Auf die Plätze, fertig, … – Die letzten Vorbereitungen werden getroffen

Zwei Wochen vor der geplanten Diskussionsveranstaltung am 5. Juli 2021 mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer, dem Verwaltungsrichter Dr. Julian Nusser, Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen und Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Wegener haben sich unsere Projekt-Hilfskräfte Elisabeth Langehaneberg und Julia Winter am 17. Juni noch einmal mit den Schüler*innen und Frau Platz zu einer Videokonferenz getroffen. Vorbereitet wurde die vor der Diskussion stattfindende Gesprächsrunde der Schüler*innen mit Luisa Neubauer und Frau Dr. Verheyen. In diesem Rahmen haben die Schüler*innen Gelegenheit haben, mit unseren Gästen zu juristischen, ökologischen, gesellschaftlichen und persönlichen Themen ins Gespräch zu kommen.

Im vergangenen Jahr schloss sich Luisa Neubauer einer Verfassungsbeschwerde an, die Frau Dr. Verheyen als Prozessbevollmächtigte begleitete. In einem am 29. April 2021 veröffentlichten Beschluss stellte das Bundesverfassungsgericht die teilweise Verfassungswidrigkeit des Bundes-Klimaschutzgesetzes fest. Denn dieses berücksichtigte – vereinfacht gesagt – nicht ausreichend die Auswirkungen der heutigen Klimaschutzpolitik auf die zukünftige Grundrechtsausübung der jungen Generation. Die verfassungsrechtlich gebotene Reduktion von Treibhausgasen darf nicht länger in die Zukunft und damit einseitig zu Lasten der jungen Generation hinausgezögert werden. Ziel der Stunde war es, den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 zu verstehen sowie mehr über Luisa Neubauer und Frau Dr. Verheyen zu erfahren. Mithilfe von Arbeitsblättern ging eine Gruppe der Schüler*innen dem Klimabeschluss auf den Grund, eine zweite Gruppe konnte sich vertieft mit den Beweggründen und Zielen von Frau Dr. Verheyen befassen, und eine dritte Gruppe analysierte die Einstellungen und Forderungen von Luisa Neubauer.

Nach produktiven 40 Minuten teilte jede Gruppe ihre Erkenntnisse mit den Mitschüler*innen. Daraufhin sammelten wir im Plenum fleißig alle Fragen, die die Schüler*innen an Luisa Neubauer und Frau Dr. Verheyen hatten – und das waren eine ganze Menge.

Als Eingangsfrage entschieden sich die Schüler*innen für „Wer ist bei Ihrer gemeinsamen Klimaklage auf den anderen zugegangen? Wie ist der Kontakt entstanden?“. Diese Frage schien bestens geeignet, beide Gesprächspartnerinnen anzusprechen und das Eis mit einer „Kennenlern“-Frage zu brechen. Die zweite Frage sollte sich auf den Klimabeschluss und die Rolle Deutschlands beim Klimaschutz beziehen, um ins Kernthema der Stunde einzusteigen. Alle weiteren Fragen haben die Schüler*innen sodann thematisch sortiert und jeweils einem Schüler oder einer Schülerin zugeordnet, so dass jede*r wusste, wie er oder sie sich in das Vorgespräch in kleiner Runde einbringen kann.

Nach dieser produktiven Vorbereitungsstunde freuten sich alle umso mehr auf einen spannenden Austausch mit Luisa Neubauer und Frau Dr. Verheyen am 5. Juli.


… los! – Im Gespräch mit Luisa Neubauer und Frau Dr. Verheyen

Endlich war es so weit, und die Schüler*innen durften Luisa Neubauer und Frau Dr. Verheyen in kleiner Runde unmittelbar vor der Diskussionsveranstaltung am 5. Juli 2021 ihre Fragen stellen. Wir haben uns in einer Videokonferenz zusammengeschaltet, und schnell entwickelte sich ein spannendes Gespräch mit den beiden.

Die Eisbrecherfrage entpuppte sich als perfekte Eingangsfrage. Die Antwort übernahm sogleich Luisa Neubauer: Als sie begonnen habe, sich intensiv für den Klimaschutz zu engagieren, hätte man ihr immer wieder gesagt, dass sie unbedingt Frau Dr. Verheyen kennlernen müsse. Und so habe sie sich eben auf den Weg zu ihr nach Hamburg gemacht.

Weiter ging es mit der zweiten Frage: „Kann man Deutschland nach dem Klimabeschluss als Vorreiterstaat für andere Staaten ansehen? Und wäre es nicht sinnvoller, Entscheidungen auf internationaler Ebene herbeizuführen?“ In den folgenden 40 Minuten diskutierten die Schüler*innen mit unseren Gästen über Möglichkeiten, das Bewusstsein für den Klimaschutz bei Menschen aller Altersgruppen zu stärken, über die Auswirkungen von Corona auf die „Fridays for Future“-Bewegung und den Klimaschutz, über Lobbyismus und über vieles mehr.

Mit der Aussage „Wir sind alle Vorbilder“ appellierte Luisa Neubauer an die Schüler*innen, dass jede und jeder Einzelne sich engagieren sowie Freunde, Familie und Bekannte inspirieren kann, sich gemeinsam für Klimaschutz einzusetzen. Auch sie sei erst über Freunde zu den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit gekommen. Eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen den Klimawandel sei es, das eigene Bewusstsein und das seiner Mitmenschen zu stärken und sich gemeinsam für Klimaschutz einzusetzen.

Während der gesamten 45-minütigen Diskussionsrunde war für alle Beteiligten spürbar, wie sehr unseren Gästen die Fragen des Klima- und Umweltschutzes am Herzen liegen und warum es sich lohnt, sich für diese Belange zu engagieren: für unsere Welt von morgen!

Man kann es nicht anders sagen: Die Gesprächsrunde war ein voller Erfolg und ein idealer Auftakt für die sich anschließende Diskussionsveranstaltung.


OCF Vorgespräch


Das Finale: Können wir Klimaschutz erstreiten? Die Rolle der Gerichte

In seinem am 29. April 2021 veröffentlichten Beschluss zu mehreren Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht das Bundesklimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber zum Nachbessern verpflichtet. Zu dem Thema „Können wir Klimaschutz erstreiten? Die Rolle der Gerichte“ fand am 5. Juli 2021 ab 18 Uhr eine öffentliche digitale Diskussionsveranstaltung statt. Zuvor hatte eine Gesprächsrunde der Schüler*innen unseres „Our Common Future“-Projektes mit der Klimaaktivistin und Göttinger Studentin Luisa Neubauer sowie der Rechtsanwältin und Verfassungsrichterin am Hamburgischen Verfassungsgericht Dr. Roda Verheyen stattgefunden. Gäste unserer Diskussionsveranstaltung waren neben Luisa Neubauer und Dr. Roda Verheyen der Verwaltungsrichter Dr. Julian Nusser sowie der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Bernhard W. Wegener von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Moderiert wurde die Veranstaltung von Herrn Prof. Dr. Thomas Kleinlein, der an der Friedrich-Schiller-Universität Jena lehrt und Gastwissenschaftler am Institut für Völkerrecht und Europarecht der Georg-August-Universität ist. Er vertrat die Organisatorin und Gastgeberin Frau Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger, die aufgrund eines familiären Schicksalsschlages kurzfristig verhindert war. Die in einem Videokonferenz-Format durchgeführte Veranstaltung wurde über den YouTube-Kanal der Universität Göttingen gestreamt. Das virtuelle Publikum konnte sich über einen Live Chat in die Diskussion einbringen.

Zu Beginn der Veranstaltung führte Herr Prof. Dr. Kleinlein in die Thematik der Klimaklagen ein und gab einen Überblick über verschiedene nationale, europäische und internationale Verfahren. Es folgten kurze Eingangsstatements der Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer.

Frau Neubauer ging darauf ein, ob Fragen des Klimaschutzes mit dem Klimabeschluss endlich an den Gerichten angekommen seien. Hierzu führte sie aus, dass klimarelevante Fragen schon seit langem Gegenstand von gerichtlichen Verfahren seien. Allerdings sei es in der Vergangenheit gerade um die Zulassung von Umweltzerstörungen gegangen, die von Gerichten auf der Grundlage der geltenden Gesetze vielfach unbeanstandet geblieben seien. Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sieht sie als möglichen Wendepunkt. Umwelt- und Klimabelange könnten ein stärkeres Gewicht in rechtlichen Abwägungsprozessen erhalten. Darüber hinaus ging sie darauf ein, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von vielen Fridays-for-Future-Aktivist*innen nicht als bahnbrechend bewertet wurde, da diese hierin lediglich eine Bestätigung von ihrer Ansicht nach Selbstverständlichem sehen.

Herr Dr. Nusser wies ebenfalls darauf hin, dass das Klimaschutzargument auch vor den Verwaltungsgerichten in zahlreichen Verfahren eine Rolle spielt und dabei von den verschiedenen Verfahrensbeteiligten als Argument vorgebracht wird. Darüber hinaus betonte er, dass die Rolle der Gerichte differenziert betrachtet werden müsse. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung sei es nicht die Aufgabe der Gerichte, die Rolle eines Ersatzgesetzgebers zu spielen. Sie könnten aber im Rahmen ihrer Bindung an Recht und Gesetz beispielsweise einer möglichen Verantwortungsdiffusion entgegenwirken und die Grenzen staatlichen Handelns konkretisieren.

Frau Dr. Verheyen ging zunächst auf die Historie von Klimaklagen ein und betonte den Aspekt der „Wissenschaftsrezeption“ durch die Gerichte, die konvergierende Entwicklung von Wissenschaft und Maßstäben der Gerichte in den letzten 30 Jahren. Der Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht sei ein Produkt dieser fortschreitenden Konvergenz, so dass nicht nur Jurist*innen, sondern vor allem Klimaforscher*innen den Löwenanteil zu dieser Entscheidung beigetragen hätten. Der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts stelle daher auch noch nicht den Abschluss des Prozesses dar, sondern vielmehr eine Zwischenstufe, die eine neue Abwägungsgrundlage für die weitere Entscheidungen geschaffen habe.

Herr Prof. Dr. Wegener äußerte Skepsis bezüglich einer mit Blick auf den Klimaschutz möglichen Transformation durch die Gerichte. Die notwendige Revolution müsse vielmehr über den demokratischen Prozess erreicht werden, durch den Gesetzgeber, vorangetrieben insbesondere durch die politischen Parteien und Demonstrationen der Bürger*innen. Gerichte sollten eher eine Nebenrolle spielen. Zur Illustration ging er näher auf das niederländische Gerichtsverfahren gegen Shell ein, in dem das private Unternehmen zu einer erheblichen Reduktion seiner CO2-Emissionen verurteilt wurde. Die Senkung des Ausstoßes dieses Unternehmens führe ohne entsprechende allgemeine (gesetzliche) Regelung dazu, dass andere Unternehmen im Wettbewerb privilegiert würden.

Im Anschluss an ihre Eingangsstatements hatten die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer die Gelegenheit, auf die Beiträge der anderen einzugehen. Hieran schloss sich die Diskussion von Fragen aus dem virtuellen Publikum an. Im Dialog der Gäste wurde unter anderem erörtert, ob Gerichtsentscheidungen nicht auch Teil des demokratischen Prozesses seien und welche Rolle die Wissenschaft bei gerichtlichen Auseinandersetzungen spiele. Darüber hinaus wurde beispielsweise diskutiert, ob der Klimabeschluss auch Folgen für das deutsche Verständnis vom subjektiven öffentlichen Recht habe. Außerdem wurde über die extraterritoriale Wirkung von Grundrechte und hierauf bezogene gerichtliche Überprüfungsmöglichkeiten diskutiert. Die Zahl der Fragen war so groß, dass in den angesetzten 90 Minuten nicht alle zur Diskussion gestellt werden konnten. Dies verwundert nicht, wird die Thematik der Klimaklagen Wissenschaft und Praxis sicherlich noch die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen.

Die Veranstaltung verfolgten zeitgleich bis zu 170 Zuschauer*innen, wobei insgesamt über 500 Personen „eingeschaltet“ hatten. Die Aufzeichnung steht auch weiterhin unter dem folgenden Link zur Verfügung: Können wir Klimaschutz erstreiten? Die Rolle der Gerichte - YouTubeDas Göttinger Tageblatt berichtete ebenfalls über unsere Diskussionsveranstaltung.

Wir bedanken uns bei allen Zuschauer*innen für die spannenden Fragen und ganz besonders bei unsere Gästen Luisa Neubauer, Dr. Julian Nusser, Dr. Roda Verheyen und Prof. Dr. Bernhard W. Wegener sowie bei Prof Dr. Thomas Kleinlein für diesen interessanten Austausch zur Rolle der Gerichte beim Klimaschutz und die rechtliche Einordnung des Klimabeschlusses!


OCF Diskussion