Kunstwerk des Monats im Januar 2014


05. Januar 2014
Diana Scultori - Der Farnesische Stier - Kupferstich von 1581
Vorgestellt von: Johann Brandes

kdm_januar14_verkleinertUnter den zahlreichen Neu­ent­deckungen des 16. Jahrhunderts, die Papst Paul III., aus der Familie Farnese, seiner Antiken­sammlung einverleibte, gehört die aus sieben Figuren komponierte hellenistische Gruppe des Farnesischen Stiers zu den spektakulärsten.
Schon die hohe Anzahl an Figuren der aus einem Block gehauenen Skulptur erregte große Bewunderung. Mit 24 Tonnen Gestein auf einer Fläche von 3 x 3m und einer Höhe von 3,7m ist die Gruppe auch nach heutigen Maßstäben eines der größten und technisch anspruchvollsten überlieferten Bildwerke der Antike.

Der schlechte Zustand der in zahlreichen Fragmenten im August 1545 in den Thermen des Caracalla entdeckten Gruppe erschwerte ihre Identifizierung zunächst erheblich. So wurde sie anfangs noch nicht gedeutet, sondern lediglich anhand des Personals benannt: Ein Stier und vier Figuren. Wenig später wurde die Gruppe als Darstellung der Episode von Herkules und dem Stier interpretiert. Um 1550 ergänzte man die Skulptur erstmals auf Anraten Michelangelos, um sie auf antike Weise im Palazzo Farnese als Brunnenskulptur aufzustellen. Vasari überliefert, dass eine komplette Neugestaltung des im Bau befindlichen Palastes um den Farnesischen Stier als Zentrum herum entworfen wurde. Wie viele Großprojekte Michelangelos, kam dieses Vorhaben nie über das Stadium der Planung hinaus.
Erst im Jahre 1579, mit Abschluss der Re­kon­struktion und Ergänzung, wurde der Farnesische Stier schließlich mit der von Plinius im 36. Buch seiner Naturgeschichte erwähnten Skulptur der "Dirce" und damit als Werk der rhodischen Bildhauer Apollonius und Tauriscus identifiziert.

Diana Scultoris Stich von 1581 zeigt den "Farnesischen Stier" in seinem damals rekonstruierten und ergänzten Zustand in seiner Hauptansicht, ohne den Aufstellungsort im Palazzo Farnese anzudeuten. Einzige Ortsangaben sind ein wolkenverhangener Himmel und der felsige Sockel, der jedoch in die vage angedeutete Landschaft gleichsam überzugehen scheint.

Die Wechselwirkung von Landschaftsraum und Sonnenlicht auf den Körpern verlebendigt das Ensemble soweit, dass sein Objektcharakter als antike, schadhafte Skulptur kaum mehr bewusst wird, man vielmehr einer Szene beiwohnt, die mehr ein Bild ist als eine dargestellte Skulptur. Derartige Verlebendigungstendenzen sind in der Druckgraphik des späten 16. Jahrhunderts häufiger zu beobachten, sie sollten im 17. Jahrhundert durch Rubens eine neue Form der Antikenaneignung begründen.