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Presseinformation: Wie reagieren Pflanzen auf den Klimawandel?

Nr. 32 - 26.02.2024

Forschende entwickeln neues Verfahren zur Bewertung von Klimawandel-Risiken für Ökosysteme

 

(pug) Der Klimawandel verändert die Ökosysteme der Erde. Um die Risiken abzuschätzen, berechnen Studien oftmals, wie stark Regionen klimatischen Veränderungen ausgesetzt sind, um daran die Bedrohung der Ökosysteme festzumachen. Der Ansatz führt womöglich zu falschen Schlüssen, denn er blendet aus, wie die Lebewesen physiologisch reagieren, wenn sich etwa der Wassergehalt des Bodens oder der Kohlenstoffdioxidgehalt der Luft verändern. Deshalb untersuchten Forschende unter der Leitung der Universität Bayreuth und mit Beteiligung der Universität Göttingen nun die Folgen für das Wachstum von über 135.000 Pflanzenarten. Ihre Modellierung legt nahe, dass der Klimawandel – wenn ungebremst – eine tiefgreifende Verschiebung der Vegetationszonen der Erde verursachen wird. Sie zeigt auch, wo und wie sich die Wachstumsbedingungen für Pflanzen verändern werden. Daraus lassen sich Erkenntnisse für das Management von Ökosystemen, aber auch für Land- und Forstwirtschaft ableiten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution veröffentlicht.

 

Die Forschenden kombinierten Klimadaten mit physiologischen Modellen zum Wachstum von über 135.000 Arten von Gefäßpflanzen – Blütenpflanzen, Nacktsamern, Farnen und Bärlappgewächsen – sowie Informationen über die Wuchsform dieser Arten. So konnten sie beschreiben, wie „tauglich“ heutige und zukünftige Klimate für Pflanzen sind, welche die Struktur und Funktion der Ökosysteme der Erde charakterisieren, zum Beispiel sommergrüne Laubbäume, Nadelbäume, Gräser oder Sukkulenten. Diese Beschreibung des Klimas aus der Perspektive dieser pflanzlichen Wuchsformen haben die Forschenden als „Phytoklima“ bezeichnet.

 

Ein wichtiger Baustein der Analysen waren Daten zu den Wuchsformen und Lebensformen der Pflanzen, die Forschende der Universität Göttingen zur Verfügung stellten. „Seit fast 15 Jahren tragen wir Informationen zur geografischen Verbreitung und zu ökologischen Merkmalen von Pflanzen zusammen und machen diese in der Datenbank „Global Inventory of Floras and Traits – GIFT“ der Forschung zugänglich. Unsere Daten haben dazu beigetragen, diese umfangreichen Modellierungen zahlreicher Arten weltweit zu ermöglichen“, erklärt Prof. Dr. Holger Kreft von der Abteilung Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie der Universität Göttingen. Mehr Informationen zu der Datenbank sind hier zu finden: https://gift.uni-goettingen.de/home.

 

Die Ergebnisse zeigen, dass abhängig vom Ausmaß zukünftiger Treibhausgas-Emissionen 33 bis 68 Prozent der globalen Landoberfläche bis 2070 eine signifikante Veränderung des Phytoklimas erfahren werden – also der Art und Weise, wie das Klima die Bildung von Ökosystemen beeinflusst. Die Forschenden prognostizieren auch, dass auf 0,3 bis 2,2 Prozent der Landoberfläche neue Phytoklimate entstehen und 0,1 bis 1,3 Prozent der heutigen Phytoklimate verschwinden werden. Neben diesen Feststellungen gibt die Studie detaillierter Aufschluss darüber, wo sich das Phytoklima am stärksten verändert und welche Phytoklimate neu entstehen oder wegfallen werden.

 

„Das geografische Muster der Veränderung, des Verschwindens und der Neuartigkeit von Phytoklimaten unterscheidet sich deutlich von den Mustern von Klimatrends, die in früheren Studien ermittelt wurden“, berichtet Erstautor Dr. Timo Conradi, Pflanzenökologe der Universität Bayreuth. Um den ökologischen Wandel positiv zu gestalten und Biodiversität zu erhalten, müssen Naturschutzstrategien den Forschenden zufolge neu ausgerichtet werden, besonders in Gebieten, die laut Studie als Hochrisiko-Regionen gelten. Conradi betont: „Unsere Ergebnisse zeigen aber auch, dass negative ökologische Konsequenzen durch die Reduktion von Treibhausgasen deutlich abgemildert werden können.“

 

Originalveröffentlichung: Timo Conradi, Urs Eggli, Holger Kreft, Andreas H. Schweiger, Patrick Weigelt & Steven I. Higgins (2024): Reassessment of the risks of climate change for terrestrial ecosystems. Nature Ecology & Evolution. DOI: 10.1038/s41559-024-02333-8

 

Kontakt:

Prof. Dr. Holger Kreft

Georg-August-Universität Göttingen

Abteilung Biodiversität, Makroökologie und Biogeographie

Büsgenweg 1, 37077 Göttingen

Telefon: 0551 39-28757

E-Mail: hkreft@uni-goettingen.de

Internet: www.uni-goettingen.de/de/128741.html