Zur Ästhetik des Lautsprechers

Studentisches Forschungsprojekt im WiSe 2011/12

Im WiSe 11/12 wird am Musikwissenschaftlichen Seminar das studentische Forschungsprojekt »Zur Ästhetik des Lautsprechers« durchgeführt werden.
Der von den ProjektteilnehmerInnen gemeinsam mit Prof. Dr. Birgit Abels und Prof. Dr. Andreas Waczkat erarbeitete Antrag wurde im Rahmen des von der Hochschuldidaktik der Georg-August-Universität ausgeschriebenen Programms »Forschungsorientiertes Lehren und Lernen« bewilligt. Es ist aus Studienbeiträgen finanziert. Das Projekt sieht eine theoretische, eine empirische und eine reflektierende Phase vor. In der theoretischen Phase findet eine Auseinandersetzung mit den kulturwissenschaftlichen, ästhetischen und technischen Aspekten der technischen Reproduktion von Musik statt. In der empirischen Phase werden akustische Experimente an selbstgebauten Lautsprechern veranstaltet. In der reflektierenden Phase schließt sich die kritische Auswertung der Ergebnisse der empirischen Forschung an.

An dem Projekt arbeiten mit: Carolin Dahlem, Gisela Grohne, Fabian Kaluscha, Alfred Raddatz, Jonas Rohde, Sabrina Ilona Teufel und Simon Weiß.

Mit technischen Entwicklungen und Innovationen ändern sich die Möglichkeiten und die Wahrnehmung von Klangkunst; hierbei ist die Relevanz der Entdeckung der Schallreproduktion in ihrer Wirkungsmacht etwa vergleichbar mit der des Aufkommens der Druckerpresse für schriftliche Kunst. Seit über 130 Jahren nun ist unsere Gesellschaft mehr und mehr an diese Medialität von Klang gewöhnt; viele Fragen aber sind im Bewusstsein der RezipientInnen kaum vorhanden und müssen noch gestellt werden.
Der deutsche Nachkriegsjournalist Peter Bamm stellte einmal sehr trefflich fest: »Früher rasierte man sich, wenn man Beethoven hören wollte, jetzt hört man Beethoven, wenn man sich rasieren will.» In diesem Bonmot steckt schon ein Grundgedanke des Projekts. Es gilt, herauszufinden, wie unsere Musikkultur sich durch die Reproduzierbarkeit gewandelt hat, wie man Klänge außerhalb ihres gewohnten Kontextes wahrnehmen kann, mithilfe welcher Medialitäten wir unser auditives Umfeld mitgestalten und welche Ästhetiken hierhinter stehen.
Diese Ästhetiken sind bereits beim indivduellen privaten Musikkonsum zu erkennen, der sich zu seiner gegenwärtigen, in hohem Maße individuellen und mobilen Form herausgebildet hat; die Anwendungsgebiete größeren Ausmaßes ziehen sich allerorts wahrnehmbar durch das öffentliche Leben, von der Schützenfestzelt-PA über die Kaufhausbeschallung zur Verwandlung eines Fleckchens Natur im japanischen Hochland in ein Festivalgelände. Die technischen Ausformungen in diesen Bereichen haben über die Jahrzehnte das Phänomen Musikreproduktion von einer faszinierenden Neuerung zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand werden lassen, welcher Handlungen mit Klang in einen neuen sozialen Rahmen gestellt und einen Paradigmenwechsel hervorgerufen hat.
Jenseits der medienphilosophischen Aspekte soll die technische Komponente in diesem Projekt komplementär zu seiner praktischen Anwendung auch von seinen theoretischen und kulturwissenschaftlichen Seiten beleuchtet werden. Hier soll auch explizit die Entwicklung der Wiedergabetechnik und des Lautsprechers im Besonderen Beachtung finden. Die Technik der Reproduktion von Schallereignissen war eine revolutionäre Erfindung. Auch die sozialen und kulturellen Komponenten der Rezeption von Klängen wurden hierdurch maßgeblich beeinflusst und verändert.