Besuch im Günter Grass-Archiv Göttingen

Von Svenja Brand


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Die Schüler*innen des Deutsch-Leistungskurses. Foto: Svenja Brand


Am 24. März besuchten zehn Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Göttingen das Günter Grass-Archiv. Der Deutsch-Leistungskurs unter Leitung von Lehrer Andres Laubinger hatte sich im Unterricht mit Grass’ Novelle Katz und Maus (1961) auseinandergesetzt und so bot sich eine Verlagerung des Lernortes ins Göttinger Archiv an. Der Bestand zu diesem zweiten Band der Grass’schen Danziger Trilogie im Göttinger Archiv ist sehr klein, stellte sich in der Zusammenarbeit mit den Schülern und Schülerinnen aber als ergiebig heraus. Nach einer kurzen Einführung im Lichtenberghof vor dem Gebäude der historischen SUB anhand der Grass’schen Bronzeplastik Butt im Griff und einer Kurzvorstellung des Göttinger Archivs arbeiteten die Schüler und Schülerinnen eigenständig mit Archivdokumenten:
Grass’ Novelle hatte in der bundesdeutschen Rezeption seinerzeit für einigen Wirbel gesorgt. 1962 beantragte ein zum Hessischen Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen gehöriger Inspektor, die Novelle wegen der sittlichen Gefährdung Jugendlicher auf Grundlage des „Gesetztes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ auf den Index zu setzen. In diversen, vom Luchterhand Verlag beauftragten Gutachten sprachen sich unter anderem Walter Jens, Hans Magnus Enzensberger, Fritz Martini und Kasimir Edschmid gegen diese Indizierung und für den künstlerischen Wert von Katz und Maus aus. In Kleingruppen lasen die Schülerinnen und Schüler jeweils eins dieser Gutachten und untersuchten es auf seine Argumentation und die Beurteilung der umstrittenen Novelle. Im Anschluss präsentierten sie sich gegenseitig ihre Ergebnisse. Im Einklang mit den Gutachern (und dem Ausgang des Verfahrens 1963) waren auch die Schülerinnen und Schüler der Meinung, dass es sich bei Katz und Maus nicht um ein jugendgefährdendes Werk gehandelt habe. Die geschilderten sexuellen und in den 60er-Jahren als anstößig empfundenen Beschreibungen rund um den „Großen Mahlke“ in der Novelle seien vielmehr Ausdruck einer milieuspezifischen und bewusst literarisch komponierten Danziger Jugend in der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs. Im Abschlussgespräch wurde deutlich, wie sehr die Bewertung von Literatur abhängig ist vom historischen Rezeptionskontext und wie sehr sich Rezeptionsbedingungen im Lauf der Zeit verändern.
Für uns im Archiv waren der Besuch und der Austausch mit dem Leistungskurs bereichernde Erfahrungen, die gern wiederholt werden können!