgearbeitet haben, wie der Krieg Vorstellungen von Körperlichkeit und Männlichkeit nachhaltig beschädigt hat, bleibt weiterhin unklar, welche wirklichkeitskonstituierende Bedeutung dieser veränderten Wahrnehmung von Körperlichkeit im Kontext revolutionären Umwälzungen zukam. Am Beispiel der irischen (1916-1923) und deutschen Revolutionsphase (1918-23) untersucht das Dissertationsprojekt daher, welche Rolle der Körper bei der Konstruktion von sozialer Wirklichkeit, der Formierung politischer Gruppierungen und der Generierung von Sinn spielte. Ganz im Zeichen des Body Turns strebt das Projekt dabei eine Überwindung der mentalistischen Bias der Geisteswissenschaften sowie der politisch-ideologischen Fixierung der irischen und deutschen Revolutionsforschung an, und geht der Frage nach, inwiefern der Körper jenseits sprachlich-diskursiver Praktiken geschichtsmächtig war. Anstatt die Bedeutung diskursiv geschaffener und ideologisch präfigurierter Körpervorstellungen auszublenden, wird eine Synthese politik-, sozial- und kulturgeschichtlicher Ansätze angestrebt. Vor allem anknüpfend an soziologische Strukturierungstheorien, das ethnomethodologische Konzept des doing gender innerhalb der Geschlechterforschung und der phänomenologischen Vorstellung von der Zweiheit des Körpers als Körper (physischer Körper) und Leib (gespürter Körper), soll in einem Dreischritt untersucht werden, (1) welche Körpervorstellungen für die Revolutionäre konstitutiv waren und der Strukturierung von Wirklichkeit dienten, (2) was der Körper als "verkörperte" soziale Struktur kommunizierte und (3) inwiefern der Körper als Leib vorreflexiv agierte und damit handlungsmächtig war.



Joana Thinius
Thinius
Projektskizze: Historische Kontingenz visualisieren. Die Infografik in kultur- und medientheoretischer Perspektive

Seit den 1990er Jahren spielen Visualität und das bewusste Reflektieren visueller Wahrnehmung eine zentrale Rolle für die Geistes- und Kulturwissenschaften. Gerade die Digitalisierung hat geradezu einen Boom der grafischen Darstellung komplexer Sachverhalte im gesellschaftlichen wie auch wissenschaftlichen Diskurs ausgelöst. Das Promotionsprojekt macht es sich daher zur Aufgabe das Medium der Infografik sowie dessen spezifischen Einsatz in der Geschichtswissenschaft auf theoretischer Ebene aufzuarbeiten. Ziel ist es dabei die Kopplung der Infografik spezifisch an die historische Epistemologie zu rationalisieren. Ein geschichtswissenschaftliches Erkenntnisinteresse bezieht sich heute nicht nur auf die Denkkategorien Zeit und Raum, sondern sieht sich vor allem auch vor der Schwierigkeit der Dynamik und Gleichzeitigkeit historischer Ereignisse und Verhältnisse gerecht zu werden, ohne dabei weder in simplifizierenden Ursache-Wirkungs-Ketten zu denken, noch einem handlungspluralistischen Relativismus zu verfallen. Vor diesem Hintergrund widmet sich das Projekt der Frage, inwiefern historische Forschung und speziell Kontingenz durch Infografiken ausgedrückt werden können. Dabei werden schwerpunktartig die Charakteristika der Visualität, (Im-) Materialität und Interaktivität der Visualisierung durch Infografiken behandelt.



Christian Wachter
Christian Wachter neu
Projektskizze: Hypertextualität als Desiderat für geschichtswissenschaftliches Knowledge Design

Vermittlung von Wissen ist immer an den Gebrauch von Medien gebunden. Dabei haben selbige stets einen Einfluss auf den semantischen Gehalt des zu Vermittelnden. Gerade im wissen-schaftlichen Kontext gilt es, diese sinnverändernde, medien-ästhetische Wirkung im Auge zu behalten und gemäß den eigenen Vermittlungsstrategien und -zielen bewusst einzusetzen. Historiker/innen greifen klassischerweise auf typografische Publikationsformen zurück, da hierdurch vor allem eine präzise, kohärente Repräsentation logischer Argumentationen und historischer Sinnzusammenhänge möglich ist, die mit kritischer Distanz und jederzeit wiederholbar rezipiert werden kann. Eine adäquate Vermittlung historischen Wissens hängt in diesem Sinne in großem Maße von den medialen Eigenschaften der Typografie sowie ihrer kompetenten Handhabe ab. Bei genauem Hinschauen zeigt sich jedoch, dass es unter den zentralen Vermittlungsintentionen der Geschichtswissenschaft solche gibt, für die sich digitaler Hypertext als Ausdrucksmedium besser eignet, weil kraft seiner Medienästhetik mit ihm die Kohärenz komplexer, nichtlinearer Sinnstrukturen adäquater vermittelt werden kann. Dies lässt sich aus einer sprachtheoretischen Perspektive untermauern.
Als Beitrag zur geschichtswissenschaftlichen Grundlagenforschung widmet sich das Promotionsvorhaben also der besonderen Eignung, aber auch den Grenzen des Hypertexteinsatzes. Es integriert Ergebnisse verschiedener Disziplinen, von denen die Medien-wissenschaften, Linguistik und Literaturwissenschaft hervorzuheben sind, und strebt eine empirische Untersuchung zum Hypertext-verstehen an. Die weitgehende Vernachlässigung der Fragestellung innerhalb der Geschichtswissenschaft sowie bislang offengebliebene konzeptionelle Fragen zum Komplex "Adäquanz des Hypertext-gebrauchs" stehen für markante Desiderate der Grundlagen-forschung, die mit dem Promotionsprojekt bearbeitet werden sollen.