Kunstwerk des Monats im November 2013


03. November 2013
Die Tiberinsel in Rom von der Hand eines unbekannten Künstlers
Vorgestellt von: Nele Reiter

kdm_tiberinselRom entwickelte seit der Renaissance eine starke Anzieh-ungskraft auf Künstler aus ganz Europa, da die römische und griechische Kunst in dieser Stadt wie an keinem anderen Ort studiert werden konnte. Die rom-reisenden Künstler, die sich oft für mehrere Jahre in der ewigen Stadt niederließen, um ihre Fertigkeiten zu vervollkommnen, lernten von den zeitgenössischen Meistern der Stadt, noch mehr aber von den antiken Monumenten und Skulp-turen, die in Rom allgegenwärtig waren. Seit dem frühen 16. Jahrhundert führte es besonders häufig niederländische Künstler nach Rom, die dort einen eigenen sozialen und konfessionellen Kreis bildeten. Das Kunstwerk des Monats zeigt eine römische Stadtlandschaft, wie sie die Künstler dieser Epoche anfertigten. Die Vedute gibt ein getreues und lebendiges Bild der Tiberinsel wieder. Sie zeigt dem Betrachter ihre charakteristische Ansicht stromaufwärts, mit S. Bartolomeo all‘ Isola an ihrer Spitze und den zwei antiken Brücken, der Ponte Cestio und der Ponte dei Quattro Capi.

Diese Ansicht wählten sich viele romreisende Künstler zum Motiv, da hier die Brücken als beeindruckende Ingenieursbauten der Antike, mit der mittel-alterlichen und zeitgenössischen Bebauung der Stadt zusammen in der Tiberlandschaft abgebildet werden konnten.

Es wirkt so, als ob der Künstler dieser Zeichnung selbst am Ufer des Tibers gestanden und alles genau beobachtet hätte. Doch dies muss nicht notwendig der Fall gewesen sein. Seit dem späten 16. Jahrhundert bildeten sich in den Zirkeln der niederländischen Maler, insbesondere um Paul Bril, Schülerkreise, in denen es üblich war, die Monumente Roms nicht unmittelbar vor Ort zu zeichnen, sondern diese von den mustergültigen Zeichnungen eines Meisters zu Übungszwecken zu kopieren.
Es gibt Hinweise darauf, dass auch diese Zeichnung der Tiberinsel eine andere Zeichnung zum genauen Vorbild nahm.
Somit wirft die Göttinger Zeichnung viele Fragen auf. Kann man den Künstler der Zeichnung, oder den des „Originals“ ermittel? Und wie kann man an Hand der abgebildeten Topographie eine Datierung treffen?
Die Zeichnung gibt ein eindringliches Beispiel für die Ausbildungspraxis des Kopierens und zeigt, wie wunderbar lebendig und ‚echt‘ eine Stadtlandschaft wirken kann, auch wenn der Künstler das Motiv selbst nicht vor Augen, ja es vielleicht sogar nie gesehen hatte.