Dr. Rüdiger Singer (Göttingen)


Allegorie – Karikatur – Charakter-Bildnis: Grafische Gattungen als Vorbild für Beschreibungsstrategien von Schauspielkunst im England des 18. Jahrhunderts


Respondent: JProf. Dr. Ralf Haekel (Göttingen)


Zeit: 31. Mai 2012, 18h c.t.
Ort: Göttingen, Platz der Göttinger Sieben 7, Verfügungsgebäude, Raum VG. 3.102



Abstract

Einhergehend mit der Durchsetzung des Literaturtheaters wurde die Arbeit großer Schauspieler im 18. Jahrhundert zunehmend als ›Kunst‹ betrachtet und zumeist im Bezugsfeld von bildender Kunst und Literatur verortet. Da die Schauspielkunst im Gegensatz zu diesen ›Schwesterkünsten‹ flüchtig und ortsgebunden war, entstand das Bedürfnis, ihre Spuren in Bildern und Texten festzuhalten und zu verbreiten. Insbesondere in England erfuhren Gemälde, Druckgrafiken und Beschreibungen der Kunst großer Schauspieler ab dem ersten Auftreten David Garricks im Jahr 1741 eine beispiellose Konjunktur. Literarische Darstellungen von Schauspielkunst wurden und werden dabei oft in Analogie zu grafischen verstanden, etwa als »Rollenporträts« (Erika Fischer-Lichte). Mein Vortrag möchte zeigen, dass sich Schauspielkunstbeschreibungen tatsächlich vielfach an künstlerischen Verfahrensweisen orientierten, insbesondere (1) an allegorisierenden Darstellungen von Schauspielern für geglückte Schauspielkunst, (2) an karikierenden Verfahren für missglückte Schauspielkunst und (3) an einer Porträtkunst, die von holländischer Genremalerei sowie dem von William Hogarth proklamierten Genre der »characters« beeinflusst war. Freilich war dieser Einfluss oft ein vermittelter, da die besagten grafischen Gattungen auch auf die Bühne einwirkten, insbesondere im Bereich (1) theatralischer Umzüge, (2) ›karikierender‹ Farcen und (3) der Individualisierung von Komödienrollen sowie der Psychologisierung und Dynamisierung von Tragödienrollen durch David Garrick.