Diskussion: Ausgewählte Beispiele für Multiple-Choice-Fragen (Dominik Blöink, Axel Molinero, Dr. Ingo Mey)

Im nächsten Block fand die Vorstellung und Diskussion konkreter MC-Fragenbeispiele aus unterschiedlichen Fachbereichen statt. Dominik Blöink (Abt. Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz), Dr. Ingo Mey (Institut für Organische und Biomolekulare Chemie) und Axel Molinero (Institut für Sportwissenschaften), die jeweils über langjährige Erfahrung mit MC-Fragen und E-Assessments verfügen, erörterten mit dem Plenum anhand von Beispielen und der Darstellung ihrer prinzipiellen Herangehensweise, ob sie die gewünschten Stufen kognitiver Lernziele adressieren und wie sie noch darüber hinausgehen können. Um den Anwesenden die Diskussion darüber zu erleichtern, wurde ein übersichtliches Modell der Taxonomiestufen kognitiver Lernziele verwendet (nach Szczyrba & Wunderlich (2015)), an dem sich die Beteiligten während der ganzen Zeit orientieren konnten:

Stufe Beschreibung
1 Kenntnis/ Erinnern Definieren Sie die fünf Grundbegriffe A, B, C, D, und E!
2 Verständnis Beschreiben Sie das Schaubild, indem Sie die fünf Grundbegriffe A, B, C, D, und E verwenden!
3 Anwendung Gegeben sei Szenario X. Geben Sie an, welcher der fünf Grundbegriffe A, B, C, D, und E welchen Stellenwert hat!
4 Analyse Gegeben sei Szenario X. Analysieren Sie die Situation mittels derjenigen Grundbegriffe, die Sie für geeignet halten.
5 Synthese Entwickeln Sie unter Berücksichtigung der Grundbegriffe A bis C ein Konzept für die Situation X!
6 Beurteilung Schätzen Sie ein, welches der Konzepte in der Situation X am hilfreichsten sein wird. Begründen Sie Ihre Einschätzung!
Szczyrba, Birgit und Antonia Wunderlich (2015) Steckbrief: Prüfungsaufgaben formulieren. https://www.th-koeln.de/mam/downloads/deutsch/hochschule/profil/lehre/steckbrief_pruefungsaufgaben_formulieren.pdf

Dominik Blöink präsentierte eine Single-Choice-Aufgabe (auch „Typ A“ genannt), bei der die Transferleistung gefordert ist, das in der Lehrveranstaltung erworbene Wissen über einen Pathomechanismus und eine geeignete Therapie auf ein neues Szenario anzuwenden, welches so nicht in der Lehrveranstaltung besprochen wurde. Zusätzlich werden die im Fragenstamm zur Verfügung gestellten Informationen nicht textbasiert, sondern über eine Infografik vermittelt, die korrekt interpretiert werden muss, um die Aufgabe zu lösen. Dieser Ansatz wurde von Frau Dr. Lindner und den anderen Anwesenden bestätigt.

Eine Möglichkeit der Steigerung der Komplexität wurde darin gesehen, sich von der Antwortauswahl eines Typ-A-Items zu lösen und eine auch im Hinblick auf den Antwortmodus bildbasierte Frage daraus zu machen: So wurde vorgeschlagen, nur eine Fruchtfolge darzubieten und die Studierenden frei den geeigneten Zeitpunkt für die Applikation des Therapeutikums einzeichnen zu lassen, um den Effekt der Entscheidung für eine eigentlich vorgefertigte Antwort abzuschwächen. Als ebenfalls brauchbar wurde das Auswählen klickaktiver Zonen in dem Bild angesehen, wenn es initial keinen Hinweis auf die Lokalisation der Zonen gibt, wie es z.B. der Fragentyp „Hotspot / Imagemap“ in ILIAS zu leisten vermag. Herr Blöink teilte die Präferenz für eine bildbasierte Frage, gab aber aus seiner Erfahrung zu bedenken, dass die Benutzungsfreundlichkeit, die technische Zuverlässigkeit sowie die Akzeptanz der Studierenden beim Einsatz komplexerer Fragetypen limitierende Faktoren sein können.

Axel Molinero stellte zwei ebenfalls komplett geschlossene Fragen zu Diskussion, mit denen die Kenntnis von Bewegungsabläufen bzw. Techniken bei verschiedenen Sportarten überprüft werden sollen: Beim Vergleich zweier Badminton-Schlagtechniken sind sieben voneinander unabhängige Aussagen gegeben, für die jeweils entschieden werden soll, auf welche Schlagtechnik sie zutreffen, gestalterisch gelöst durch Auswahllücken. Herr Molinero berichtet davon, dass die Geprüften im Durchschnitt bei dieser Frage nur knapp 50 % der erreichbaren Punktzahl auch tatsächlich erzielen.

Durch eine praktische Vorführung der genannten Teilaspekte der Schlagtechniken verdeutlichte er die Schwierigkeit, diese sprachlich zu abstrahieren und so zu analysieren. Die hohe Zahl an zu bewertenden Aussagen mit jeweils vier Antwortoptionen reduziert die Wahrscheinlichkeit, insgesamt durch Raten bei der Frage gut abzuschneiden. Die überwiegend fachfremden Anwesenden gaben zu bedenken, wie wichtig es ist, zu beurteilende Aussagen so eindeutig wie möglich zu formulieren, damit gerade Studierende, die gut vorbereitet sind und die Antwortoptionen entsprechend sorgfältig abwägen, nicht verwirrt werden. Sein zweites Beispiel hat Herr Molinero als Kprim-Frage umgesetzt: Dabei ist gefordert, für vier voneinander unabhängige Aussagen zum Hochsprung im Schulsportunterricht jeweils zu entscheiden, ob der Sachverhalt zutrifft oder nicht. Die Besonderheit dieses Fragentyps liegt in der sog. „Halbpunktebewertung“, d. h. es gibt die volle Punktzahl, wenn alle vier Aussagen korrekt beurteilt werden, und die Hälfte davon, sollte ein Fehler gemacht werden. Darüber hinaus werden null Punkte vergeben. Herr Molinero hat diesen Typ gewählt, weil es ihm didaktisch darauf ankommt, dass der gesamte Sachverhalt beherrscht wird, was die richtige Einschätzung aller vier Teilaussagen voraussetzt. Kprim-Fragen weisen gewöhnlich eine höhere Schwierigkeit und bessere Trennschärfe als Typ-A- oder Multiple-Choice-/ PickN-Items auf und sind bei den Studierenden weniger beliebt, wie einige Anwesende mit entsprechender Erfahrung im Einsatz dieses Fragentyps zu berichten wussten.

Dr. Ingo Mey wählte einen anderen Ansatz, indem er typische MC-Fragen aus der Literatur für die Chemieausbildung im Medizinstudium vorstellte und nachwies, dass diese durch die Darbietung von chemischen (Halb-) Strukturformeln und Reaktionsgleichungen als Bestandteil von Antwortoptionen oder durch die Angabe der Namen chemischer Verbindungen in der Regel die unteren Taxonomiestufen adressieren, weil die Studierenden lediglich auswendig Gelerntes abrufen müssen. Ferner führte Herr Dr. Mey vor Augen, wie wichtig die inhaltliche Homogenität der Antwortoptionen ist, weil eine Mischung aus Antworten, die im Sinne der unterschiedlichen Komplexität der kognitiven Lernziele auch unterschiedlich schwierig sind, den Studierenden ermöglicht, z.B. durch Ausschließen oder einen sog. „educated guess“ die „richtige“ Option zu finden, ohne sich mit den Konzepten der komplexeren Antworten ernsthaft beschäftigt zu haben. Herr Dr. Mey sensibilisierte das Plenum dafür, über die Grenzen des Einsatzes von geschlossenen Fragen nachzudenken. Als im Fach Chemie essentielle Kompetenzen nannte er die mathematische Modellierung von Problemen, das eigenständige Formulieren von Reaktionsschritten für den Studierenden bis dahin unbekannte Verbindungen sowie das Zeichnen von Strukturformeln nicht auswendig gelernter, sondern unbekannter Verbindungen anhand gegebener Informationen wie z.B. funktioneller Gruppen. Also allesamt Prozesse der Synthese von Neuem, die sich mit offenen bzw. Constructive-Response-Aufgaben erfassen lassen. Folglich plädierte Herr Dr. Mey dafür, je nach didaktischer Erfordernis geschlossene und offene Fragen auch in E-Klausuren zu verbinden, was bei den Anwesenden auf breite Zustimmung stieß. Das Szenario der E-Tests sollte dahingehend erweitert werden, in Anlehnung an die probaten Essay-Fragen z.B. Handskizzen und Rechenwege zu integrieren und das Augenmerk auf deren möglichst effiziente manuelle Auswertung zu legen. Dieses Fazit stellte die ideale Überleitung zu dem für den Nachmittag vorgesehenen Teilworkshop „Konstruktive Response-Aufgaben vs. E-Assessments: Rechenwege, freie Skizzen & E-Tests“ dar.