DFG bewilligt Projekt zur Erinnerung an Sklaverei und Sklavenhandel in Ghana und Brasilien

Die DFG fördert die Untersuchung des kollektiven und individuellen Gedächtnisses an die Sklaverei in verschiedenen Regionen, Generationen und Gruppierungen in Ghana und Brasilien. Unter der Leitung von Prof. Dr. Maria Pohn-Lauggas und Prof. Dr. Gabriele Rosenthal von der Georg-August-Universität Göttingen, und unter Beteiligung von Prof. Dr. Hermílio Santos (University of Rio Grande do Sul, Brazil) und Prof. Dr. Steve Tonah (University of Ghana, Legon) startet das Projekt 2022 mit einer Laufzeit von drei Jahren.

Während für eine weiße Europäerin die Zeit des transkontinentalen Sklavenhandels zeitlich weit zurückliegen mag, verhält sich dies in Brasilien und Ghana völlig anders. Hier wird im öffentlichen, aber auch familialen Gedenken und Erinnern diese Vergangenheit in unterschiedlichen Facetten noch in zeitlicher Nähe erlebt und ist zum Teil verbunden mit dem Wissen um versklavte Angehörige oder Angehörige, die andere Menschen versklavten. In Ghana werden die Interviews an ausgesuchten Küstenorten stattfinden, die Starthäfen der Sklavenschiffe waren, sowie in Regionen im Norden des Landes, in denen Menschen gefangen und auf Märkten verkauft wurden. In Brasilien erfolgt die Forschung in der Küstenregion von Salvador de Bahia, wo die gegenwärtige Bevölkerung mehrheitlich Nachkommen ehemaliger Sklav*innen sind, und in der Region um Pelotas in Rio Grande do Sul, wo die Bevölkerung mehrheitlich europäische Vorfahren hat.

In beiden Ländern ist die Erinnerung an die Geschichte des Sklavenhandels unterschiedlich geprägt und wird in den öffentlichen Diskursen, an den Erinnerungsorten, im Familiendialog, von Angehörigen verschiedener Gruppierungen und in unterschiedlichen Regionen des Landes durchaus kontrovers diskutiert. Mit Hilfe des kontrastiven Vergleichs der gezielt ausgewählten Regionen in Ghana und Brasilien sollen diese Unterschiede differenzierter herausgearbeitet werden. Anhand von familien- und lebensgeschichtlichen Interviews mit mehreren Generationen in einer Familie, Gruppendiskussionen sowie thematisch fokussierte und ethnographische Interviews an den Erinnerungsorten mit Besucher*innen und Führer*innen werden aus einer wissens- und figurationssoziologischen Perspektive die Wechselwirkungen verschiedener Erinnerungspraktiken rekonstruiert und kontrastiv verglichen.

Dabei lauten die forschungsleitenden Fragestellungen: Was wurde in den Communities und in den Familien über die Vergangenheit tradiert? Welche Formen der Sklaverei und des (transatlantischen, innerafrikanischen bzw. innerbrasilianischen) Sklavenhandels werden von wem, wie und in welchem Kontext thematisiert? Auch wird der Frage nachgegangen, wie verschiedene Formen der Sklaverei an Erinnerungsorten und in Gedenkveranstaltungen in diesen Regionen öffentlich erinnert, welche Vorstellungen über Sklaverei dabei vermittelt und welche Leerstellen sichtbar werden.

Mitwirkende im Forschungsprojekt in Deutschland:
Dr. Eva Bahl, Dr. Artur Bogner, Lucas Cé Sangalli, M.A., Dr. Nicole Witte
Mitwirkende im Forschungsprojekt in Ghana:
Rainer Alongwe, BA, Ismael Osei Boampong, MPhil, Dr. Felix Longi
Mitwirkende im Forschungsprojekt in Brasilien:
Giorgia Galvan Moreira, BA, Raphaela Pereira Dellazeri, BA