Weiterentwicklung der Vertragsbeziehungen in Genossenschaften der deutschen Milchwirtschaft (abgeschlossen)

Im Agribusiness sind Genossenschaften, in denen die Lieferanten gleichzeitig Anteilseigner sind, von besonderer Bedeutung. Diese genossenschaftlichen Unternehmen, im internationalen Schrifttum als „Marketing Cooperatives“ bezeichnet, verarbeiten und vermarkten die Rohwaren der Lieferanten mit dem Ziel, die besten Konditionen für ihre Mitglieder zu erwirtschaften. In Deutschland ist diese Unternehmensform in den Bereichen der Milch-, Fleisch-, Zucker-, Wein- sowie Obst- und Gemüsewirtschaft marktführend. Folglich ist sie für die gesamte nationale Agrar- und Ernährungswirtschaft von herausragender Relevanz.
Insbesondere bei den milchverarbeitenden Genossenschaften, die rund zwei Drittel der in Deutschland erzeugten Milch vermarkten, weisen der Milchstreik aus dem Jahr 2008 und die anhaltenden Proteste auf die Unzufriedenheit der Landwirte mit ihren Abnehmern hin. Des Weiteren werden die Rahmenbedingungen der europäischen Milchwirtschaft mittelfristig mit der Quotenabschaffung im Wirtschaftsjahr 2014/2015 gravierend verändert. Der Übergang von einem durch das staatliche Quotensystem regulierten in einen freien Markt stellt die Genossenschaftsmolkereien vor eine große Herausforderung, da mit dem Wegfall eines hoheitlichen Milchmengenregimes unter anderem die Planbarkeit der Anlieferungsmenge für die Molkereien stark abnimmt. Wie ein Blick auf die deutsche Milchbranche zeigt, beginnen bereits heute sowohl private als auch genossenschaftlich organisierte Molkereien im Bereich der Mengensteuerung mit der Umgestaltung ihrer Milchlieferverträge, da die Planungssicherheit durch die Handelbarkeit der Quote bereits reduziert wird.
Volatilere Milchpreise, die sich gleichzeitig an das Weltmarktpreisniveau annähern, schüren in Kombination mit einem Tiefstand der Milchpreise die Unzufriedenheit der Milcherzeuger und lassen Forderungen nach einer aktiven Mitgestaltung der Milchpreise laut werden. Insbesondere das Preisfestsetzungsverfahren der Genossenschaftsmolkereien steht, trotz der Möglichkeit der Einflussnahme über aus dem Kreis der Milcherzeuger gewählte Vertreter, derzeit stark in der Kritik. Die Brisanz des Themas wird weiter deutlich, wenn man betrachtet, wie viele Landwirte ihre genossenschaftliche Molkerei mit Hilfe der außerordentlichen Kündigungsrechte verlassen haben. Einige Molkereien haben rechtliche Schritte gegen diese Milcherzeuger veranlasst.
Schließlich spielt das Thema Verträge auch in der Milchmarktpolitik eine wichtige Rolle, da ein Teil der Akteure hier ein Instrument zur Mengenbegrenzung sieht. Die EU-Kommission hat im Oktober 2009 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich in einer ersten Sitzung dem Themenkomplex „Vertragliche Beziehungen und Verhandlungsmacht“ gewidmet hat.
Vor diesem Hintergrund zielt das beantragte Forschungsvorhaben darauf ab, einen differenzierten Einblick in die Einstellungen genossenschaftlich organisierter Milcherzeuger zum Thema „Weiterentwicklung der Vertragsbeziehungen in Genossenschaften der deutschen Milchindustrie“ zu liefern. Neben Empfehlungen für eine gezielte, zukunftsorientierte Gestaltung des Contract Designs der Genossenschaftsmolkereien bezüglich wichtiger Parameter der Vertragsgestaltung (Mengenreglung, Kündigungsrechte etc.) soll das genossenschaftliche Preisfindungssystem genau analysiert werden. Die Identifikation von Treibern der Akzeptanz des Systems sowie dessen Weiterentwicklung zur Erhöhung der Akzeptanz wird angestrebt. Das Forschungsvorhaben liefert damit einen Beitrag zum Contract Design aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive. Durch die Durchführung eines Discrete-Choice-Experiments wird diese Perspektive um einen entscheidungs-theoretischen/experimentellen Ansatz ergänzt.
In wissenschaftlicher Hinsicht kann die Theorie des Vertragsdesigns durch die Kombination von verhaltenswissenschaftlichen und experimentellen Ansätzen vorangetrieben werden. Zur Analyse der genossenschaftlichen Preisfindung werden Strukturgleichungsmodelle angewandt. Bei der Auswertung des Discrete-Choice-Experimentes soll die sog. Latent-Class-Analyse eingesetzt werden.
In praktischer Hinsicht unterstützen die Ergebnisse eine frühzeitige Diskussion um die Zukunft der Geschäftsbeziehung zwischen Milcherzeugern und Genossenschaftsmolkereien. Der genossenschaftliche Milchsektor steht hier vor zentralen Herausforderungen, zu denen mit der theoretisch innovativen und dennoch praxisnahen Arbeit ein Beitrag geleistet werden soll.

Finanziell gefördert wird das Promotionsvorhaben durch den Wissenschaftsfonds der DZ BANK Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

Laufzeit:
01/2011-12/2012