Georg-August-Moot

Am 14. Juli 2023 startet die vierte Auflage des Georg-August-Moot. Dabei handelt es sich (deutschlandweit!) um den ersten Moot-Court-Wettbewerb, der als Studienleistung für die Zwischenprüfung angerechnet wird: Der Schriftsatz gilt als Hausarbeit im Bürgerlichen Recht. Mehr noch: In den "mündlichen Verhandlungen", die voraussichtlich am vom 11. bis 13. Dezember 2023 stattfinden werden, kann zusätzlich ein Schlüsselqualifikationsschein erworben werden. Interesse? Dann lesen Sie weiter!


I. Die Idee

Die universitäre Juristenausbildung wird immer wieder dahingehend kritisiert, sie sei praxisfern bzw. habe allenfalls den Beruf des Richters, nicht aber auch denjenigen des Rechtsanwalts im Blick. Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt: In Klausuren und Hausarbeiten wird von den Studierenden in aller Regel verlangt, einen Sachverhalt rechtlich zu begutachten, und zwar aus objektiver (und damit aus richterlicher) Sicht. Dabei wird nur ein geringer Teil von Ihnen, liebe Studierende, später tatsächlich das Richteramt ausüben; die allermeisten werden als (niedergelassener oder angestellter) Anwalt tätig sein. Für diese Mehrzahl von Ihnen enthält das juristische Studium bislang zu wenig praxisbezogene Ausbildungselemente.

In anderen Ländern – allen voran in denjenigen des anglo-amerikanischen Rechtskreises, aber durchaus auch in anderen kontinentaleuropäischen Ländern – steht hingegen die Ausbildung zum Anwalt im Vordergrund. In diesen Ländern sind sog. Moot Courts ein elementarer Bestandteil der Ausbildung. Dabei handelt es sich um simulierte Gerichtsverfahren, in denen Studierende die Rollen der Kläger- bzw. der Beklagtenanwälte einnehmen. Sie schreiben zunächst eine Klageschrift und/oder eine Klageerwiderung und müssen später in einer simulierten mündlichen Verhandlung auftreten; dort müssen sie ihre Argumente im Plädoyer ausführen und gegenüber kritischen Nachfragen verteidigen. In aller Regel als Wettbewerb ausgerichtet genießen diese Moot Courts – und vor allem: die Gewinner*innen – hohes Ansehen.

Schon seit Langem existieren einige internationale Moot-Court-Wettbewerbe; herauszuheben sind der Jessup Moot (im Bereich des Völkerrechts) und der Vis Moot (Kauf-/Handelsrecht und Schiedsverfahrensrecht). An beiden Wettbewerben nehmen seit geraumer Zeit Teams unserer Fakultät teil. Zwischenzeitlich gibt es zudem einige nationale deutsche Wettbewerbe, zu denen die Fakultät ebenfalls Teams entsendet (z.B. der Moot beim Bundesarbeitsgericht). Die Göttinger Erfolge sowohl bei den internationalen als auch bei den nationalen Wettbewerben sind dabei durchaus beachtlich. Diese Erfolge sind inzwischen ein wichtiger Bestandteil der Reputation unserer Fakultät!

Allerdings sind Moot-Wettbewerbe nach wie vor ein Zusatzangebot für eine verschwindend geringe Anzahl an Studierenden (zumeist jeweils vier bis sechs Studierende pro Wettbewerb). Der großen Mehrheit steht das Angebot nicht zur Verfügung (die Auswahl erfolgt in aller Regel nach Noten und anderen Leistungskriterien). An dieser Stelle setzt das Projekt „Georg-August-Moot“ an: Ziel ist es, einen fakultätsinternen (deutschsprachigen) Moot-Wettbewerb zu etablieren, an dem alle Studierenden eines Semesters bzw. eines Jahrgangs teilnehmen können. Konkret richtet sich der Georg-August-Moot an die Teilnehmer*innen des Grundkurses II im Zivilrecht. Sie sollen als Alternative zur klassischen Hausarbeit einen Moot-Schriftsatz verfassen können.


II. Die Akte

Ein erster Unterschied zur klassischen Hausarbeit besteht dabei darin, dass der Sachverhalt nicht bereits auf die essentiellen Informationen zusammengefasst ist, sondern dass diese Arbeit von den Bearbeitern selbst erledigt werden muss. Ausgegeben wird eine Akte. Sie besteht aus diversen Schriftstücken, z.B. Anwaltsschreiben, Korrespondenz der Parteien (im Rahmen von Vertragsverhandlungen o.ä.), schriftliche Zeugenaussagen etc. Manches darin ist wichtig, anderes vielleicht nicht – ganz wie im echten (Anwalts-) Leben.

Eine der Kernaufgaben ist es, aus dieser Akte Argumente für die eine oder andere Seite zu destillieren, und zwar – und darin liegt ein weiterer grundlegender Unterschied zur klassischen Hausarbeit – in tatsächlicher Hinsicht. Natürlich wird es beim Georg-August-Moot auch um Rechtsfragen (aus dem Themenbereich des Grundkurses) gehen, aber eben nicht nur…

Ein dritter wesentlicher Unterschied zur Hausarbeit liegt darin, dass bei der Bearbeitung der Moot-Akte Teamarbeit zunächst einmal ausdrücklich erlaubt, ja sogar gewünscht ist. Die Teilnahme am Georg-August-Moot ist nur in Zweier-Teams möglich. Wer keine*n (passende*n) Teampartner*in findet, kann sich gerne an den Lehrstuhl wenden; wir werden eine kleine Vermittlungsbörse einrichten.


III. Die schriftliche Phase

Der Moot beginnt – genauso wie jedes „echte“ Gerichtsverfahren – mit dem Austausch von Schriftsätzen: eine Klageschrift und anschließend eine Klageerwiderung. Diese Schriftsätze sind – genauso wie jede „echte“ Hausarbeit – während der vorlesungsfreien Zeit anzufertigen.

Allerdings weist die Schriftsatzphase sowohl gegenüber dem echten Gerichtsverfahren als auch gegenüber der echten Hausarbeit einige wesentliche Unterschiede auf:

Der Unterschied zum Gerichtsverfahren liegt darin, dass jedes Team für beide Seiten eintreten muss – also sowohl eine Klageschrift als auch eine Klageerwiderung verfasst. Diese schizophren anmutende Aufgabe hat zwei Gründe, einen praktischen und einen didaktischen. In praktischer Hinsicht soll die Schriftsatzphase den Grundstein für die spätere mündliche Verhandlung bilden – und dort wird es so sein, dass ein Team auf dem Weg ins Finale die Rolle wird wechseln müssen: Wer in der ersten Runde Kläger ist, wird in der zweiten Runde zum Beklagten (dazu unten mehr). In didaktischer Hinsicht soll die Doppelrolle die Argumentationsschärfe fördern: Wer für beide Seiten argumentiert, wird sehr schnell erkennen, welches Argument leicht zu widerlegen ist und welches die andere Seite vor Schwierigkeiten stellt.

Der Unterschied zur Hausarbeit liegt wie bereits erwähnt darin, dass die inhaltlichen Fragen des Falls im Team erarbeitet werden dürfen (und sogar sollen). Allerdings besteht eine wichtige Grenze für die Teamarbeit: Das Abfassen der Schriftsätze darf nicht mehr im Team erfolgen. Vielmehr muss das eine Teammitglied allein den Klägerschriftsatz verfassen, das andere den Beklagtenschriftsatz. Hintergrund dieser Beschränkung ist die Zwischenprüfungsordnung: Bewertet werden kann in diesem Rahmen immer nur eine individuelle Leistung. Zusammengefasst gilt also: gemeinsam denken, getrennt schreiben.

Wichtig: Wie im echten Leben kann es vorkommen, dass der Fall für den Kläger günstiger liegt als für den Beklagten – oder umgekehrt. Für die Bewertung der Schriftsätze kommt es darauf selbstverständlich nicht an. Bewertet wird, was der oder die Einzelne aus den gegebenen Möglichkeiten gemacht hat. Es wird sichergestellt, dass der „leichtere“ Schriftsatz nicht besser (aber natürlich auch nicht schlechter) bewertet wird als der „schwerere“.


IV. Die mündliche Phase

Wie im echten Verfahren folgt auch beim Georg-August-Moot auf den Austausch der Schriftsätze die mündliche Verhandlung. Sie findet im Laufe des Wintersemesters statt, und zwar je nach Teilnehmerzahl an zwei bis drei Terminen (die genauen Daten finden Sie hier). Für die mündlichen Verhandlungen werden jeweils zwei Teams einander zugelost. Das eine tritt als Kläger auf, das andere als Beklagter. Geleitet wird die Verhandlung von drei Richter*innen.

Die Verhandlungen sind jeweils auf 60 Minuten angesetzt. Jedes Team hat 20 Minuten Zeit, den Fall im Plädoyer vorzustellen. Das Gericht hat weitere 20 Minuten Zeit, um beiden Teams Fragen zu stellen. Ob es diese Fragen nach den Plädoyers stellt oder ob es die Teams dafür in ihrem jeweiligen Plädoyer unterbricht, steht im freien Ermessen des Gerichts.

Die Richter*innen fällen am Ende ein Urteil – allerdings nicht in der Sache, sondern im Wettbewerb: Sie entscheiden, welches Team seinen Fall besser präsentiert, seinen Mandanten besser vertreten hat – kurz: welches Team mehr aus den gegebenen Möglichkeiten gemacht hat. Dieses Team zieht in die nächste Runde ein; das andere Team scheidet aus. Der Moot folgt also dem klassischen Play-off-Prinzip.

Die nächste Runde läuft dann identisch ab. Allerdings tauschen die Teams nun die Rollen: Wer in der ersten Runde Kläger war, wird nun Beklagter; wer Beklagter war, wird Kläger. Sollten beide Teams in der Runde zuvor die gleiche Rolle eingenommen haben, entscheidet das Los. Das gleiche gilt für die weiteren Verhandlungsrunden.

Die ersten beiden Play-Off-Runden finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Erst ab der dritten Play-Off-Runde sind Zuschauer zugelassen (und erwünscht!).

Die mündlichen Verhandlungen fließen nicht in die Note der Zwischenprüfungshausarbeit ein. Für die Zwischenprüfung sind ausschließlich die Schriftsätze relevant. Durch die mündlichen Verhandlungen können die Teilnehmer (zusätzlich!) einen Schlüsselqualifikationsschein erwerben. Einen solchen Schein bekommen alle Teams, die in die zweite Verhandlungsrunde einziehen, also diejenigen, die in der ersten Verhandlungsrunde von den Gerichten zum Gewinner erklärt werden.

Die Unabhängigkeit der mündlichen von der schriftlichen Phase wird auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass zu Beginn des Wintersemesters eine grobe „Lösung“ des Falls veröffentlicht wird, und zwar in Form sogenannter skeleton arguments. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Teams über ein solides Fundament für die mündlichen Verhandlungen verfügen. Dort kommt es dann vor allem auf die sog. soft skills an, also darauf an, wie die Argumente präsentiert werden.


V. Die Siegerehrung

Der Moot endet mit einem Finale und der anschließenden Siegerehrung. Geehrt werden dabei nicht nur die Gewinner*innen der mündlichen Verhandlungen, sondern auch die Gewinner*innen der Schriftsatzphase, also das Team, das die besten Noten auf die Schriftsätze erhalten hat.

Die genauen Noten für die Schriftsätze werden dann am nächsten Tag via FlexNow bekannt gegeben.