Nominations for the Christian Gottlob Heyne Award 2021







Ende des 18. – Anfang des 19. Jahrhunderts beginnt die Psychiatrie sich als eigenständiges Fachgebiet der Medizin auszudifferenzieren. Im Kontext dieses Prozesses entstehen als Medium der Klassifizierung psychiatrischer Erkrankungen in den „Irrenanstalten“ Porträts von Patient*innen, in Auftrag gegeben durch Ärzte, ausgeführt durch professionelle Künstler. In diesem Zusammenhang sind auch die rund 70 Porträtzeichnungen des Künstlers Carl Julius Milde (1803 – 1875) im Allgemeinen Hamburger Krankenhaus St. Georg entstanden. Sie agieren auf der Schnittstelle zwischen Kunst und Medizin und bezeichnen damit die Ausrichtung der Dissertation. Zwischen zwei Fachgebieten angelegt, fragt sie zunächst anhand von Beispielen aus der Kunst und der psychiatrischen Publikationstätigkeit um 1800 nach der Zugehörigkeit der Porträtzeichnungen. Ausgehend von den ideellen Denkmustern Wahrheit und Objektivität wird der ambigue Charakter der Zeichnungen herausgearbeitet, der ihren Status als epistemische Bilder begründet. Dabei sind es gerade die so konträr erscheinenden Ideale künstlerischer Wahrheit und wissenschaftlicher Objektivität, die diese sehr individuellen Porträts im Gegensatz zu den typisierenden Abbildungen der zeitgenössischen Psychiatrieliteratur epistemisch werden lassen.





"Warum studierst du Theologie?" Dieser Frage geht Maximilian Baden anhand einer quantitativen, fragebogenbasierten Studie nach, die 2016 bis 2018 im ganzen deutschsprachigen Raum stattfand. Knapp 600 Erstsemester im Theologiestudium (Pfarramt/Magister) haben Auskunft zu ihrer Studienmotivation gegeben. Im Hintergrund steht dabei ein Multi-Komponenten-Modell der Studienmotivation. Situative und persönliche Aspekte spielen darin genauso eine Rolle wie der Blick auf die eigene Zukunft. Besonders die Interessen und die Religiosität der Studierenden wurden als Komponenten identifiziert, die ihre Motivation leiten. Ausgehend von diesen (und anderen) Grundlagen wird ausführlich die Perspektive der Studierenden auf das Theologiestudium, den Pfarrberuf und die Zukunft der Kirche untersucht.





Die Dissertation befasst sich mit der Frage, wie die Sprechkompetenz im Fremdsprachenunterricht gefördert werden kann. Dazu werden auf der theoretischen Ebene die Potenziale einer Synthese zweier aktueller fremdsprachendidaktischer Ansätze – des Generischen Lernens und der Dramapädagogik – erarbeitet. Die angeschlossene Design-Based Research-Studie verfolgte eine doppelte Zielsetzung: einerseits einen theoretischen Erkenntnisgewinn zum gewählten didaktischen Ansatz, andererseits einen praktischen Output in Form empirisch evaluierter Unterrichtseinheiten zur fremdsprachlichen Sprechförderung. Zudem wurden über die drei Forschungszyklen Designprinzipien weiterentwickelt, die Lehrkräften für die Planung eigener Unterrichtseinheiten zur Verfügung stehen. Als Grundlage für die Evaluation der Zyklen dienten Daten aus Videoaufnahmen, teilnehmender Beobachtung, Reflexionsgesprächen mit der beteiligten Lehrkraft, Interviews mit Lernenden, Lernerprodukten sowie Evaluations- und Selbsteinschätzungsbögen.





Kann es Experten im Scheitern geben? Wenn ja, dann waren es die sogenannten Projektemacher; jene gern belächelten Erfinder aus der Epoche der Frühen Neuzeit. So bemühten sie sich etwa als freischaffende Techniker mit ihren experimentellen Kriegsmaschinen um soziale Legitimation im höfisch-militärischen Patronagesystem des Alten Reichs, Englands und der Niederlande. Und es war gerade die Auseinandersetzung mit dem Misserfolg, durch die sie die Institutionalisierung technischer Expertise in den Streitkräften des ‚langen‘ 18. Jahrhunderts prägten. Die Fälle dieser vergessenen und übersehenen Praktiker aufzuarbeiten, war das Ziel meiner Arbeit. Sie steht damit an der Schnittstelle von Wissenschafts-, Militär- und Technikgeschichte und erzählt eine Geschichte ‚prekären Wissens‘ jenseits des Narrativs technologischen Fortschritts.




Im November 2015 machten sich Fernfahrer aus verschiedenen Regionen Russlands auf den Weg nach Moskau, um gegen die neu eingeführte Autobahngebühr Platon zu protestieren, durch die sie ihre Existenz bedroht sahen. Vor der Stadt gründeten sie in Chimki ein Protestcamp, in dem sie die nächsten fünf Monate streikten, diskutierten und versuchten, die Regierung auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Die vorgelegte Dissertation ist das Ergebnis einer mehrjährigen ethnografischen Begleitung der protestierenden Lkw-Fahrer, ihrer Familien und Unterstützer_innen während des Streiks sowie bei den darauffolgenden Protesten und der Gewerkschaftsgründung. Mit dem Blick auf die Allianzbildungsprozesse zwischen den streikenden Arbeiter_innen und diversen Moskauer Protesten arbeitet die Dissertation die Relationen innerhalb der oppositionellen Bewegungen in Russland heraus. Die Analyse der kulturellen, ökonomischen und politischen Kräfteverhältnisse bei der Figurierung der „einfachen Leute“ zeigt die Ambivalenzen der antielitären und Antikorruptionsbewegungen in Russland und erlaubt darüber hinaus, ihren zeitdiagnostischen Elementen nachzugehen.