• Recht und Unrecht
    Poesie und Jura im 13. und 14. Jahrhundert



  • In der Geschichte Westeuropas wechselt das Verhältnis zwischen Poesie und Jurisprudenz von Phasen gegenseitiger Befruchtung bis hin zur Verschmelzung zu solchen, in denen Dichtung und Jura einander fremd werden, wenn nicht sogar sich gegenseitig ausschließen. Im 13. und 14. Jahrhundert gestaltet sich in Westeuropa das Verhältnis sehr eng; fast möchte man meinen, das eine sei ohne das andere nicht zu denken. Das Aufkommen der Vernaculare-Literatur vollzieht sich im Schlepptau des Aufstiegs von Juristen. Die eindrücklichsten Beispiele dafür finden sich in Italien und England. Die Anfänge der italienischen Literatur am Hofe von Kaiser Friedrich II. liegen in den Händen von Beamten mit juristischer Ausbildung; die Anfänge der englischen Literatur verbinden sich unter anderem mit dem umfangreichen Schaffen eines Juristen, der auch mit den Universitäten vertraut war, und Hofmanns, Geoffrey Chaucer. Das enge Verhältnis von Poesie und Jura setzt sich auch auf der Seite der Rezeption fort: Unter die ersten Leser und Förderer der jungen volkssprachlichen Literaturen fallen nachgerade Juristen. Schon im 14. Jahrhundert mehren sich, etwa in Italien, allerdings auch die Anzeichen für eine wachsende Konkurrenz und bald auch Entfremdung.