EGRAPHSEN. Möglichkeiten und Perspektiven der digitalen Malerzuweisung bei attischen Vasen

Kooperationsprojekt mit dem Information Systems and Machine Learning Lab der Universität Hildesheim (Prof. Dr. Lars Schmidt-Thieme)


Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur fördert das Forschungsprojekt im Rahmen des Programms „Geistes- und Kulturwissenschaften – digital“.


Ansprechpartner: Prof. Dr. Martin Langner


Die Frage nach den Produzenten der bemalten griechischen Vasen beschäftigt die archäologische Forschung schon seit gut 150 Jahren. Die digitale Analyse von attischen Vasen bietet nun die Möglichkeit, umstrittene Arbeitsweisen der Klassischen Archäologie, die bislang auf dem fachkundigen Auge von Kennern basierten, zu überprüfen. Denn nicht isolierte Kriterien, sondern charakteristische Merkmalskombinationen objektivieren die Malerzuweisung, die computergestützt sehr viel leichter und umfassender zusammengestellt und gewichtet werden können. Daher soll in diesem Projekt die Zuweisung der Vasen an Maler, Werkstätten und Gruppierungen nicht mehr exemplarisch und intuitiv, sondern auf breiter Grundlage datengestützt erfolgen. Es soll untersucht werden, wie sich die Zuschreibungskriterien systematisieren, ihre Aussagekraft evaluieren und die Bedeutung der Ähnlichkeitsnetzwerke durch genaues Benennen von Kriterien und Argumenten historisch gewichten lässt.


Dazu möchten wir eine datengetriebene Stilometrie für attische Vasen entwickeln, die auf multimodalen Darstellungen als Bilder (Vasenbilder) und 2D-Keramikprofilen (Gefäße) basiert. In einem ersten Schritt wird eine Auswahl von Vasenbildern von menschlichen Experten annotiert, um Figuren, Gegenstände und Ornamente zu markieren. Basierend auf diesen Annotationen wird ein tiefes Convolutional Neural Network trainiert. In einem zweiten Schritt werden Architekturen für tiefe Convolutional Neural Networks untersucht, die vorhersagen können, ob zwei Vasenbilder von menschlichen Experten demselben Maler zugeordnet wurden. Aus Sicht des maschinellen Lernens ist ein überwachtes Clustering / Record Linkage Problem für Bilder zu lösen. Wir werden speziell Modelle untersuchen, die es durch semantische Darstellungen ermöglichen, verständliche Erklärungen für die Entscheidungen des Modells zu liefern. Ähnliche Fragen nach der Töpferzuordnung, aber auch weitergehende Fragen nach typischen Kooperationsszenarien zwischen Malern und Töpfern können durch die Untersuchung von Erklärungen und Ausreißern beantwortet werden. Da das Corpus der attischen Vasenmalerei begrenzt ist und aktuell etwa 90.000 Gefäße umfasst, wird ein multitask Lernansatz verwendet. Zusätzliche Aufgaben, wie die Klassifizierung und Beschreibung der Objekte, werden es uns ermöglichen, bessere latente Darstellungen für die Vasenmalerei zu lernen.


Ein gemeinsames Ziel besteht also darin, digitale Methoden der Bildklassifikation auf den Prüfstand zu stellen, indem in einem zentralen und intensiv erforschten Bereich der Klassischen Archäologie das Verhältnis von archäologischer Hermeneutik, intuitiver Kennerschaft und datengestützter Objektivierung von Erkenntnis grundsätzlich untersucht wird.