Wechselbeziehungen von politischer Kultur, generativem Verhalten und Verwandtschaft in einer Stadt des frühen 19. Jahrhunderts

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, bewilligt 1999.

Das Projekt zielt darauf ab, makropolitische Einstellungen und politisches Verhalten in Beziehung zu setzen mit mikrosozialem Verhaltensmustern im persönlichen und sozialen Nahbereich. Politisch geht es um die Fragen, ob Verwandtschaft auch noch im 19. Jahrhundert eine zentrale Substruktur lokalpolitischer Institutionen und politischer Bewegung darstellte, und ob sich bei Wahlen oder bei Bürgerinteressengruppen und Vereinen Formen verwandtschaftlicher Klientelbildung nachweisen lassen?
Im Hinblick auf das generative Verhalten stellt sich umgekehrt die Frage, ob sich politische Einstellung (gemessen z.B. am Wahlverhalten und politischer Vereinszugehörigkeit) auf die Gestaltung der Geschlechterbeziehung ausgewirkt hat? Führte die Tatsache, dass in den Feiern der Revolution 1848/49 das Liebespaar als symbolische Repräsentanz der Demokratie auftrat, auch zu einer realen Demokratisierung der Geschlechterbeziehung und zu einem veränderten generativen Verhalten von Demokraten? Reduzierte sich z.B. das Gefälle im Heiratsalter zwischen Mann und Frau und gab es bei diesen Gruppen eine stärkere Steuerung der Fertilität? Im Hintergrund steht die (bisher in der Demographie ignorierte) Überlegung, dass nicht nur makroökonomische Prozesse (wie Lebensstandard etc.) das Heiratsverhalten beeinflussen, sondern soziale Beziehungen, lebensweltliche Erfahrung und politischen Haltungen von gleichgroßer Bedeutung sein können.
Aufgrund fehlender Quellen war eine solche Verbindung von Politik, generativem Verhalten und Verwandtschaft bisher weder in der Politischen Kulturforschung noch in der historischen Demographie möglich. Da das vorliegende Projekt über eine Datenbank verfügt, die das politische Verhalten einer ganzen Bevölkerung zwischen 1830 und 1850 enthält und alle Aktionen und Personen miteinander vernetzt, erlaubt die Einbeziehung demographischer und verwandtschaftlicher Daten einen Vorstoß in Dimensionen der kulturhistorischen Analyse vor, die weltweit einmalig sind.

Leitung:

Prof. Dr. Carola Lipp

Weitere Informationen:
Forschungsprojekt: Politischer Aktivismus und politische Abstinenz. Zum Verhalten einer städtischen Bevölkerung in der Revolution 1848/49.
Forschungsprojekt: Lokales Milieu und politische Kultur im Vormärz und in der Revolution 1848/49“ (DFG, bewilligt 1993)