Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte

Die Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte der Göttinger Englischdidaktik liegen in der fremdsprachlichen Literatur-, Medien- und Kulturdidaktik sowie in der Professionalisierung von Lehrkräften.


Literaturdidaktik

Die Literaturdidaktik als Forschungsschwerpunkt in Göttingen beschäftigt sich mit der Vermittlung und Rezeption literarischer Texte in ihrem Potenzial für den Fremdsprachenunterricht. Dass Literatur gerade auch einen Platz in einem schülerorientierten, kommunikativ ausgerichteten Fremdsprachenunterricht hat und insbesondere kulturelle Lernprozesse z.B. durch die beim Lesen erfolgenden Perspektivenübernahmen angestoßen werden, wird durch vielfältige Zugangsmethoden deutlich. Die fruchtbare Verbindung von kreativen und analytischen Aufgaben im Umgang mit englischsprachigen Literaturen wird in den beiden Monographien Englische Literatur unterrichten (Band 1: Grundlagen und Methoden; Band 2: Unterrichtsmodelle und Materialien; gemeinsam mit Ansgar Nünning) aufgezeigt. Dabei wird ein erweiterter Textbegriff zugrunde gelegt, so dass neben Lyrik, narrativen Texten und Dramen auch Filme und Hörspiele Berücksichtigung finden. Dass ein ganzheitlicher Zugang zu Literatur auch in Zeiten von Bildungsstandards und Kompetenzorientierung möglich und notwendig ist, zeigt u.a. auch der 2015 erschienene Sammelband Literaturkompetenzen Englisch: Modellierung - Curriculum - Unterrichtsbeispiele (hrsg. Hallet/Krämer/Surkamp). In diesem wird zum einen ein literaturbezogenes Kompetenzmodell für den fremdsprachlichen Literaturunterricht und ein Literaturcurriculum für Englisch in der Sekundarstufe 1 entworfen. Zum anderen wird anhand von konkreten Unterrichtsvorschlägen für alle Klassenstufen und anhand zahlreicher literarischer Gattungen gezeigt, wie die Ansprüche und Ziele eines kompetenzorientierten Englischunterrichts umgesetzt werden können.


Medieneinsatz im Fremdsprachenunterricht (insbesondere Filme, Hörspiele und Bilder sowie Virtual Exchange)

Der Einsatz neuer Medien birgt ein großes Potenzial für das Lehren und Lernen einer fremden Sprache. Auditive und (audio-)visuelle Texte bieten authentische Sprechanlässe und erleichtern durch das Ansprechen verschiedener Sinne den (affektiven) Zugang zur Fremdsprache. Außerdem illustrieren sie die nonverbalen und paralinguistischen Dimensionen von Kommunikation.
Der Förderung visueller Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht kommt in Göttingen besondere Aufmerksamkeit zu. Im Rahmen einer interdisziplinären Forschungskooperation mit den Universitäten Bremen und Hannover arbeitet die Göttinger Englischdidaktik seit 2013 an der Entwicklung eines Modells zur sprach- und kulturübergreifenden Filmbildung sowie an einem sprachenübergreifenden Filmurriculum. Der aus dieser Zusammenarbeit hervorgegangene Band Film in den Fächern der sprachlichen Bildung Reihe Film Bildung Schule (hrsg. Blell/Grünewald/Kepser/Surkamp, 2016) präsentiert dieses Modell erstmalig. Das ebenfalls 2016 erschienene Themenheft "(Fremd-)Sprachenlernen mit Film" der Zeitschrift FLUL(Fremdsprachen Lehren und Lernen) (hrsg. Blell/Surkamp) verfolgt insbesondere zwei Zielsetzungen, die in der bisherigen Diskussion zu filmdidaktischen Fragestellungen in den Fremdsprachendidaktiken noch nicht hinreichend berücksichtigt wurden: Zum einen werden, in Anlehnung an Blell/Grünewald/Kepser/Surkamp 2016, Kompetenzfelder skizziert, durch die sich eine fremdsprachlich orientierte Filmbildung auszeichnet, sowie damit verbundene Teilziele für den fremdsprachlichen Filmunterricht herausgearbeitet. Zum anderen werden beispielhaft Lernaufgaben für die Filmarbeit in verschiedenen Fremdsprachen vorgestellt.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der (Weiter-)Entwicklung von Virtuellen Austauschprojekten. Bei Virtual Exchange (VE) handelt es sich um eine Lernpraxis, die auf der Vernetzung von und Zusammenarbeit zwischen sprachlich und kulturell diversen Lernendengruppen über geographische Distanzen hinweg basiert. Ermöglicht wird dies mithilfe synchroner bzw. asynchroner digitaler Kommunikationstechnologien. Virtuelle Austausche werden durch Lehrende begleitet, die u.a. die gemeinsame Vor- und Nachbereitung transkultureller Interaktion unterstützen, und werden möglichst in bestehende Curricula integriert.
VE-Projekten wird in Bildungskontexten großes Potenzial zur Förderung vielfältiger Kompetenzen zugeschrieben. Zentral sind der Ausbau fremdsprachiger, kultureller, globaler und digitaler Kompetenzen sowie die (Weiter-)Entwicklung wichtiger Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit. Im Rahmen der Drittmittelprojekte „Innovation plus“ des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur sowie „IVAC – International Virtual Academic Collaboration“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) wurde ein Lehrkonzept entwickelt, mit dessen Hilfe zukünftige Lehrkräfte auf die Umsetzung eigener virtueller Austauschprojekte sowie die Förderung globaler Kompetenzen vorbereitet werden sollen. Dabei erfahren Studierende als Teilnehmende die Chancen und Herausforderungen eines VEs, indem sie gemeinsam mit internationalen Partner*innen, die ebenfalls Englisch auf Lehramt studieren, und angeleitet durch Dozierende in der Lehrer*innenbildung komplexe Lernaufgaben zur Förderung globaler Kompetenzen bei Schüler*innen entwerfen.

Weitere Informationen: Das Projekt | Begleitende Dissertation


Dramendidaktik und dramapädagogische Zugangsformen im Fremdsprachenunterricht

Wichtige Arbeitsschwerpunkte in Göttingen sind auch die Dramendidaktik und Dramapädagogik. Das 2015 erschienene Handbuch Dramendidaktik und Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht (hrsg. Hallet/Surkamp) gibt einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Zielsetzungen sowie über didaktische und methodische Ansätze auf dem breiten Feld der Arbeit mit szenisch-dramatischen Texten und Formen im Fremdsprachenunterricht. Die Göttinger Englischdidaktik befasst sich zudem mit dem Theater als außerschulischem Lernort.

Zu den vielfältigen Möglichkeiten des Lehrens und Lernens einer fremden Sprache mittels dramapädagogischer Methoden sind bereits zahlreiche Artikel entstanden ebenso wie Projekte in der Lehre und in Kooperation mit außerschulischen Bildungsinstitutionen. Diese Zugangsformen werden somit hochschuldidaktisch und in Göttinger Schulen durch Lehramtsstudierende angewendet und weiterentwickelt. Dramapädagogische Methoden in der Lehramtsausbildung sowie im Englischunterricht am Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe waren zudem Bestandteil zweier Dissertationen (von Adrian Haack und Franziska Elis).

Im Grenzbereich von Filmdidaktik, Dramapädagogik und der Förderung der Sprechkompetenz war das Dissertationsprojekt von Katharina Delius angesiedelt. Im Rahmen einer explorativen Studie in einer sechsten Englischklasse einer Göttinger Gesamtschule wurden - aufbauend auf theoretischen Überlegungen zum generischen Lernen, zur Filmdidaktik und zur Dramapädagogik - Unterrichtssequenzen und Materialien zur Förderung von Mündlichkeit erprobt und weiterentwickelt. Die Dissertation ist in der LiKuS-Reihe beim Springer-Verlag veröffentlicht: Förderung der Sprechkompetenz durch Synthese von generischem Lernen und Dramapädagogik

Aktuelles Drittmittelprojekt (2018-2022): Verbundprojekt „Bühne frei: Schulische Bildungsangebote im Bereich Darstellendes Spiel und ihre Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung“ - eine Kooperation zwischen der Fachdidaktik Englisch (Prof. Dr. Carola Surkamp) und der Pädagogischen Psychologie (Prof. Dr. Sascha Schröder) an der Georg-August-Universität Göttingen
Das Projekt „Bühne frei“ untersucht den Zusammenhang zwischen der Teilnahme an kulturellen Bildungsangeboten und Persönlichkeitseigenschaften der teilnehmenden Schüler*innen. Es wird im Rahmen des Forschungsfonds Kulturelle Bildung für drei Jahre gefördert (Laufzeit 10/2018-03/2022). Der Forschungsfond ist ein Projekt des Rates für Kulturelle Bildung e.V., gefördert durch die Stiftung Mercator und die Karl Schlecht Stiftung.
Im zweiten Teilprojekt wird der Einfluss bzw. die Wirkung des Theaterspielens auf die Persönlichkeitsentwicklung von Schüler*innen analysiert, die englischsprachige Theater-AGs besuchen. Der aktuelle Forschungsstand legt nahe, dass das Theaterspielen förderlich für eine Reihe an sozialen (z.B. Toleranz), attitudinalen (z.B. Leistungsmotivation) und sozio-emotionalen (z.B. Empathie) Persönlichkeitseigenschaften ist. Bisherige Forschungsarbeiten beziehen sich auf theaterpädagogische Angebote als Ganzes und nehmen die Wirkung z.B. eines Theaterkurses, von Workshops oder AG Angeboten in den Blick.


Kulturdidaktik

Das Erlernen einer Fremdsprache ist eng mit der Auseinandersetzung mit Kultur verknüpft - ohne dass diese jedoch länger als eine in sich abgeschlossene, objektive Größe verstanden wird. Vielmehr lenkt ein aus den Kulturwissenschaften hergeleitetes Verständnis von Kultur als prozessual, offen und symbolhaft den Blick sowohl auf die kulturellen Repräsentationen in Texten und Medien als auch auf die subjektiven Bedeutungskonstruktionen der Lernenden. Neben landeskundliche Kenntnisse tritt daher das Lernziel einer (inter-)kulturellen Kompetenz.

Das im Juli 2019 von der Französisch- und Englischdidaktik der Universität Göttingen gemeinsam ausgerichtete Symposium ,unterricht_kultur_theorie. Kulturvermittlung gemeinsam anders denken' bot Gelegenheit zum intensiven Austausch über aktuelle kulturdidaktische Fragestellungen aus Forschung und Unterrichtspraxis. Diskutiert wurden Konzepte wie Inter- und Transkulturelles Lernen ebenso wie Symbolische Kompetenz, Diskursfähigkeit und Globales Lernen. Referenztheorien aus Anthropologie und Kulturwissenschaften wurden hinsichtlich ihres Transferpotenzials für die (Weiter-)Entwicklung fremdsprachendidaktischer Ansätze zur Stärkung nicht essentialisierender, pluraler Kulturbegriffe in Schule und Lehrer*innenbildung befragt. An zwei Tagen wurden in fünf Panels mit einem festen Kreis von jeweils 10 Mitwirkenden kulturdidaktische Entwicklungen entlang der Fragen diskutiert, „wofür?“, „wie?“ und „durch wen?“ kulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht stattfinden und „was?“ und „wer?“ dabei die Gegenstände und Akteur*innen sein sollten. Die Ergebnisse des Symposiums werden im laufenden Jahr in der LiKuS-Reihe des Metzler Verlags veröffentlicht.

Im laufenden Dissertationsprojekt von Rajmund Bethge (gefördert vom Schlözer Programm im Rahmen der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung, BMBF) werden soziale Konstruktionen verschiedener Heterogenitätsdimensionen auf einer unterrichtspraktischen Ebene hinsichtlich der Funktionalität entsprechender alltäglicher Kategorien in der Unterrichtsinteraktion untersucht. Der entsprechende Ansatz versucht aus einer praxistheoretischen Perspektive systematisch nachzuvollziehen, auf welche Art und Weise Heterogenität im Englischunterricht erzeugt werden kann. Das Vorgehen kann als anti-essenzialisierendes Programm kultureller Dimensionen von Schüler*innenheterogenität perspektiviert werden. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen an die Lehrer*innenausbildung zum Aufbau eines zuschreibungsreflexiven Modus zurückgeführt werden, indem (angehende) Lehrkräfte eigene kategorisierende Zuschreibungen im Englischunterricht reflektieren können.

Das laufende Dissertationsprojekt von Jule Inken Müller widmet sich der funktionalen kommunikativen Kompetenz der Sprachmittlung und führt diese mit Theorien des kulturellen Lernens zusammen, um Sprachmittlung als Kulturmittlung zu konzeptualisieren. Zur Förderung der kulturellen Ebene von Sprachmittlung sollen Aufgaben erstellt und in einer empirischen Studie erprobt, unter Einbezug von Lehrer*innen-, Forscherinnen- sowie Lernendenperspektive und der Analyse von Lernendenprodukten evaluiert und in Zyklen weiterentwickelt werden. Ziel ist das Aufstellen von Prinzipien für die Entwicklung von Sprachmittlungsaufgaben, in denen Sprachmittlung als Kulturmittlung begriffen wird.


Grundlagen der Fremdsprachendidaktik

Neben den thematisch spezifischen Interessengebieten wird in Göttingen auch zu den Grundlagen der Fremdsprachendidaktik gearbeitet. Diese haben in den letzten Jahrzehnten einschneidende Entwicklungen durchlaufen: Durch neue Theoriebildung und Einflüsse aus den Bezugswissenschaften, durch ein Erstarken der empirisch ausgerichteten Fremdsprachenforschung und durch bildungspolitische Veränderungen ist ein Feld entstanden, das nicht leicht überschaubar ist. In Göttingen wurden daher 2010 mit dem Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik erstmals im deutschsprachigen Raum die wichtigsten Forschungsgebiete und -gegenstände der Fremdsprachendidaktik lexikalisch erfasst. Die zweite aktualisierte und wesentlich erweiterte Ausgabe des Lexikons ist 2017 erschienen. In einem einführenden Grundlagenband werden die wesentlichen Arbeitsfelder der Englischdidaktik in ihren aktuellen Entwicklungen auch für Studierende und den Einsatz in der Lehre vorgestellt (Teaching English as a Foreign Language: An Introduction. Stuttgart: Metzler, 2018; mit Britta Viebrock).