Presseinformation: Asylrecht in Deutschland: fragmentiert, unübersichtlich, durchlöchert

Forschungsbericht zeichnet düsteres Bild des Schutzes von Asylsuchenden in Deutschland 5 Jahre nach der „Flüchtlingskrise“

Der Forschungsbericht „Refugee Protection in Germany“ des EU-Projekts „Multilevel Governance of Migrati-on (RESPOND)“ zeichnet ein düsteres Bild des Menschenrechtsschutzes für Asylsuchende in Deutschland. Die Autorinnen und Autoren sprechen unter anderem von einem „differentiellen Ausschluss“ immer größerer Gruppen aus dem deutschen Asylrecht auf der Grundlage mehr oder weniger willkürlicher Kriterien. Zwar werde das Grundrecht auf Asyl in Deutschland offiziell nicht angetastet, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vielen gesetzlichen Ausnahmen und Hürden führten jedoch dazu, dass es den Schutz-Standards der Genfer Flüchtlingskonvention und der europäischen Menschenrechtscharta immer weniger entspreche. Auf deutscher Seite arbeitete Prof. Dr. Sabine Hess von der Universität Göttingen am Bericht mit.
Der 97-seitige Bericht beschreibt die Entwicklung des deutschen Asylsystems seit 2011. Seine Basis bilden neben einer eingehenden Dokumentenanalyse 25 Interviews mit Anwältinnen und Anwälten sowie Beschäftig-ten von NGOs und Ministerien, außerdem 60 Interviews mit Geflüchteten. „Unser Bericht zeigt, wie unter dem Eindruck der so genannten Flüchtlingskrise von 2015/2016 sowohl der Zugang zum Asylsystem als auch verfahrensrechtliche Standards und menschen- und EU-rechtlich verbriefte Schutzmechanismen des Asyl-systems massiv abgebaut wurden“, so Hess. Teils sei dies über Gesetzespakete erfolgt, die immer mehr Gruppen aus dem vollen asylrechtlichen Schutz ausgeschlossen hätten, teils durch die Umsetzung von Ver-ordnungen der Kommunen und Länder.
Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ging die Beschleunigung der Verfahren auf Kos-ten von Gründlichkeit, Sachverstand und Verfahrensrechten von Geflüchteten, auch die Unterbringung in Großunterkünften wie den Anker-Zentren und Erstaufnahmeeinrichtungen habe die Chancen der Betroffenen auf ein faires Verfahren stark untergraben. „Entstanden ist ein höchst fragmentiertes, unübersichtliches und durchlöchertes Asylrecht in Deutschland mit stark eingeschränkten Verfahrens- und Schutzrechten“, so Hess. „Eine zivilgesellschaftliche Begleitung von Geflüchteten bleibt deshalb umso notwendiger.“

Vergleichbare Berichte zur Situation in Italien, der Türkei, Griechenland, Ungarn, Österreich, Polen, Großbritannien und Schweden sind als Teil der RESPOND Working Paper Series unter www.respondmigration.com/wp-blog zu finden.

Die Presseinformation ist in englischer Sprache auch auf www.respondmigration.com veröffentlicht.

22.01.2020
RESPOND Projetkonsortium
Kontakt: Prof. Dr. Sabine Hess, Institut für Kulturanthropologie/ Europäische Ethnologie der Universität Göttingen, shess@uni-goettingen.de