SoSe 15 Vortragsreihe "Was entscheiden wir eigentlich? Praktiken praktisch erforschen"

Im Alltag werden wir häufig aufgefordert, mehr oder minder gut begründete Entscheidungen zu treffen: Wir müssen z.B. entscheiden, was wir essen, wohin wir in Urlaub fahren, welche Partei wir wählen sollen aber auch mit wem wir wie und wo zusammenleben wollen. In Entscheidungssituationen erleben wir uns in der Regel als diejenigen, die ja oder nein sagen und uns so für oder gegen etwas entscheiden (können).
Auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften wird gefragt, wer welche Entscheidungen trifft, um z.B. Bildungskarrieren, Partnerwahlen oder das politische Wahlverhalten zu erforschen. Dabei wird oft von der Vorstellung eines nutzenabwägenden bzw. -maximierenden Subjekts ausgegangen, das sich rational für das eine oder andere Ziel in seinem oder ihrem Leben entscheidet und dementsprechend dann auch handelt.
Aber ist die Art und Weise, wie wir unser Leben führen, so angemessen erfasst? Haben wir die Wahl und gestalten unser Leben wirklich nur durch rationale, autonom getroffene Entscheidungen? Und: Entscheiden wir uns eigentlich immer bewusst für oder gegen etwas?
Praktikentheoretischen Ansätze schlagen hier einen fundamentalen Blickwechsel vor. In dieser Perspektive wird unsere alltägliche Lebensführung nämlich als durchzogen von alltäglichen Routinen, gewohnten bzw. habitualisierten Verhaltensweisen, als Effekt von Ungeplantem und Zufälligem beschrieben. Ziele, Intentionen und Absichten, die jemand verfolgt, spielen zwar eine Rolle; sie werden jedoch als weniger entscheidend für unsere praktische Lebensführung und angesehen. Denn erst indem wir etwas Bestimmtes praktisch tun - einen Bewerbungsbogen für eine bestimmte Schule ausfüllen, uns für ein bestimmtes Studienfach einschreiben, ein bestimmtes Kästchen auf einem Wahlzettel ankreuzen, auf die Frage des Standesbeamten mit ja antworten -, können wir uns als souverän handelnde und entscheidende Subjekte wahrnehmen. Dann wird aber fraglich, was vorher so gewiss schien: Verstehen wir unser Leben eigentlich angemessen, wenn wir uns nur die Entscheidungen und Handlungen ansehen und nicht auch die dafür notwendigen dahinter und davor liegenden Praktiken der Lebensführung?
Genau diese Frage soll im Zentrum der Vortragsreihe stehen: Es geht uns darum für eine breite Göttinger Öffentlichkeit diese - auf den Alltag bezogene Frage - am Beispiel unterschiedlicher Forschungsfelder zu illustrieren. In den Vorträgen wird aufgezeigt, in welchen Praktiken Entscheidungen in unterschiedlichen Feldern - praktisch - getroffen werden und wie die Einzelnen sich darin - praktisch - als souverän handlungsfähige Subjekte erlernen.


Wann: Donnerstags, 18.15 - 19.45 Uhr
Wo: Paulinerkirche, Papendiek 14