Prof. Dr. Sarah Nies

Professur für »Soziologie mit dem Schwerpunkt Digitalisierung in der Arbeitswelt«


Forschungsschwerpunkte


  • Arbeits- und Industriesoziologie (insb. digitale Transformation der Arbeit; Reorganisation und Rationalisierung; Leistung und Belastung; Arbeit und Subjekt)
  • Kapitalismustheorie
  • Technik- und Wissenschaftsforschung
  • Qualitative Methoden

Sprechstunde

Nach Vereinbarung


Aktuelles

Gemeinsam mit dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) und der Professur für Arbeit, Unternehmen, Wirtschaft (Prof. Dr. Nicole Mayer-Ahuja) veranstalten wir 2024 die International Labour Process Conference an der Universität Göttingen. Nähere Infos unter: https://www.ilpc.org.uk/



Laufende Forschungsprojekte

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms 2267 „The Digitalisation of Working Worlds“ gefördert (11/23 bis 10/26) und in Kooperation mit dem ISF München und dem ZZF Potsdam durchgeführt. Projektlaufzeit: 11/2023 - 10/2026.

Technikinskription als Feld der Leistungspolitik
Anknüpfend an das erste Projekt „Politics of Performance“, das den Zusammenhang übergeordneter unternehmerischer Strategien der Digitalisierung mit Entwicklungen der Leistungspolitik erforscht, steht in diesem Folgeprojekt Technikinskription- und Aneignung in ihren Wechselwirkungen mit Digitalisierungsstrategien einerseits und Leistungspolitik andererseits im Zentrum des Interesses. Konkret fragt das Projekt zum einen danach, wie betriebliche Digitalisierungsstrategien und technologische Innovation sich gegenseitig beeinflussen. Im Zentrum steht hier die Frage, wie Unternehmen Einfluss auf Technikdesign nehmen und wie digitale Technologien einerseits Möglichkeiten betrieblicher Steuerungsprozesse ausweiten und andererseits organisatorische Anpassungen erfordern, die betriebliche Autonomie einschränken. Zum anderen fragt das Projekt nach der eigensinnigen Aneignung digitaler Technik im konkreten Arbeitsprozess. Analog zu Leistungsbedingungen und Leistungspolitik wird Inskription bzw. Technikentwicklung dabei als umkämpftes Feld aufgefasst, das nicht nur von unternehmerischen Strategien, sondern von allen beteiligten Akteuren und deren (teilweise widersprüchlichen) Interessen geformt ist. Zum umkämpften Feld der „politics of performance“ tritt so das Feld der „politics of inscription“ hinzu, in welchem Unternehmen, anbietende Unternehmen und arbeits-politische Akteure um das konkrete Design von Technologie ringen.

Vorgehen
Das Projekt untersucht dieses Verhältnis von Einflussnahme auf und Beeinflussung durch Technikdesign in interdisziplinärer Perspektive am Beispiel der Chemieindustrie: Historisch wird nach dem Verhältnis von allgemeinen Rationalisierungsstrategien und technologischen Entwicklungen gefragt (ZZF), arbeitssoziologisch nach betrieblichen Strategien der Technikgestaltung bzw. -inskription sowie ihren Wirkungen auf der Arbeitsprozessebene (Uni Göttingen und ISF München). Die Untersuchung erfolgt anhand von Fallstudien zu digitaler gestützte Prozessintegration in der chemischen Großindustrie sowie zur Laborautomatisierung in der pharmazeutischen Industrie.

Mitarbeiter*innen:
M.A. Samuel Rieger, in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung - ISF München (Prof. Dr. Nick Kratzer, M.A. Konstantin Klur) und dem Leibniz Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) (PD Dr. Christopher Neumeier)


Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms „The Digitalisation of Working Worlds. Conceptualising and Capturing a Systemic Transformation" (SPP 2267). Digitalisierung der Arbeitswelten
Projektlaufzeit: 11/2020- 10/2023.

Leistungspolitik in der digitalen Transformation von Arbeit
Digitale Technologien schaffen neue Bedingungen für die Steuerung von Arbeit und Leistung im Betrieb. Das gilt nicht zuletzt für den Shopfloor: eine automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung erhöht Transparenz und Überwachungspotenziale, die informationstechnische Verknüpfung physischer Komponenten (Internet of Things) erlaubt einen direkteren Zugriff auf Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette, selbstlernende Systeme, Leichtbaurobotik und digitale Assistenzsysteme erweitern die Möglichkeiten flexibler Automatisierung. Doch beschränkt sich die Steuerung von Arbeit nicht auf Kontrolle und Handlungsrestriktionen, sondern umfasst auch die gezielte Aktivierung von Beschäftigtenhandeln. Zudem verfolgen Unternehmen mit dem Einsatz digitaler Technik allerdings nicht ausschließlich – und oftmals nicht mal vorwiegend – Strategien, die auf Rationalisierung von Arbeitskraft gerichtet sind. Für die digitale Transformation prägend sind insbesondere auch unternehmerische Strategien, die auf die Einflussnahme auf Markt und Kooperationspartner oder die Reorganisation übergreifender Prozesse (systemische Rationalisierung) zielen.

Ziele und Fragestellung
Das Projekt fragt danach, wie sich Leistungspolitik in der Industriearbeit vor dem Hintergrund unterschiedlicher und teils widersprüchlicher Digitalisierungsstrategien von Unternehmen und betrieblichen Akteuren verändert, welche Auswirkungen also Digitalisierung auf betriebliche Aushandlungen und Prozesse hat, die die Verausgabung von Arbeitsleistung, Arbeitsbedingungen und konkrete Arbeitspraxis bestimmen.

Hierzu geht das Projekt erstens der Frage nach, welche Strategien betriebliche Akteure mit dem Einsatz digitaler Technologien verfolgen, wie die jeweiligen Strategien umgesetzt werden und welche Reibungen oder Synergien sich zwischen verschiedenen Zielsetzungen ergeben. Zweitens erforscht das Projekt, wie die angestoßenen Digitalisierungsprozesse auf die Prozesse der Leistungspolitik wirken. Dabei berücksichtigt das Projekt explizit auch die Wirkung derjenigen Digitalisierungsstrategien, die nicht primär auf Arbeitskraftrationalisierung, Überwachung und Kontrolle zielen, aber als (erwünschter oder unerwünschter) Nebeneffekt auf die Bedingungen der Leistungsverausgabung Einfluss nehmen. Weil sich von bestimmten Unternehmensstrategien nicht umstandslos auf die realen Auswirkungen auf den Arbeitsprozess schließen lässt, fokussiert das Projekt dabei nicht zuletzt auf konkrete Arbeitspraxen, Wahrnehmungen und Aneignungsweisen der Technik durch Produktionsbeschäftigte. Das Projekt zielt damit auf einen konzeptionellen Brückenschlag zwischen der Analyse konkreter Arbeitsprozesse und betrieblichen (Digitalisierungs-)Strategien.

Vorgehen
Die Untersuchung des Zusammenhangs von Digitalisierungsstrategien und Leistungspolitik erfolgt im Rahmen von qualitativen Intensiv-Fallstudien in drei Unternehmen der Automobil- und Chemieindustrie sowie im Maschinenbau. Die Auswahl der Unternehmen berücksichtigt dabei unterschiedliche Ausgangsbedingungen für die Herausbildung und Verfolgung betrieblicher Strategien (u.a. Marktsituation, Stellung in der Wertschöpfungskette, bisheriger Automatisierungsgrad). Die Fallstudien umfassen problemzentrierte Interviews mit Produktionsbeschäftigten in ausgewählten Einsatzbereichen digitaler Technik, leitfadengestützte Interviews mit betrieblichen Expert*innen zur Analyse betrieblicher Digitalisierungsstrategien und Modi der Leistungssteuerung sowie rahmende Dokumentenanalysen und Betriebsbegehungen. Die Auswertung der Fälle erfolgt sowohl in betriebsbezogenen Fallanalysen also auch im kontrastierenden Fallvergleich.

Mitarbeiter*innen:
M.A. Samuel Rieger, in Zusammenarbeit mit dem ISF München (Prof. Dr. Nick Kratzer, M.A. Konstantin Klur)

Publikationen (Auswahl):
Klur, Konstantin; Nies, Sarah (2023): Governed by digital technology? Self-perpetuation and social domination in digital capitalism. In: Work Organisation, Labour & Globalisation 17 (1), S. 12–33.

Becksteiner, Mario; Nies, Sarah (2022): Digitale Konstruktion betrieblicher Wirklichkeiten und die Grenzen des Verhandelbaren. In: Janis Ewen, Sarah Nies und Martin Seeliger (Hg.): Sozialpartnerschaft im digitalisierten Kapitalismus. Hat der institutionalisierte Klassenkompromiss eine Zukunft? Weinheim: Beltz Juventa, S. 182–202.

Nies, Sarah (2021): Eine Frage der Kontrolle? Betriebliche Strategien der Digitalisierung und die Autonomie von Beschäftigen in der Produktion. In: Berliner Journal für Soziologie 31 (3/4), S. 475–504. DOI: 10.1007/s11609-021-00452-8.



Team

Sekretariat:
Lydia Regner
Bürozeiten: An Werktagen (ganztags)

Wissenschaftliche Mitarbeitende:
Dr. Heiner Heiland
Annemarie Kern M.A.
Moritz Kuhles M.A.
Samuel Rieger M.A.
Matthias Sommer M.A.

Studentische Hilfskräfte:
Sophie Boas
Jakob Bohnenkamp
Sophie Etzold