Hintergrund

Dem Projekt liegt folgende Kausalkette zu den Zusammenhängen „Niederschlagsänderungen im Klimawandel - nachhaltige Sicherung der Waldökosystemleistungen im Klimawandel - Anpassungen der Waldwegeinfrastruktur für ein zukunftsfähiges Wege-Wassermanagement“ zugrunde:
Kausalkette

Ausgangslage und daraus abgeleiteter Handlungsbedarf

Für die Erhaltung auch zukünftig produktiver und naturschutzfachlich wertvoller Wälder ist eine leistungsfähige, intakte und an den prognostizierten Klimawandel angepasste Waldwegeinfrastruktur mit klimaangepasstem Wassermanagement essenziell. Die Umsetzung folgender Ziele wird erst durch eine bedarfsgerechte und leistungsstarke Wegeinfrastruktur ermöglicht:
  • Die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen im Wald. Dazu gehören die aktive Einbringung klimaangepasster Baumarten, ein intensives Schalenwildmanagement und die Umsetzung risikominimierender Waldbaukonzepte.
  • Eine effektive Notfallrettung. Die jährlichen Unfallstatistiken der SVLFG zeigen, dass die Waldarbeit nach wie vor zu den Berufsfeldern mit den häufigsten und schwersten Unfällen gehört. Komplexe Waldstrukturen, wie z.B. hohe Naturverjüngungsanteile, führen zu zusätzlichen Unfallgefahren. Vor diesem Hintergrund ist der Erhalt einer funktionierenden Rettungskette mit kurzer Hilfsfrist ein wichtiger Baustein für eine sozial verträgliche und damit zukunftsorientiere Waldarbeit. Voraussetzung hierfür ist ein gut ausgebautes Wegenetz.
  • Die flexible und effiziente Bereitstellung der Ressource Holz. Die im globalen Vergleich hohen Arbeits- und Rohstoffkosten setzen vor allem die exportorientierte holzverarbeitende Industrie in Deutschland massiv unter Druck. Eine hocheffiziente Holzlogistik ist nötig, um eine teure Lagerhaltung zu vermeiden und trotzdem schnell auf Kundenwünsche reagieren zu können. Baden-Württemberg, das Land mit dem bundesweit zweithöchsten Einschlag, weist laut der aktuellen NavLog-Statistik nur 0,3 % (knapp 250 km) seiner Forstwege als ganzjährig Lkw-befahrbar aus. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, das bestehende Wegenetz auf einen zeitgemäßen Standard zu heben und diesen langfristig zu sichern.
Bereits 1983 betonte Kuonen, dass Wasser eine der Hauptursachen für die meisten Schäden an Waldwegen und deren Umgebung darstellt. Die negativen Auswirkungen klimatischer Einwirkungen, insbesondere aufgrund vermehrter Starkniederschläge, wie sie im Rahmen der Klimaänderungen erwartet und bereits heute regional deutlich werden, stellten Dietz et al. schon 1984 heraus und beschrieben sowohl negative Folgen ausgeprägter Trockenheit als auch die Folgen von Starkniederschlägen. Von Wilpert (2008) zeigte, dass in Waldgebieten aufgrund der Klimaänderung signifikant häufiger mit Hochwassersituationen gerechnet werden muss, da das Retentionsvermögen der Waldgebiete häufiger überschritten wird. Um einer weiteren Verstärkung dieses Effektes durch Wegeinfrastrukturen zu begegnen, sollte neben einer strikten Vermeidung flächiger Befahrung der Waldböden zudem ein flächiges Einleiten des Wassers von Wegen in angrenzende Bestandsflächen umgesetzt werden sowie die Anlage von dezentralen Retentions- und Versickerungsräumen vorangetrieben werden. Die Bedeutung von Waldwegen als Voraussetzung für die Durchführung verschiedener Forstbetriebsarbeiten zur Anpassung der Wälder im Klimawandel wurde 2014 von Redmann et al. in einem Fachkonzept für die Klimaanpassungsstrategie der Wälder in NRW herausgestellt. In diesem Fachkonzept wird explizit betont, dass die Walderschließung mit Fahrwegen sowohl für die Durchführung regelmäßiger Waldumbau- und Waldpflegemaßnahmen als auch bei akuten Waldschutzmaßnahmen wie Borkenkäferbekämpfung oder Löscharbeiten essenziell ist. Der forstliche Wegeneubau und –ausbau sind dabei angesichts zukünftig häufigerer Starkniederschläge und Trockenphasen so anzupassen, dass die Wasserableitung gewährleistet, Bodenerosion vermieden und die dezentrale Wasserzuführung in die Waldflächen sichergestellt werden. Die ‚Richtlinien für den Ländlichen Wegebau‘ liegen seit Sommer 2016 zusammen mit den ‚Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau Ländlicher Wege‘ aktualisiert vor und setzen deutschlandweit den übergeordneten Maßstab für den Bau und die Instandhaltung von Waldwegen (DWA 2016). Verschiedene wesentliche Anpassungen der Vorgänger-Richtlinie aus dem Jahr 2005 wurden in der neuen Richtlinie umgesetzt, angepasste Baustandards für die veränderten Umgebungsbedingungen im Klimawandel wurden bisher aber nicht berücksichtigt. Das Schadenspotential an der Wegeinfrastruktur, insbesondere durch Starkniederschläge wird bereits in einigen Bundesländern (NRW, Thüringen, Baden-Württemberg) thematisiert, aber die innerhalb des beantragten Forschungsprojektes zu erarbeitenden analytischen, planerischen und umsetzungsrelevanten Grundlagen für eine Umsetzung in Deutschland fehlen dort.

Der beschriebene Handlungsbedarf resultiert aus folgenden Zusammenhängen:
  • Die Verschiebung der Niederschlagsverteilung in die Wintermonate erfordert konsequent verbessertes Wassermanagement/Wasserrückhaltung im Wald. Niederschlagsmengen müssen ganzjährig und zu größeren Anteilen den Waldbeständen zugeführt werden, um die Waldvitalität während niederschlagsarmer Perioden zu erhalten. Damit wird eine verzögerte und gleichmäßigere Wasserspende aus Waldbereichen erreicht. Zusätzlich werden Abflussspitzen in den Gewässern gebrochen und die Hochwassergefahr gesenkt.
  • Starkniederschläge werden im Zuge des Klimawandels vermehrt auftreten. Dies wurde in den letzten Jahren in einigen Regionen Deutschlands bereits deutlich. So konnte für das Land NRW im Zeitraum von 1973–2007 nachgewiesen werden, dass die mit Starkniederschlägen einhergehende Erosivität je untersuchter Dekade um 20 % zugenommen hat. Damit steigen Schäden an Waldwegen und angrenzenden Infrastrukturen (s. Abbildung 2).
  • Die größten Einflüsse des Klimawandels auf die Wegeinfrastruktur und die umgebenden Waldbestände werden in Hanglagen erwartet. Hier wird das Wasserregime sowohl des Oberflächenwasserabflusses als auch des Unterbodenabflusses, durch die Böschungsanschnitte der Wege besonders oft verändert. Die Störung des Hangwasserstroms wird im Klimawandel durch die Wechsel von Trockenheit und Starkniederschlägen besonders relevant.
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  • Die bestehende Waldwegeinfrastruktur ist in Regionen Deutschlands mit geringer bis mittlerer Geländeneigung aufgrund unzureichender Instandhaltungsmaßnahmen häufig sanierungsbedürftig (s. Abbildung 2, Bild rechts). Hinzu kommen eine oft standardisierte, lokal nicht oder wenig angepasste oder sogar fehlerhafte Bauweise. Eine Anpassung der derzeit geltenden Bau- und Dimensionierungsstandards an die als hochwahrscheinlich angenommenen Folgen des Klimawandels, kombiniert mit Wissensgenerierung und -transfer aus Modellregionen erscheint aus Gründen der Vorsorge dringend notwendig.
  • Es ist ohne Zweifel, dass unter Bedarfs- und Wirtschaftlichkeitserwägungen nicht alle bestehenden LKW-befahrbaren Wege einer Anpassung ihrer Profilierung und Entwässerungsmaßnahmen bedürfen. Vielmehr ist ein differenziertes Vorgehen mit Maßnahmenplanungen unter Verwendung von z. B. GIS-Algorithmen zur Identifizierung von Risikogebieten und Holzabflussmengensimulationen erforderlich.
  • Nicht ausreichende Fachkunde im Zusammenhang mit der Wegeentwässerung und baulichen Maßnahmen werden in der aktuellen Praxis mit veralteten Dimensionierungsmethoden und Annahmen (Umfang von Extremniederschlägen, etc.), z. B. zur Berechnung des erforderlichen hydraulischen Durchmessers von Durchlässen, gekoppelt. Dies hat zur Folge, dass die Bauwerke selbst bei der Anwendung der üblichen und aktuellen technischen Standards unterdimensioniert sind.
  • Organisatorische und betrieblich-personale Aspekte: Aktuelle und absehbare Organisationsveränderungen hin zu größeren Verwaltungs- und Betriebseinheiten verbunden mit einem Generationenwechsel führen zu einem geringeren lokalen Bezug der Beschäftigten zu den bewirtschafteten Waldgebieten und zum Verlust lokalen Wissens um die Besonderheiten der Wegeinfrastruktur und ihrer Schadanfälligkeit.
  • Technische Innovationen beim Wegeneubau- und bei Instandsetzungsmaßnahmen von Waldwegen beschränkten sich in den letzten Jahrzehnten weitgehend auf Modifizierungen oder Erweiterungen der Baumaschinen. Maßgebliche, den Stand der Technik verändernde, Innovationen gab es dagegen nicht. In anderen Landnutzungsarten, auch außerhalb Europas, hat es zeitgleich bemerkenswerte Fortschritte, z. B. bei der Aufnahme und Verbesserung bestehenden Wegematerials in integrierten Arbeitsprozessen gegeben. Hier wird eine kritische Analyse nationaler und internationaler Entwicklungen bei Baumaschinen und –verfahren benötigt, die zu einer Verbesserung von Neubau und Instandhaltung der Wegeinfrastruktur im Klimawandel beitragen können.
  • Eine zeitgemäße Erneuerung bzw. Erweiterung der Fachkunde im Gebiet der klimaangepassten Wegeinfrastruktur mit dem Ziel der Schaffung und Sicherung von Wissen und Kompetenzen ist in diesem Zusammenhang besonders dringlich. Moderne Lehrmethoden, wie das Blended Learning, verbinden klassische mit zeitgemäßen, Internet- gestützten Elementen der Wissensvermittlung. Im universitären wie außeruniversitären Bereich haben sich diese Methoden bewährt. Die Inhalte können vom Endnutzer zeitlich und räumlich entkoppelt abgerufen werden und zu einem hohen Grad an Wissensvermittlung und –retention führen. Zudem lassen sich webbasierte Lehrinhalte effizient aktualisieren und mit Applikationen für mobile Endgeräte koppeln. Der Endnutzer ist durch solche Systeme in der Lage vor Ort genau die Informationen abzurufen, die benötigt werden.