18/09/2012: Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts zeigt wachsende Ungleichheit
Seit 2001 veröffentlicht die Bundesregierung alle vier Jahre eine ausführliche Expertise über die soziale Lage im Land. Aus dem jetzt veröffentlichten Entwurf des neuen Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung geht hervor, dass die soziale Spaltung in Deutschland weiter gewachsen ist.
„Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auseinander. Der private Reichtum in Deutschland wird insgesamt immer größer. Davon profitieren in erster Linie die Reichen“, so resümiert Zeit Online die zentralen Ergebnisse des Berichtentwurfs. Laut Financial Times Deutschland zeigten die aktuell verfügbaren Zahlen von 2008, dass die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte 53 Prozent des gesamten Nettovermögens auf sich vereint hätten. 1998 habe diese Quote noch bei 45 Prozent gelegen. Die untere Hälfte der Haushalte habe 2008 lediglich ein Prozent des Nettovermögens besessen. Zehn Jahre zuvor seien es noch vier Prozent gewesen.
Wie FTD weiter schreibt, verzeichne der Bericht zudem deutliche Unterschiede bei der Entwicklung der Löhne. Während es im oberen Einkommensbereich positive Zuwächse gegeben habe, hätten die unteren 40 Prozent der Vollzeitbeschäftigten Reallohnverluste hinnehmen müssen.
Die Ausweitung atypischer Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeit- und Minijobs, Leiharbeit oder befristete Stellen will der Bericht dafür nicht verantwortlich machen. Laut FTD werde der Anstieg der sogenannten atypischen Beschäftigung stattdessen verteidigt: Er sei nicht zulasten der Normalarbeitsverhältnisse gegangen. Das Arbeitsministerium habe aber kritisch hinzugefügt, dass Stundenlöhne, die bei Vollzeit zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Alleinstehenden nicht ausreichten, Armutsrisiken verschärfen und den sozialen Zusammenhalt schwächen würden.
Erst kürzlich hatte bereits die OECD in ihrem Beschäftigungsausblick für Deutschland die wachsende Einkommensungleichheit mit dem Hinweis kritisiert, dass Deutschland eines der OECD-Länder mit dem höchsten Anstieg der Lohnungleichheit ist (siehe 10.07.2012).
Das starke Auseinanderdriften der Einkommen wird auch durch eine soeben bei der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienene Studie belegt, in der neuere Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) ausgewertet worden sind. Den Autor/innen zufolge hätten vor allem die Zuwächse am ganz oberen Ende der Verteilung einen wesentlichen Beitrag zur Vergrößerung der Einkommensungleichheit geleistet. Gerade der Anteil des Gesamteinkommens, der den „Top 10 Prozent“ bzw. den „Top 1 Prozent“ der Einkommensbezieher zufließe, habe in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen.
Quellen:
Financial Times Deutschland vom 18.09.2012
Zeit Online vom 18.09.2012
Weiterlesen:
Lebenslagen in Deutschland – Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung (Stand 17.09.2012 17:00).
Anselmann, C./ Krämer H. (2012): „Denn wer da hat, dem wird gegeben“ – Spitzeneinkommen und Einkommensungleichheit in Deutschland. WISO direkt, September, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.