Projektbeschreibung


    

„Aber ein Sämann überlässt nicht gerne knospende Saaten anderen zur weiteren Bearbeitung, denn zwischen Saat und Ernte liegen ja noch so viele Stürme.“ [Adam von Trott]

Dieses Zitat aus dem ersten Abschiedsbrief von Adam von Trott könnte als Leitmotiv des Projektes „Gestern wie heute – Haltung zeigen!“ verstanden werden, denn es geht genau darum: Die Entwicklung junger Menschen soll nicht der „Bearbeitung“ durch andere – mit demokratieferner Auffassung – überlassen werden. Vielmehr sollen sie befähigt werden, sich jeder Form der Radikalisierung zu entziehen, Rechtspopulismus zu entlarven und vor allem ihre Zivilcourage (weiter) zu entwickeln.

Die Problemlage
Grundsätzlich ist politische Bildung zentraler Auftrag des Schulunterrichts, wird aber in den unterschiedlichen Schulformen sehr uneinheitlich umgesetzt. Gerade im Mikrokosmos Berufsschule – und hier besonders im ländlichen Raum – decken die demokratiefördernden Angebote selten den Bedarf. Schulversammlungen oder Exkursionen zu gesellschaftspolitischen Organisationen finden viel seltener statt, als zum Beispiel an Gymnasien, auch werden externe Vertreter*innen aus Politik, NGO´s oder Demokratieprojekten kaum eingeladen (Achour, Wagner: Wer hat dem wird gegeben, 2019, 15466.pdf (fes.de)). Demgegenüber beeinflussen Alltagsrassismus und die Abkehr von demokratischen Grundsätzen oft die Stimmung und strapazieren Lehrende bis an ihre Belastungsgrenzen. Berufsschüler*innen soll, neben beruflichen Lerninhalten, auch Allgemeinbildung vermittelt werden, die ihre berufsübergreifenden Handlungskompetenzen fördern und sie zu selbstbewussten aber auch selbstkritischen, selbstständigen und eigenverantwortlich handelnden Bürger*innen machen soll. Dies ist gerade aus dem Grund wichtig, weil es sich eben nicht um Bildungsabwander*innen handelt, sondern um Menschen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit in ihrer Region wohnen und arbeiten werden sowie ihre Rolle in der lokalen Zivilgesellschaft übernehmen sollen. Der Unterricht orientiert sich jedoch an den Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für die Abschlussprüfungen, die kaum einen politischen Schwerpunkt im Unterricht setzen (Downloadbereich Rahmenlehrpläne (kmk.org)). Dies führt dazu, dass sich Berufsschüler*innen – im Vergleich zu Schüler*innen an allgemeinbildenden Schulen – als weniger politisch kompetent wahrnehmen, wie die Studie der Friedrich Ebert Stiftung, zur politischen Bildung an Schulen, gezeigt hat (Achour, Wagner: Wer hat dem wird gegeben, 2019, 15466.pdf (fes.de)). In derselben Studie gaben 33 Prozent der Berufsschüler*innen an, die Demokratie eher weniger gut zu finden oder keine Meinung zu dem Thema zu haben. Dagegen hielten 91 Prozent der Gymnasiast*innen die Demokratie für eine gute Staatsform.

Das Projekt
Das Projekt „Gestern wie heute - Haltung zeigen!“ setzt genau hier an und will Jugendliche und junge Erwachsene an Berufsschulen, in den grenznahen ländlichen Räumen Osthessens bzw. Westthüringens, ansprechen – eine maximal diverse Zielgruppe, die aus Absolvent*innen von Real- und Hauptschulen, Abiturient*innen, einem hohen Anteil an Migrant*innen und Geflüchteten sowie Jugendlichen politikferner Schichten besteht. Dieser Gruppe von jungen Menschen fehlt es, gerade im (peripheren) ländlichen Raum, zudem häufig an Mitwirkungsmöglichkeiten und Begegnungsorten, an kultureller Vielfalt und Freizeitangeboten speziell für Mädchen. Durch den Fokus auf Personen, die – auch nach der Schulzeit – in ihrer Region, im ländlichen Raum, wohnen bleiben und als Teil der Zivilgesellschaft agieren, soll eine nachhaltige Wirkung in der Region entstehen, zumal das erarbeitete Workshop-Konzept in das feste Angebot der Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V. übergehen und die Gedenkstätte als Sozialer Ort (www.uni-goettingen.de/Soziale-Orte) etabliert werden soll.

Die Methode
Demokratie kann nicht erlernt werden, ohne sie auch zu erleben! Das Projektteam setzt auf die Vermittlung von Demokratievertrauen und eine Stärkung der demokratischen Debattenkultur als direkte Antwort auf rechte Rhetorik, denn politisches Handeln ist vor allem kommunikatives Handeln. Dies soll über partizipative, zielgruppennahe und sozialräumlich verortete Bildungsarbeit erreicht werden. Individuelle Lern- und Bewusstwerdungsprozesse sollen bei allen Teilnehmenden angestoßen werden, um ihre Persönlichkeit, Resilienz und Selbstwirksamkeit zu stärken. Dazu sollen, gemeinsam mit den Schüler*innen, Lernmodule konstruiert werden, in denen demokratische Werte spür- und erlebbar sind. So soll zum Beispiel ein Videoplanspiel entwickelt sowie Begegnungen mit Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft ermöglicht werden. Die Teilnehmenden bekommen das Rüstzeug für Diskussionen und Konfliktaustragung an die Hand, sie werden befähigt, Demokratiefeindlichkeit zu erkennen, dagegen couragiert zu handeln und für demokratische Werte sowie ihre Mitmenschen einzutreten - also ganz im Sinne Adam von Trotts, Haltung zu zeigen.