25/10/2012: Einkommenspolarisierung hat sich 2010 abgeschwächt

Im Juni 2010 hatten Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Untersuchung zur Einkommensentwicklung in Deutschland feststellen müssen, dass das vergangene Jahrzehnt ein Jahrzehnt der Einkommenspolarisierung gewesen war. Zwischen 2000 und 2009 seien immer mehr Menschen in die Schicht derer gerutscht seien, die nur niedrige Einkommen erzielen konnten, während gleichzeitig die Gruppe der Wohlhabenden gewachsen sei (siehe 16.06.2010). Auch im Januar 2011 hatte das DIW Berlin nach neueren Berechnungen ein fortschreitendes Auseinanderdriften der „Haushaltseinkommen“ konstatiert (siehe 27.01.2011). Jetzt aber sieht das Institut Anzeichen für eine einsetzende Kehrtwende bei der Einkommensungleichheit. Wie das Forschungsinstitut in einer Pressemitteilung verlauten lässt, seien die „Markteinkommen“ in Deutschland im Jahr 2010 etwas weniger ungleich verteilt gewesen als noch fünf Jahre zuvor.

Insgesamt sein die jährlichen verfügbaren Einkommen (Einkommen einschließlich gesetzlicher Transferzahlungen und abzüglich Steuern und Sozialabgaben) nach Rückgängen zu Beginn des Jahrtausends zwischen 2005 und 2010 in ganz Deutschland gestiegen. Auch die jährlichen Markteinkommen, die sich vor allem aus den Erwerbseinkommen und zusätzlich den Kapitaleinkommen zusammensetzten, seien in diesem Zeitraum gestiegen: in Westdeutschland um knapp vier Prozent, in den neuen Bundesländern sogar um 20 Prozent. Diese „Trendwende in der Einkommensentwicklung“ verdanke sich vor allem der guten Arbeitsmarktentwicklung.

In Verbindung mit den Einkommenszuwächsen sei die Ungleichheit bei den verfügbaren Markteinkommen in den ostdeutschen Bundesländern deutlich gesunken. In den westdeutschen Bundesländern sei die Ungleichheit bei den Markteinkommen auf den Stand vom Beginn des letzten Jahrzehnts zurückgegangen.

In ihrem Bericht stellen die Autoren aber auch fest, dass die Einkommenszuwächse und die Verringerung der Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen nicht zu einem deutlichen Rückgang des Armutsrisikos geführt hätten (vgl. 17.10.2012). Zwar gelte eine Erwerbstätigkeit gemeinhin als der beste Schutz gegen Armut. Vor dem Hintergrund des über viele Jahre gewachsenen Niedriglohnsektors sowie sozialversicherungsfreier Beschäftigungsverhältnisse, die in der Regel bei 400 Euro begrenzt seien, stelle sich die Frage, ob die im Haushalt erzielten Erwerbseinkommen ausreichten, um die Armutsrisikoschwelle im erwerbsfähigen Alter, vor allem jedoch im Rentenalter zu überschreiten. Die Antwort der Forscher: „Geringfügige Beschäftigungen oder Teilzeittätigkeiten können das Armutsrisiko nur bedingt begrenzen. Zudem erhöht sich mit der Dauer derartiger, häufig auch als prekäre Beschäftigungsverhältnisse bezeichnete Tätigkeiten, langfristig auch das Risiko für Altersarmut.“

Quelle: Pressemitteilung des DIW Berlin vom 25.10.2012

Weiterlesen: Grabka, M./ Goebel, J./ Schupp, J. (2012): Höhepunkt der Einkommensungleichheit in Deutschland überschritten? DIW Wochenbericht, 79. Jg., Nr. 43, S. 3-15.