Die Perspektive der Migration im Ausstellungskomplex. Von Engführungen, Brüchen und Konjunkturen im Wissensregime der Migrationsgesellschaft

„Migration ist für Museen zum Thema geworden“, konstatierte im Jahr 2009 der kulturwissenschaftliche Museumsforscher und -praktiker Joachim Baur (2009). Während noch bis vor kurzem für die allermeisten städtischen und staatlichen kulturgeschichtlichen Museen Einwanderung nach Deutschland kein prioritäres Thema darstellte, ist seit gut 15 Jahren von einem regelrechten Musealisierungsboom des Themas zu sprechen. Vor diesem Hintergrund wird das Promotionsprojekt aus einer wissensanthropologischen und migrationswissenschaftlichen Perspektive untersuchen, unter welchen zentralen Paradigmen, Narrativen, unter welchen strukturellen Bedingungen und diskursiven Konjunkturen, Migration zum Thema im deutschen Ausstellungskomplex wurde und wie es aktuell verhandelt wird.

Hierbei ist von großem Interesse, deutlicher als bisher geschehen, die Wissensproduktion der Akteur_innen in den Blick zu nehmen, die teils seit den 1960er Jahren das Museum befragen und dazu auffordern, Migration als integralen Bestandteil der deutschen Geschichte mitzubearbeiten. Warum, so ist zu fragen, ist die Institution Museum im Vergleich zu anderen Kulturinstitutionen so viel schwieriger für Migrations- und Rassismusfragen zu öffnen? Welches Wissen wird (ir)relevant und welches (un)sichtbar? Wo lassen sich Wendepunkte ausmachen? Zum anderen ist danach zu fragen, wie das Thema im Rahmen des zu konstatierenden neueren Musealisierungsbooms aufgegriffen und im Rahmen von Ausstellungen bearbeitet und dargestellt wird. Hierbei ist der zu beobachtende Gap zwischen den neueren Einsichten und Konzeptentwicklungen der sozial- und kulturwissenschaftlichen Migrationsforschung und den dominanten Thematisierungsweisen von Einwanderungsfragen in Ausstellungen analytisch zu ergründen. In diesem Sinne wird (auch institutionenanalytisch und regimetheoretisch) untersucht, wie es zu Abwesenheiten auf thematischer und struktureller Ebene kommt. Eine von der Gegenwart ausgehende Analyse wird die museale, akademische und aktivistische Ausstellungspraxis seit den 1980er Jahren vergleichend in den Blick nehmen.

Baur, Joachim (2009): Flüchtige Spuren - bewegte Geschichten. Zur Darstellung von Migration in Museen und Ausstellungen. In: DOMiD (Hg.): Inventur Migration. Tagungsdokumentation. Köln: Selbstverlag, S. 14–26.


Betreuung: Prof. Dr. Sabine Hess, Institut für Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie, Georg-August-Universität Göttingen

Museum: Wien Museum