MINDESTLÖHNE:




16/01/2014:
Teils heftige Mindestlohnanhebungen haben Beschäftigung in Russland kaum geschadet

Ruinieren Mindestlöhne ganze Volkswirtschaften? Zumindest wird immer wieder von Arbeitgeberverbänden und ihnen nahestehenden Forschungsinstituten und Lobbyorganisationen unter Berufung auf Schätzungen, Modellrechnungen und Simulationen eindringlich davor gewarnt, dass die Einführung (oder auch die Erhöhung) von Mindestlöhnen in erheblichem Maße Arbeitsplätze vernichten würden (siehe z.B. 25.02.2010 oder zuletzt 04.11.2013).

Sieht man sich hingegen die Ergebnisse empirischer Analysen aus den vergangenen Jahren an, so zeigt sich schnell, dass Mindestlöhne kaum negative Beschäftigungseffekte nach sich gezogen haben. Dieser Befund gilt nicht nur für die Branchenmindestlöhne in Deutschland (siehe 18.11.2011). Auch in vielen anderen Staaten, wie z.B. den USA (siehe 18.02.2013), Großbritannien oder Südafrika (siehe 12.04.2013) ließ sich der behauptete negative Zusammenhang nicht nachweisen. Ein weiterer Beleg dafür kommt jetzt aus Russland.

Für ihre Analyse der Beschäftigungseffekte des russischen Mindestlohnes haben die russischen Ökonomen Alexander Muravyev und Aleksey Oshchepkov umfangreiche Paneldaten aus 89 Regionen Russlands ausgewertet. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich dabei von 2001 bis 2010. Innerhalb dieser Zehnjahresperiode ist der schon zu Sowjetzeiten eingeführte landesweit gültige russische Mindestlohn achtmal, dazu oft sehr kurzfristig, angehoben worden. In diese Zeit fielen auch zwei äußerst signifikante Lohnerhöhungen: im September 2007 ist der Mindestlohn um 109 Prozent, im Januar 2009 um 88 Prozent angehoben worden.

Aufgrund ihrer Datenanalyse, die auch die seit 2007 prinzipiell mögliche Festsetzung regional höherer Mindestlöhne berücksichtigt, kommen die beiden Forscher zu zwei unterschiedlichen Befunden. So legen ihre Berechnungen einerseits den Schluss nahe, dass durch die Mindestlohnanhebungen die Arbeitslosigkeit unter jungen Beschäftigten im Alter von 15 bis 24 Jahren anstieg. Andererseits konnten sie keine Belege für Beschäftigungsverluste unter den männlichen und weiblichen Beschäftigten ab einem Alter von 25 Jahren finden. Nach Aussage Muravyevs und Oshchepkovs bestätigten ihre Befunde damit die Ergebnisse einer Reihe von früheren Studien sowohl für entwickelte als auch sich entwickelnde Volkswirtschaften.

Generell gilt es als schwierig, die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen einwandfrei nachzuweisen. Ein Forscherteam der amerikanischen Universitäten Berkeley und Amherst (Allegretto u.a. 2013) hat sich unterschiedliche Forschungsdesigns von amerikanischen Mindestlohnstudien angeschaut und einige Analysemethoden als methodisch fragwürdig eingestuft. Unter Rückgriff auf ihrer Ansicht nach seriöse Analysemethoden kommen die Forscher in Bezug auf die von ihnen untersuchten Beschäftigtengruppen der Teenager und der Restaurantbeschäftigten zu dem Ergebnis, dass sich deren Beschäftigungschancen durch höhere Mindestlöhne zumeist nicht nachweisbar verschlechterten. Als weiteres Ergebnis stellen sie fest, dass Jobverluste durch Mindestlohnerhöhungen in den USA seit 1990 im Allgemeinen nicht substanziell waren.

Quelle: Muravyev, A./ Oshchepkov, A. (2013): Minimum Wages, Unemployment and Informality: Evidence from Panel Data on Russian Regions. IZA Discussion Paper No. 7878, Dec. 2013.

Weiterlesen:

Allegretto, S./ Dube, A. u.a. (2013): Credible Research Designs for Minimum Wage Studies. IZA Discussion Paper No. 7638, Sept. 2013.


Bosch, G./ Weinkopf, C. (2013): Gut gemachte Mindestlöhne schaden der Beschäftigung nicht. IAQ-Report, Nr. 4/2013.


Neumark, D./ Salas, I./ Wascher, W. (2013): Revisiting the Minimum Wage-Employment Debate: Throwing Out the Baby with the Bathwater?, IZA Discussion Paper, No. 7166, Jan. 2013.