Geschichtswissenschaft in Göttingen




Geschichte wird in Göttingen seit der Gründung der Universität 1737 gelehrt. Im 19. Jahrhundert entwickelte sie sich allmählich zu einer eigenständigen Wissenschaft mit eigenen methodischen Grundlagen. Sie behielt freilich lange Zeit einen interdisziplinären Charakter und blieb vor allem den Staats- und Politikwissenschaften eng verbunden, so dass man schließlich von einer „Göttinger Historischen Schule“ (Georg Waitz) sprechen kann.
Die Göttinger Geschichtswissenschaft vereinigte nicht nur mittelalterliche und neuere Geschichte in einem Seminar (gegründet 1876), sondern bezog immer auch die Historischen Hilfswissenschaften und die Landesgeschichte mit ein. Auch die osteuropäische Dimension der Geschichte wurde in Göttingen seit August Ludwig Schlözer berücksichtigt, ebenso wie die Alte Geschichte.
Heute zeichnet sie sich vor allem durch die forcierte Weiterentwicklung neuerer sozial- und kulturgeschichtlicher Ansätze aus. Dabei wird der enge nationalgeschichtliche Rahmen um europäische und außereuropäische Dimensionen erweitert. Das Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte ist hier mit einer Vielzahl von Forschungsprojekten und verschiedenen interdisziplinären Einrichtungen, wie etwa das Centre for Modern Indian Studies (CeMIS) und das Centre for Modern East Asian Studies (CeMEAS), breit aufgestellt.

Das Fach Geschichte ist an der Philosophischen Fakultät der Universität angesiedelt und umfasst neben dem SMNG weitere Einrichtungen und Institute:



Das Althistorische Seminar

Das Göttinger Althistorische Seminar blickt auf eine über hundertjährige Geschichte zurück. Als eigenständiges Fach gibt es die Alte Geschichte an der Universität Göttingen seit 1897, das Institut wurde 1955 gegründet.
Heute hat das Althistorische Seminar zwei Standbeine in der universitären Lehre: Gemeinsam mit den altertumswissenschaftlichen Nachbarfächern bietet es den BA-Studiengang „Antike Kulturen“ sowie den eigenen Magisterstudiengang „Geschichte des Altertums“ an. Mit dem Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte beteiligt es sich an den BA- und MA-Studiengängen „Geschichte“ mit und ohne Lehramtsprofil. In der breit und interdisziplinär angelegten Forschung setzt das Göttinger Althistorische Seminar seine Schwerpunkte im Bereich der Religions- und Kulturgeschichte sowie der Antikenrezeption.



Der Diplomatische Apparat


Der Diplomatische Apparat ist eine wissenschaftliche Einrichtung der Philosophischen Fakultät und umfasst eine beispiellose Sammlung von weit über tausend Schriftzeugnissen aus Spätantike, Mittelalter und Früher Neuzeit in den verschiedensten, insbesondere alten und außereuropäischen Sprachen. Bereits in der Gründungszeit der Universität existierte ein didaktisch ausgerichtetes „Diplomatisches Cabinet“, das der Diplomatik, der Lehre von der Erschließung und Erforschung von Urkunden, diente, aber auch Handschriften, Siegel und Kupferstichreproduktionen enthielt. Auch im heutigen, 1802 gegründeten Bestand bilden päpstliche, kaiserliche und königliche Urkunden sowie geistliche, dynastische, städtische und bürgerliche Privaturkunden den Grundstock. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Sammlung durch engagierte Forscher um zahlreiche weitere Urkunden, Handschriften, Handschriftenfragmente und Siegel sowie neu angefertigte Siegelabgüsse und Reproduktionen von Urkunden, Handschriften, Akten, Siegeln und Wappen auf Fotografien und Diapositiven bereichert.



Die Abteilung für Osteuropäische Geschichte

Die Göttinger Osteuropäische Geschichte konzentriert sich in Lehre und Forschung auf die neuere Geschichte Russlands vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Auf diesem Gebiet gehört es zu den führenden in Deutschland. Darüber hinaus wird die neuere Geschichte Ostmitteleuropas (Polen, Böhmen/Tschechien) angeboten. Der Lehrstuhl verfügt über eine der umfangreichsten Bibliotheken zur neueren osteuropäischen, insbesondere zur russisch-sowjetischen Geschichte in Deutschland.



Das Institut für Historische Landesforschung

Das Institut für Historische Landesforschung versteht sich als zentrale Forschungsstelle für die Konzeption und Durchführung von Forschungsprojekten zur niedersächsischen Geschichte und zur vergleichenden Landesgeschichte. Es wurde 1958 mit dem Ziel gegründet, „alle Wissenschaften, die sich mit einer historischen Fragestellung dem Lande Niedersachsen zuwenden, zu einer fächer- und fakultätsübergreifenden Arbeitsgemeinschaft zusammenzufassen und ihre Forschungen aufeinander abzustimmen“. Die Leitung des Instituts ist seit 1959 mit dem Lehrstuhl für Niedersächsische Landesgeschichte an der Georg-August-Universität verbunden, dem einzigen seiner Art in Niedersachsen.



Das Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Das Institut für Wirtschaft- und Sozialgeschichte ist ein eigenständiges Institut. Es besteht eine enge Kooperation mit dem SMNG.
Das Institut bietet zwei eigene Studiengänge an: „Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ als Hauptfach im Zwei-Fach-Bachelorstudiengang der Philosophischen Fakultät und „Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ als Ein-Fach-Masterstudiengang der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.



Das Zentrum für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung


Das Interdisziplinäre Zentrum für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung wurde im Wintersemester 1999/2000 eröffnet und ist damit das älteste der insgesamt zehn geisteswissenschaftlichen Interdisziplinären Zentren in Göttingen. Das ZMF wird von der Philosophischen Fakultät gemeinsam mit der Theologischen Fakultät und der Juristischen Fakultät getragen und repräsentiert damit ein breites Spektrum der an der Mittelalter- und Frühneuzeitforschung beteiligten Disziplinen. Das Zentrum dient als institutionelle Plattform für verschiedene Forschungs- und Lehrzusammenhänge, bietet regelmäßige Diskussions- und Vortragsveranstaltungen an und hat im Laufe der Jahre zahlreiche Kooperationen auf dem Göttingen Research Campus und darüber hinaus etabliert. In das ZMF integriert ist die Abteilung für Lateinische Philologie des Mittelalters und der Neuzeit, ein Fach, das in besonderer Weise auf interdisziplinäre Projekte ausgerichtet ist.
Neben dem Masterstudiengang Mittelalter- und Renaissance-Studien bietet das Zentrum mit den „Göttinger Streitgesprächen“ und den „Göttinger Vorträgen“ regelmäßige Veranstaltungen an, die einen kommunikativen Rahmen für die auf dem Gebiet des Mittelalters und der Frühen Neuzeit forschenden Göttinger Wissenschaftler:innen und deren Gäste bieten.