Vorwort

Liebe Leserin und lieber Leser,

das Jahr 2004 brachte Europa voran, eine umfassende Gemeinschaft zu werden. Die Europäische Union erweiterte sich räumlich und konzeptionell. Gleich mehrere Länder traten ihr bei. Der Rat der EU verabschiedete eine Verfassung. Wirtschaft und Finanzen stehen jetzt in einem Kontext, sind ein Teil neben anderen und dominieren nicht mehr. Europa bezieht sich auf seine Basis – die Tradition, von der griechischen Antike und dem Christentum getragen. Damit macht die EU das Anliegen der Informationes Theologiae Europae, Wirtschaft und Finanzen in die Tradition Europas einzubeziehen, zu ihrem eigenen.

Die Situation erinnert an das Europa der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Kultur, Religion und Wissenschaft blühten auf, mit ihnen die Gedanken des Humanismus, der Humanität. Wirtschaft und Finanzen wuchsen. Neu sind heute die Integration der Völker und die Dimension der Globalisierung. Sie umspannen die ganze Erde in einer tief greifenden, bislang unbekannten Art und Weise. In Deutschland etwa lassen sie eine bloße Fortschreibung der sozialen Marktwirtschaft nicht länger zu. Diese war für die alte Bundesrepublik in ihren Grenzen, mit einer eigenen Währung, auf ihre Bürger bezogen konzipiert.

Das neue Modell Europas stellt den Menschen ins Zentrum. Es geht um Humanität. Der politische Alltag setzt sie um anhand der Kriterien „sozial und gerecht“. Sie geben dem Geschehen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft das Maß. Feste Vorgaben für die Wirtschaft wie vormals in Deutschland sind nicht mehr möglich. Der neue Entwurf aber gewinnt in Europa und über es hinaus zunehmend an Sympathie. Wirtschaftliche Zusammenschlüsse entstehen allenthalben, und die Menschen fragen, ob sie „sozial und gerecht“ sind.

Das Ziel, Wirtschaft und Finanzen ihren Rahmen zuzuweisen, war nicht leicht auf den Weg zu bringen. Nun ist es Teil der Verfassung der EU. Gott sei es gedankt! Die Freude über das Erreichte ist groß. Doch auch der weitere Weg der Gemeinschaft wird nicht leicht werden. Im 16. Jahrhundert gaben die Völker Europas bald die erreichten Gemeinsamkeiten auf. Sie – und mit ihnen die Kirchen – vertrauten erneut und verstärkt den Gedanken der Macht, die in der Perspektive der Humanität zurückgetreten waren. Mögen die Völker nun die Chance nutzen, menschlich, human, zu leben!

Herzlich zu danken ist allen Autorinnen und Autoren und Frau Dr. Dagmar Ludwig für ihre umfangreiche Lektorentätigkeit.

Ihr
Ulrich Nembach
für die Herausgeber und Konsultatoren


Inhalt

VORWORT

1. Einblicke in Europas Welt

YVES LAMBERT
Youth and religion in Europe: towards a new landscape

WALDEMAR VOGELGESANG
Jugend ohne Religion?
Kirchliche und religiöse Bindungen Jugendlicher im Zeitvergleich

WALTRAUD CORNELISSEN
Lebensentwürfe junger Frauen

NADINE B. WEIBEL
Au-delà du voile: entre soumission et émancipation

GERHARD ROBBERS
Hundert Jahre Laizität.
Ein Blick auf die religionsrechtliche Situation in Frankreich

PÅL REPSTAD
Why the Norwegian church elite is politically radical – some possible explanations

ESKO RYÖKÄS
Nach dem Abbruch einer Kirche – was bleibt?

2. Die Frage nach Gerechtigkeit

HANS-GERT PÖTTERING
Europas Werte – Europas Zukunft

PETER KNAUER
Der Umgang mit den „europäischen Werten“ im „Entwurf einer Verfassung für Europa“

ULRICH NEMBACH
Die EU-Verfassung und die Musik

FELIX EKARDT
EU-Verfassung und Nachhaltigkeit.
Wege zu einer Neuinterpretation liberaler Verfassungen aus Anlass der europäischen Konstitutionalisierung

MICHAEL HASPEL
Justification, justice and the challenge of globalization

ROB VAN DRIMMELEN
Limits to international solidarity

3. Was ist sozial oder wie lebt die Gesellschaft?

KLEMENS RICHTER
Die Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ (SC) – das „Ende des Mittelalters in der Liturgie“ der römischen Kirche

JÖRG BECKER - MICHAEL THYGS
Internetentwicklung und Entwicklung im Internet

KONRAD PAUL LIESSMANN
Alter Geist und neue Medien.
Das humanistische Bildungsideal im Zeitalter der Netzkultur

BARBARA THOMASS
Plädoyer für eine Vielfaltsethik in Europa

SIEBREN MIEDEMA - PETER SCHREINER - GEIR SKEIE - ROBERT JACKSON
The European Network for Religious Education through Contextual Approaches (ENRECA).
Its policy and aims

4. Sozial und gerecht?

RENATE OXENKNECHT-WITZSCH
Die Entwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts in den letzten 50 Jahren

RÜDIGER VON ROSEN - FRANZ-JOSEF LEVEN
Neue Chancen durch Finanzmarktintegration in Europa

HERBERT MERTIN
Probleme der Korruptionsbekämpfung in einer liberalen Wirtschaftsordnung

WERNER KLEINHANSS - SILKE HÜTTEL
Folgen der Agrarreform für Milcherzeuger

5. Ausblick: Grenzenlos ...

ROLAND DIEHL
Neue Erkenntnisse der Astrophysik: Herausforderungen für unser Weltbild?

KLAUS SCHWARZWÄLLER
Unser abgründiger Vater im Himmel.
Das Problem des deus absconditus

ANSCHRIFTEN der Autoren, Herausgeber und Konsultatoren