Kunstwerk des Monats im Oktober 2015


04. Oktober 2015
Max Pechsteins Arkadien an der Ostsee
Vorgestellt von: Rudolf Krüger M.A.

2015 Oktober Kunstwerk des Monats Max Pechstein Arkadien an der OstseeMax Pechstein: Weidende Kühe, Aquarell 1922

Die Kunstsammlung der Universität Göttingen besitzt ein Aquarell von Max Pechstein (1881-1955), dessen idyllischer Inhalt schnell genannt ist: drei weidende Kühe auf gelb-grüner Wiese im Vordergrund, dahinter dicht gedrängte Fischerboote auf einem Kanal, im Hintergrund kleine Häuser mit tief herunter­gezogenen roten Dächern. Dieses im Sommer 1922 in Leba an der Ostsee entstandene Blatt ist in seiner landschaftlichen Schlichtheit typisch für die Kunst Pechsteins jener Jahre. Der aus Zwickau stammende Pechstein, der als eines von sechs Kindern aus einer Arbeiter­familie stammte, war zum Kunst­studium nach Dresden gegangen. Dort schloss er sich 1906 der im Jahr zuvor gegründeten expressio­nistischen Künstler­gruppe "Die Brücke" an. Für ihn und seine Künstlerfreunde Kirchner, Heckel, Mueller und Schmidt-Rottluff war die Landschaft ein zentrales Bildmotiv. Dabei interessierten sie sich aber nicht so sehr für liebliche und pittoreske Landschaften, sondern bevorzugten die rauen und kargen Küsten der Nord- und Ostsee.

Dangast am Jadebusen, die Inseln Alsen und Fehmarn sowie Nidden auf der Kurischen Nehrung wurden das jahrelange Sommerquartier für die jungen Künstler, die den Winter in Dresden oder Berlin verbrachten. Für diese Stadtmenschen waren die ländlichen Aufenthalte ein Arkadien, wo sie nach dem "Unmittelbaren und Unverfälschten" suchten, wie sie es in ihrem "Brücke"-Programm formuliert hatten.
Nachdem Pechstein 1912 aufgrund von Unstimmig­keiten aus der "Brücke" ausgeschlossen worden war, ging der Individualist seiner eigenen Wege. Zunächst führte ihn 1914 eine Reise nach Palau in die Südsee, die nach dem Ausbruch des Weltkrieges in japanischer Gefangenschaft endete. Sieben Jahre später entdeckte er auf einer Wanderung entlang der Ostseeküste Leba in Hinterpommern, wo er bis 1944 in nahezu jedem Sommer die von Wasser, Wäldern, Dünen und Ackerland geprägte Landschaft malte. In dieser unberührten Natur teilte er das einfache Leben der Fischer, in deren Booten er zuweilen nachts aufs Meer hinausfuhr.
In Leba ändert sich Pechsteins Malweise. Der ungestüme Pinselstrich und die glühenden Farben seiner expressio­nistischen Jahre weichen einem beruhigten und realistischeren Stil, der zwischen Tradition und Moderne steht. Im Göttinger Aquarell mit weidenden Kühen ist nur das berühmte "Brücke"-Rot bei den Dächern der Fischerkaten geblieben.