Wissenschaftliche Netzwerke

In der offiziellen NS-Wissenschaftspolitik unterlagen institutionelle Kontakte mit dem Ausland einer starken Kontrolle. Während die Institutionen von der Gleichschaltung transformiert worden waren, blieben persönliche Netzwerke in vielen Fällen erhalten. Ihre Grundlage war ein über Generationen gewachsenes Wissenschaftsverständnis, ihre Währung der Austausch von Informationen über Quellen und Publikationen. So fragt der in der Folge seiner Eidverweigerung auf die neuen Machthaber 1933 emigrierte Otto Neugebauer 1936 aus dem Kopenhagener Exil, ob sich „in Sethes Handexemplar seiner ‚Zahlen und Zahlworte’ Einträge befinden”. Und noch im April 1944 bedankt sich Jacques Vandier für die Zusendung von Sonderdrucken:

Bild_44 „Cher Monsieur,
Je viens de recevoir le paquet de tirés à part que vous m'aviez annoncé. J'en ai été très heureux car je craignais qu'il n'eût été perdu. Je connaissais déjà, comme je vous l'ai écrit, votre article sur le fonction de vizir à le VI Dynastie et aussi celui que vous avez consacré au sacrifice des animaux. [...]”

(„Werter Herr,
ich habe das Paket mit den Sonderdrucken erhalten, das Sie mir angekündigt hatten. Ich war darüber sehr glücklich, da ich befürchtet habe, es könnte verloren gegangen sein. Ich kannte bereits, wie ich Ihnen geschrieben habe, Ihren Artikel über die Funktion des Wesirs in der VI Dynastie und auch denjenigen, den sie dem Tieropfer gewidmet haben. [...]”

(Brief von Jacques Vandier an Hermann Kees vom 19.4.1944)

Und bereits 1948 beteiligen sich internationale Wissenschaftler am Wiederaufbau der Bibliotheksbestände.

Bild_45 „Dear Professor Kees,
Many thanks for your kind letter of 26th May and your news. It is sad to hear that the library of the Oriental Institute has been destroyed and the loss of Sethe's books is a real disaster. It makes it all the more peasing to hear that your own library has escaped.”
(„Lieber Professor Kees,
vielen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 26. Mai und Ihre Neuigkeiten. Es ist traurig zu hören, dass die Bibliothek des Orientalistischen Instituts zerstört wurde, und der Verlust von Sethes Büchern ist eine wirkliche Katastrophe. Das alles macht es erfreulicher zu hören, dass Ihre eigene Bibliothek verschont blieb.”
(Brief von Jaroslav Černý an Hermann Kees vom 16.6.1948)