Digitale
Paläographie

Kooperationsprojekt mit der Staatlichen Universitätsbibliothek (Prof. Dr. Wolfram Horstmann) Die Volkswagen-Stiftung fördert das Projekt im Rahmen des Programms „Kleine Fächer vermitteln Weltwissen“.
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Leitung: Prof. Dr. Winfried Rudolf, Prof. Dr. Martin Langner
Team: Dr. Anna Dorofeeva, Jakob Vogel

Die Ursprünge der Schrift und ihre verschiedenen Entwicklungen im Laufe der Jahrhunderte zu untersuchen und zu verstehen ist für jedwede Sprach-, Literatur-, Geschichts-, Medien- und Kommunikationswissenschaft von grundlegender Bedeutung. Im digitalen Zeitalter gefährdet der tiefgreifende Wandel vom handgeschriebenen oder gedruckten Text hin zum digitalen Hypertext die Zukunft der individuellen Handschrift, ihre vielfältigen Technologien und ihre Rolle für das Verständnis der menschlichen Vergangenheit. Das Verständnis von handgeschriebenem ‘Code’ in all seinen globalen Erscheinungsformen ist eine unbestreitbare Voraussetzung für den Zugang zum Weltwissen vergangener Jahrhunderte und zu den damit verbundenen Archiven. In den letzten Jahrzehnten gab es eine beispiellose Zunahme von Digitalisierungsprojekten und neuen Kulturspeichern, und diese Projekte stehen im paradoxen Gegensatz zu einem offensichtlichen Mangel an qualifizierten Forschern, die diese Masse an nun verfügbaren Dokumenten weiterhin mit akademischer Tiefe und Präzision studieren könnten. Dies ist auf den fortschreitenden Niedergang des kleinen Faches der Historischen Grundwissenschaften, insbesondere der Paläographie, zurückzuführen. Dieser Trend ist umso bedauerlicher, als die neuesten bildgebenden Verfahren sowie die Materialanalyse ein festes Spektrum an neuen und beispiellosen Forschungsmöglichkeiten für das Weltwissen bieten und fast täglich neue spektakuläre Entdeckungen ermöglichen.
Hauptziel und strategisches Konzept der von der Volkswagen-Stiftung geförderten Maßnahme ist es, sowohl das kleine Fach Historische Grundwissenschaften in Forschung und Lehre zu retten als auch seine traditionellen Merkmale mit einem modernen, zukunftsorientierten Ansatz zu verbinden, der die neuesten digitalen Technologien zur Wiederherstellung und automatisierten Erkennung von handgeschriebenem Text nutzt und praktisch umsetzt und so den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht. Ziel der Maßnahme ist es, in Zusammenarbeit mit der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) eine Dozentur "Digital Palaeography and Imaging Science" (wiss. MA-Stelle TV-L E 14) am Institut für Digital Humanities der Universität Göttingen zu etablieren, mobile Bildgebungstechnologie bereitzustellen, das DH Curriculum um digitale Paläographie zu erweitern, internationale Workshops und Summer Schools anzubieten, Wissenschaftler und Institutionen weltweit zu verbinden und die Forschung in einer Ausstellung öffentlich sichtbar zu machen. Durch Unterstützung des kleinen Faches der Historischen Grundwissenschaften werden eine Reihe weiterer kleiner Fächer kollektiv gestärkt.
Die Einrichtung eines Schwerpunkts in Digitaler Paläographie dient der Wiederbelebung und Konsolidierung von Lehre und Forschung des kleinen Faches Historische Grundwissenschaften. Sie zielt vor allem, aber nicht ausschließlich auf das Gebiet der abendländischen Paläographie ab und wird eine Reihe von kleinen Fächern am Göttingen Campus wie Mittellatein, Skandinavistik oder Koptologie und eine Reihe anderer geisteswissenschaftlicher Disziplinen zusammenführen. Mit der großzügigen Unterstützung der Volkswagenstiftung wollen wir hier in Göttingen eine hochmoderne Paläographie und Imaging-Wissenschaft etablieren und so das deutsche Zentrum für Digitale Historische Grundwissenschaften zu werden mit einem zeitgemäßen Fokus auf Imaging Science, den das 21. Jahrhundert braucht.
Um dies zu erreichen, werden wir zwei Dozentenstellen schaffen, eine für Digitale Paläographie, die andere für Imaging Science. Die erste Mitarbeiterstelle ist am Instituts für Digital Humanities angesiedelt und wird ein Pensum von acht Stunden pro Semester unterrichten. Sie soll sowohl die klassischen paläographischen Fertigkeiten abdecken als auch speziellere Kurse zur digitalen Katalogisierung und Handschriftenerkennung, zur paläographischen Textkodierung sowie zu den Grundlagen der digitalen Texterkennung unterrichten.
Der Imaging Scientist hingegen wird vollständig von der SUB und der Georg-August-Universität Göttingen finanziert. Er wird in der Imaging-Abteilung der SUB-Bibliothek angesiedelt sein und sich auf verschiedene bildgebende Verfahren, wie z.B. Multi- und Hyperspectral Imaging, spezialisieren. In Zusammenarbeit mit internationalen Experten wird der Dozent an der Entwicklung und Verbesserung der Bildverarbeitung für das Text-Retrieval forschen und soll diese neuen Gebiete auch an Studierende vermitteln.
Beide Dozierenden werden gemeinsam Praxisseminare und Sommerschulen durchführen, in denen beschädigte Manuskripte eine spezielle "Bildbearbeitung" erhalten. In den Göttinger Bibliotheken lagern mehrere tausend Handschriften und Fragmente, viele davon unkatalogisiert und stark beschädigt, so dass die Technik vor Ort angewendet werden kann und neue Entdeckungen verspricht. Die mobilen Imaging-Geräte werden aber auch internationale Projektkooperationen ermöglichen.

Wir haben 2018 das Institut für Digital Humanities gegründet. Zusätzlich zur Professur für Digitale Bild- und Objektwissenschaft lehren vier Professoren in Zweitmitgliedschaft am Institut, die so unterschiedliche Schwerpunkte wie Informatik und Theorie der Digital Humanities, Germanistische Literaturwissenschaft und Text-Mining, Computerlinguistik sowie Text-Encoding umfassen. 2020 haben brandneue Bachelor- und Masterstudiengänge sowie ein Zertifikat "Digital Humanities" für alle Studierenden der Geisteswissenschaften begonnen.
Der Dozierende für "Digitale Paläographie", der "Digital Manuscript and Archival Studies" lehrt, und der "Imaging Scientist", der sich auf die Technologien der hyper- und multispektralen Bildgebung spezialisiert, werden unser bestehendes Lehr- und Forschungsprofil ideal ergänzen. Beide unterrichten regelmäßig spezialisierte Kurse in "Digitaler Paläographie“, die aufgaben- und lösungsorientiert sind und die Arbeit in kleinen Teams fördern. Sie umfassen so unterschiedliche Bereiche der Digitalen Paläographie wie digitale Handschriftenerkennung und Kantendetektion, Bildmanipulation, Auszeichnungssprachen und Ontologien sowie digitale Projektinfrastruktur. Wir wollen die Fähigkeiten der Studierenden in drei spezifischen Bereichen verbessern:
- Die Studierenden werden in der Lektüre verschiedener Handschriften angeleitet und erwerben die damit verbundenen archivwissenschaftlichen Kenntnisse
- Sie erhalten ein Grundverständnis für die Komplexität und Heterogenität historischer Textquellen und die damit verbundene Forschungspraxis
- und gleichzeitig praktische Kenntnisse in der digitalen Texterfassung und -analyse. Diese Schlüsselkompetenzen zielen darauf ab, die Absolventen auf Berufe im akademischen und nicht-akademischen Bereich, in öffentlich geförderten Institutionen wie Archiven, Bibliotheken und Museen vorzubereiten, die heute selbstverständlich eine profunde Kompetenz und Lesefähigkeit im Umgang mit den digitalen Medien erfordern.

Lehrprogramm

Paläographische Kompetenz ist für alle historischen und philologischen Fächer nützlich. Deshalb werden wir ab 2022/23 im BA "Digital Humanities" zweisprachige Kernmodule wie "Einführung in die Paläographie und Handschriftenpraxis" und "Paläographie und Imaging Science" implementieren.
Um qualifizierte Nachwuchswissenschaftler in den digitalen Historischen Grundwissenschaften ausbilden zu können, die sich in diesem Bereich beruflich qualifizieren möchten, werden wir darüber hinaus einen speziellen Schwerpunkt "Digitale Paläographie und Imaging Science" im MA Digital Humanities einrichten und auch ein Zertifikat "Archival Science" anbieten. 
Konkret bedeutet dies, dass wir die folgenden vier neuen Module in unser Curriculum aufnehmen möchten:
1. Einführung in die Paläographie und Handschriftenpraxis, in der die Studierenden mit Originalen in verschiedenen Bibliotheken im In- und Ausland arbeiten
2. Paläographie und Imaging Science, das in die Technologien der Spektralfotografie und anderer bildgebender Verfahren einführt
3. Sampling and Retrieval of Handwritten Sources, in dem die Studenten Textkodierung und OCR/HTR erlernen, und das auch eine internationale Summer School beinhaltet. Und schließlich
4. Digital Analysis of Manuscripts, in dem die Studenten lernen, wie man paläographische Mining-Tools programmiert und anwendet. Alle vier Module enthalten Kurse sowohl zur methodischen Reflexion als auch zur praktischen Anwendung.

Eine der besonderen Voraussetzungen für dieses Projekt ist seine Einbettung in Göttingen als einem der strukturellen Hubs der Digital Humanities in Deutschland und darüber hinaus. Dieser Hub baut auf einer langjährigen Kooperation zwischen Wissenschaftler*innen der Philosophischen Fakultät und Informationsspezialist*innen der Universitätsbibliothek Göttingen, der SUB, auf. Viele Projekte verschiedener Förderer wurden erfolgreich in einen nachhaltigen Betrieb überführt, seien es hochspezialisierte digitale Editionen wie die von der DFG geförderten "Fontane's Notebooks" oder groß angelegte Kooperationen wie die von der VW-Stiftung unterstützte "Sammlung Deutscher Drucke".
Die SUB ist eines der großen Digitalisierungszentren in Deutschland. Sie begann bereits in den 90er Jahren mit der Digitalisierung einer Gutenberg-Bibel und verfügt heute über 15 Millionen Seiten in ihrer digitalen Bibliothek. Die SUB ist Deutschlands Zentrum im infrastrukturellen, nationalen und europäischen Netzwerk DARIAH und wichtiger Partner in mehreren Initiativen für die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Die SUB betreibt eine Registrierungsstelle für geisteswissenschaftliche Daten in Deutschland und vernetzt sich mit internationalen Communities wie der Text Encoding Initiative (TEI) oder dem International Image Interoperability Framework (IIIF) - letzteres auch für die multispektrale Bildgebung.
Die SUB ist fest entschlossen, in dieses Projekt zu investieren, indem sie die notwendigen Gerätschaften zur Bildgebung als Ergänzung zu ihrem Technologiepark anschafft, und hat entsprechend die Nachhaltigkeit des Projekts in die Haushaltspläne integriert.“

Der weitere Göttinger Campus bietet weitere besondere Voraussetzungen für dieses Projekt. Die SUB und das wissenschaftliche Rechenzentrum GWDG betreiben gemeinsam die eResearch Alliance, eine Serviceorganisation für digitale Methoden und Werkzeuge, zu der auch die Universitätsmedizin gehört, die wiederum die Infrastruktur für das Exzellenzcluster "Multiscale Bio-Imaging" bereitstellt. Ein Austausch zur Entwicklung von Synergien über Hardware, Software und Analysemethoden wurde bereits initiiert. Das neu gegründete Campus-Institut Data Science (CIDAS) wird einen breiteren Rahmen für den wissenschaftlichen Methodendiskurs bieten. Die Kombination von multispektraler Analyse, geisteswissenschaftlicher Expertise und verfügbaren Textobjekten am Göttingen Campus wird in Deutschland einzigartig sein. Diese Einzigartigkeit, gepaart mit den Möglichkeiten der mobilen Nutzung der Geräte über Göttingen hinaus, wird es ermöglichen, die volle Kraft der internationalen Kooperationen der SUB zu nutzen, sei es im Consortium of European Research Libraries -- einer Organisation der großen Sondersammelgebietsbibliotheken -- oder in Netzwerken wie DARIAH."
Dieser neue Schwerpunkt des Göttingen Campus wird auch eine bedeutende Auswirkung auf den öffentlichen Sektor haben. Die SUB bietet unseren Studierenden die beste Expertise und einen großartigen Raum, um eigene Ausstellungen zu Handschriften zu veranstalten, die wir durch die Entwicklung digitaler Apps ergänzen werden. Nach seiner Fertigstellung wird das Forum Wissen, unser neues Universitätsmuseum, einen noch besser zugänglichen Ort für solche Unternehmungen bieten. Unsere Studierenden und die Dozenten werden weiterhin das Göttinger Y-Lab nutzen, um mit den Schulen vor Ort in Kontakt zu treten und der jungen Generation in gemeinsamen Workshops das faszinierende Spektrum des Weltwissens näher zu bringen. Wie in der Vergangenheit wird die SUB auch weiterhin ihre öffentlichen Leseveranstaltungen auf Grundlage von Originalmanuskripten durchführen, um das öffentliche Interesse am Fach Historische Grundwissenschaften weiter zu steigern, indem sie den physischen Text zum Leben erweckt.
Paläographische Kompetenz ist für alle historischen und philologischen Fächer nützlich. Deshalb werden wir ab 2022/23 im BA "Digital Humanities" zweisprachige Kernmodule wie "Einführung in die Paläographie und Handschriftenpraxis" und "Paläographie und Imaging Science" implementieren.Um qualifizierte Nachwuchswissenschaftler in den digitalen Historischen Grundwissenschaften ausbilden zu können, die sich in diesem Bereich beruflich qualifizieren möchten, werden wir darüber hinaus einen speziellen Schwerpunkt "Digitale Paläographie und Imaging Science" im MA Digital Humanities einrichten und auch ein Zertifikat "Archival Science" anbieten. Konkret bedeutet dies, dass wir die folgenden vier neuen Module in unser Curriculum aufnehmen möchten: 1. Einführung in die Paläographie und Handschriftenpraxis, in der die Studierenden mit Originalen in verschiedenen Bibliotheken im In- und Ausland arbeiten 2. Paläographie und Imaging Science, das in die Technologien der Spektralfotografie und anderer bildgebender Verfahren einführt 3. Sampling and Retrieval of Handwritten Sources, in dem die Studenten Textkodierung und OCR/HTR erlernen, und das auch eine internationale Summer School beinhaltet. Und schließlich 4. Digital Analysis of Manuscripts, in dem die Studenten lernen, wie man paläographische Mining-Tools programmiert und anwendet. Alle vier Module enthalten Kurse sowohl zur methodischen Reflexion als auch zur praktischen Anwendung.