Kunstwerk des Monats im November 2017


05. November 2017
Michael Ostendorfer: Die Wallfahrt zur "Schönen Maria" in Regensburg
Vorgestellt von: PD Dr. Christian Scholl

KdM_Nov.17_großVor der Reformation – nach der Reformation: Michael Ostendorfers Holzschnitt "Die Wallfahrt zur Schönen Maria in Regensburg" im Nachdruck von 1610.
Das Wirken des Malers und Druckgraphikers Michael Ostendorfer (1490/94-1559) ist eng mit der Reformationsgeschichte der Reichsstadt Regensburg verwoben. Sein Holzschnitt „Die Wallfahrt zur Schönen Maria in Regensburg“, der in der Göttinger Universitätskunstsammlung in Gestalt eines mit Text versehenen Nachdruck von 1610 bewahrt wird, verbildlicht einen Kulminationspunkt spätmittelalterlichen Wunderglaubens: 1519 wurde die jüdische Bevölkerung aus Regensburg vertrieben und die Synagoge durch eine provisorische Marienkapelle ersetzt, die durch ein angebliches Wunder alsbald zum Mittelpunkt einer großen Wallfahrt wurde. Ostendorfers Holzschnitt zeigt das Umfeld dieser Wallfahrt und deren zum Teil recht exaltierte Praktiken. So intensiv diese begann, so schnell ebbte sie wieder ab: Von Martin Luther scharf kritisiert, erlosch sie wohl nicht zuletzt durch die Hinwendung vieler Regensburger zur Reformation wenige Jahre später. An Stelle der Marienkapelle wurde die erste lutherische Kirche in Regensburg eingerichtet. Für sie schuf Michael Ostendorfer 1554/55 einen Reformationsaltar – ein Werk, dass sich in seiner Programmatik durchaus mit den berühmteren Altären der Cranach-Werkstatt messen kann. Aus Anlass des Reformationsjubiläums führt der Vortrag am Beispiel Michael Ostendorfers in die vor- und nachreformatorische Bildwelt des 16. Jahrhunderts ein und fragt dabei auch nach der Aktualität des Holzschnitts im 17. Jahrhundert, die durch den Nachdruck von 1610 belegt wird.