Kunstwerk des Monats im Juli 2007


01. Juli 2007
Pieter van der Heyden (nach Hieronymus Bosch): Die Narrenrasur aus der Graphischen Sammlung der Universität
Vorgestellt von: Dr. Gerd Unverfehrt

KdM 09/2007Zehn Personen sind in einem Raum versammelt. In der Mitte sitzt eine alte Frau, die in einem offenen Kamin Waffeln backt. Vier Personen schauen ihr zu. Am rechten Bildrand sitzt ein Mann, den Kopf über eine Wasserschale gebeugt; der neben ihm Stehende umfasst mit der linken Hand sein Kinn und hält in der rechten eine Schöpfkelle. Links hinter dieser Gruppe musizieren zwei Frauen mit Bratrost und Feuerzange sowie einem Blasebalg. Zur weiteren musikalischen Unterhaltung der Festgemeinschaft spielt ein Mann durch das Fenster das Platerspiel, ein anderer links die Laute. Den Kaminsturz ziert ein sich wellender Druck mit einer als Pilger verkleideten Eule und der fiktiven Signatur "Hiero. Bos. Inuentor". Thema ist die Fastnacht. Das Musizieren auf untauglichen Instrumenten wie Bratrost und Feuerzange gehören ebenso dazu wie Waffeln als typische Fastnachtsspeise oder die mit einer Schöpfkelle erfolgende Narrenrasur. Bei der mit stumpfen Instrumenten vorgenommenen Rasur handelt es sich sowohl um einen realen, in den südlichen Niederlanden öffentlich vollzogenen Fastnachtsbrauch als auch um eine Metapher für törichtes Verhalten.

Selbst der in ein Narrenkostüm gesteckte und Männchen machende Hund ist in das Treiben eingebunden.

Während das aklärt, gibt die scheinbar eindeutige Erfinderangabe "Hiero. Bos" - Hieronymus Bosch (um 1450-1516) - Rätsel auf. Bosch war als Erfinder von Teufelsszenen und Sittenbildern während des ganzen 16. Jahrhunderts berühmt und wurde vielfach nachgeahmt. Auch dieser Kupferstich ist auf dem Kaminbild mit seinem Namen versehen. Doch die als Pilger verkleidete Eule symbolisiert traditionell Täuschung und Betrug, und so mag das Bild im Bilde als Hinweis verstanden werden, dass auch die Angabe des Erfinders Boschs eine Täuschung darstellt. Denn mit dem 1516 verstorbenen und weiterhin berühmten Hieronymus Bosch hat diese eher von Pieter Bruegel (um 1525-1569) beeinflusste, von Pieter van der Heyden (um 1530- nach 1572) Komposition wenig zu tun. Auch der von Bruegel entworfene Kupferstich Die großen Fische fressen die kleinen wurde 1557 unter Boschs Namen herausgegeben.

Feste und Feiern waren beliebte Themen der niederländischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In der Ausstellung Gott & die Welt, die noch bis zum 8. Juli zu sehen ist, sind weitere Beispiele oft handfesten Vergnügens zu finden, das von Obrigkeit und Kirche nicht gern gesehen war und manchen Einschränkungen unterlag. Das hat weder Künstler noch Käufer davon abgehalten, das Treiben in Bilder zu fassen und sich an ihnen zu erfreu-en, frei nach dem Motto:

Laßt die Bauern ihre Kirmeß feiern!

(Inschrift auf Bruegels Kupferstich Die Kirmeß am Sankt-Georgstag, um 1560)