19/04/2012: Grünenpolitikerin Pothmer kritisiert Niedriglohnsektor

Als Koalitionspartner der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder hatten die Grünen die Agenda 2010 mitbeschlossen und so auch die starke Ausweitung des Niedriglohnsektors in Deutschland mit in Gang gesetzt (vgl. 14.02.2011). Heute werden führende Parteimitglieder nicht müde, die von ihnen mitverursachte Entwicklung zu beklagen. So auch Brigitte Pothmer. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau kritisiert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag die Entwicklung des Arbeitsmarkts, auf dem Beschäftigtenwachstum mit Prekarisierung und Spaltungsprozessen einhergehe.

Frau Pothmer bemängelt vor allem die soziale Schieflage am Arbeitsmarkt, auf dem Arbeit und Einkommen nicht mehr fair auf alle Köpfe verteilt seien. Das Normalarbeitsverhältnis verliere an Bedeutung, da gut 75 Prozent des zwischen 2009 und 2010 verzeichneten Beschäftigungszuwachses auf die Zunahme sogenannter atypischer Arbeitsverhältnisse zurückzuführen seien. Leiharbeit, befristete Beschäftigung und Minijobs boomten und mit ihnen schlecht bezahlte und prekäre Jobs. Im Ergebnis führe der enorme Anstieg der atypischen Beschäftigungsverhältnisse zum Ausufern des Niedriglohnsektors. Fast jeder Vierte arbeite für einen Niedriglohn, und die Chancen der davon Betroffenen auf einen guten Job seien gering.

Der Arbeitsmarkt sei inzwischen doppelt gespalten. Es gebe nicht nur die Arbeitsmarkt-Insider und -Outsider, sondern zudem die Spaltung zwischen prekär und regulär Beschäftigten, also den Rand- und Stammbelegschaften. Die Abkopplung so vieler vom früheren Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft sei aber volkswirtschaftlicher Unsinn und berge sozialen Sprengstoff.

Pothmers Fazit: Die Erwartungen, die mit der Schaffung flexibler Beschäftigung verbunden waren, hätten sich „nicht erfüllt.“ Wenn trotz prächtiger Wirtschaftslage der Niedriglohnsektor expandiere, dann sei das „nichts anderes als eine Absage an gesellschaftliche Teilhabe und Solidarität“.

Quelle: FR-online vom 19.04.2012