13/12/2012: Einkommenspolarisierung lässt Mittelschicht schrumpfen

Niedriglöhne greifen um sich, Vorstandsgehälter steigen exorbitant: Dies sind nur zwei Bespiele für das zunehmende Auseinanderdriften der Einkommen. Nach Ergebnissen einer Reihe unterschiedlicher Studien der vergangenen Jahre schreitet die Einkommenspolarisierung in Deutschland schon seit mehr als zehn Jahren voran (siehe 27.01.2011). Die Gruppe der Bezieher mittlerer Einkommen wird damit seit Jahren kleiner, wobei immer mehr Menschen aus der Einkommensmittelschicht in die Schicht der Bezieher niedriger Einkommen abrutschen (siehe 15.06.2010).

Zu den Mahnern vor einem Schrumpfen der Mittelschicht und einer damit verbundenen Auflösung des gesellschaftlichen Zusammenhalts gehört auch die Bertelsmann Stiftung. Bereits im Januar 2011 hatte eine Untersuchung der Stiftung eine „bedenkliche Tendenz“ zur Ungleichverteilung der Einkommen festgestellt. (siehe 03.01.2011). Jetzt hat die Stiftung nachgelegt. Eine von ihr in Auftrag gegebene, in wenigen Tagen erscheinende Studie, belege erneut ein vom Trend der Einkommenspolarisierung ausgelöstes Schrumpfen der Mittelschicht.

Wie die Stiftung zu den Ergebnissen der Studie mitteilt, nehme seit 1997 der Anteil der Haushalte ab, die auf ein verfügbares Einkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens zurückgreifen könnten. Habe der Anteil dieser Einkommensmittelschicht an der Gesamtbevölkerung Mitte der 1990er Jahre noch bei 65 Prozent gelegen, so habe er sich bis 2010 auf 58 Prozent reduziert. Der Anteil unterer und unterster Einkommen (weniger als 70 Prozent des Medians) sei dagegen seit 1997 um fünf Prozent bzw. knapp vier Millionen Personen gestiegen. Am oberen Ende der Einkommensschichtung sei die Zahl der Spitzenverdiener (mehr als 200 Prozent des Medians) leicht angestiegen. Im Ergebnis profitiere nur noch eine Elite vom wachsenden Wohlstand, während es für die Einkommensschwachen schwieriger geworden sei, nach oben aufzusteigen, bemerkt die Süddeutsche Zeitung dazu.

Die Verfasser der Studie, ein Forscherteam von Wissenschaftlern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bremen, hätten drei Ursachen für die Entwicklung identifiziert, schreibt die Bertelsmann Stiftung weiter. Zunächst hätten Veränderungen in der Haushaltsstruktur in Form einer Zunahme der Einpersonen- und Alleinerziehendenhaushalte zu größerer Einkommensungleichheit geführt, da in Einpersonenhaushalten keine Ersparnisse durch gemeinsames Wirtschaften wie in größeren Haushalten erzielt würden.

Eine weitere Ursache seien die Steuerreformen seit Mitte der 1990er Jahre, die zu einer Senkung des Spitzensteuersatzes geführt hätten. Einkommensstarke Personen hätten davon überproportional profitiert, während die Mittelschicht deutlich weniger von den geänderten Steuertarifen entlastet worden sei.

Als dritte Ursache für das Schrumpfen der Mittelschicht könnten die Arbeitsmarktreformen und der Rückgang bei den Normalarbeitsverhältnissen angeführt werden. Die entstandenen atypischen Beschäftigungsverhältnisse seien in der Regel durch eine unterdurchschnittliche Entlohnung gezeichnet.

Quellen: Pressemeldung der Bertelsmann Stiftung vom 13.12.2012
Süddeutsche.de vom 13.12.2012

Weiterlesen:

  • Bertelsmann Stiftung (Hg.) (2012): Mittelschicht unter Druck? Gütersloh (erscheint am 18.12.2012).
  • Zusammenfassung der Studie.
  • Goebel, J./ Gornig, M./ Häußermann, H. (2010): Polarisierung der Einkommen: Die Mittelschicht verliert. In: DIW Wochenbericht, 77. Jg., Nr. 24, S 2-8.