Vergangene Vorträge der Reihe Kunstwerk des Monats


03. Februar 2013
Zeichnen nach den großen Meistern. Joseph Heintz der Ältere (1564 - 1609) und der „Raub einer Sabinerin“ nach Giambolognas kolossaler Marmorskulptur in Florenz
Vorgestellt von: Lisa Marie Roemer, M.A.

KdM Februar 2013 Raub einer Sabinerin Heintz d. A.Vorgestellt wird eine Zeichnung des Basler Malers und Baumeisters Joseph Heintz’ des Älteren. Das Blatt zeigt die berühmte dreifigurige Marmorgruppe mit dem „Raub einer Sabinerin“ von Giambologna aus dem Jahr 1583, die sich auch heute immer noch an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort in der Loggia dei Lanzi in Florenz befindet.
Joseph Heintz d. Ä. ist neben Hans von Aachen und Bartholomäus Spranger einer der bedeutendsten Manieristen des nordalpinen Raumes und uns heute vor allem als Kammermaler am Hofe Rudolfs II. in Prag bekannt. Die Zeichnung nach Giambologna fertigte Heintz während seines ersten Italienaufenthaltes in den Jahren 1584 bis 1589 an. Wie viele seiner Zeitgenossen begab er sich nach seiner Ausbildung zum Maler auf Künstlerreise in den Süden, um dort in zeichnerischer Auseinandersetzung mit den großen Meistern das eigene Auge und die eigene Hand zu schulen. In der Tat handelt es sich bei etwa der Hälfte seines zeichnerischen Œuvres um Zeichnungen nach bekannten Kunstwerken des 16. Jahrhunderts oder solchen der Antike. Sie sind hauptsächlich zum eigenen Gebrauch entstanden und dienten später ihrerseits als Vorlage für seine Schüler und Nachfolger. Von hohem dokumentarischen Wert sind überdies die Nachzeichnungen römischer Fassadenmalereien von Polidoro da Caravaggio, die heute zum Großteil verloren sind.

Die Graphische Sammlung der Universität Göttingen besitzt glücklicherweise eine Reihe von Zeichnungen von Joseph Heintz d. Ä., welche die Bandbreite der kopierten Künstler und der angewandten Techniken sehr gut veranschaulicht. Neben der hauptsächlich in schwarzer Kreide auf hellocker getöntem Papier ausgeführten Zeichnung nach Giambologna sind dies: zwei Rötelzeichnungen nach Raffael und Michelangelo, eine lavierte und in Weiß gehöhte Federzeichnung nach Taddeo und Federico Zuccari sowie eine Zeichnung in Mischtechnik nach Antonio Tempesta. Sie werden während des Vortrags ebenfalls diskutiert und im Original zu sehen sein.
Große Verehrung scheint Joseph Heintz d. Ä. indes für das Werk und die Person Giambolognas empfunden zu haben. Heintz hielt ihn nicht nur in einer Porträtzeichnung dal vivo fest, die von einer persönlichen Freundschaft zu zeugen scheint (Washington D.C., National Gallery of Art).

Mit zwei Nachzeichnungen von ausgesuchter Qualität – einer Zeichnung nach einer weiblichen Aktfigur (Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum) und dem vorzustellenden Göttinger Blatt – erwies er dem Florentiner Bildhauer flämischer Herkunft auch ‚zeichnerisch’ eine besondere Reverenz.