Preisträgerin und Nominierte für den Christian-Gottlob-Heyne-Preis 2022
Die Studie zeichnet ein differenziertes Bild von schriftstellerischen Selbstinszenierungen seit den 1990er Jahren. Anhand von zwölf repräsentativen Autor:innen der unterschiedlichen Bereiche des literarischen Feldes wird das internetspezifische Medienhandeln analysiert. Im Vordergrund stehen – neben den literarischen Texten – die Websites der Autor:innen und ihre Aktivitäten in den sozialen Medien. Aus den Analysen resultieren zwei Typologien, die für weitere Forschungen genutzt werden können: die Typologie medialer Habitusformen und die Inszenierungsformen von Publikumsnähe und -distanz.
Das Wissen um die Zucht von Pferden ist ein über Jahrhunderte gewachsenes,
vielfach immaterielles Kulturgut. Genau wie sich die Nutzung von Pferden immer
wieder veränderte, so wandelten sich mit ihr die Zuchtideale und vervielfachten sich
die Zuchtexpertisen. Waren Pferde einst als Beweger in Landwirtschaft und Militär
gefragt, sind sie heute vor allem als Sport- und Freizeitpartner beliebt. Auch wenn mit
Beginn des 21. Jahrhunderts die Pferdewirtschaft nach wie vor ein bedeutender
Wirtschaftssektor ist, hat die Pferdezucht tiefgreifende Veränderungsprozesse
erfahren. Hier setzt die Dissertation an. Mit einer wissensanthropologischen
Perspektive blickt die Forschungsarbeit auf die im internationalen Hochleistungssport
viel beachtete Hannoveraner Pferdezucht. Traditionell ist sie eng mit der Expertise
landwirtschaftlicher Familienbetriebe verbunden, die jedoch zunehmend aus
ökonomischen Gründen auf andere Wirtschaftszweige wechseln und die Pferdezucht
aufgeben. Das Feld der Zucht ist akademisierter, kapitalstärker und weiblicher
geworden. Was bedeutet diese Ausdifferenzierung für die Wissensbestände und
Praktiken bei der „Herstellung“ von Hannoveraner Pferden? Welche Formen und
Werte hat Pferdewissen? Die audiovisuell gestützte Ethnografie folgt Züchtenden und
Pferden auf landwirtschaftlichen Familienbetrieben in ihren Risikobehafteten
Arbeitsalltagen und macht ihrer beider vielfach inkorporiertes Erfahrungswissen
sichtbar.
Meine Dissertation vereint Objektstudien zu illustrierten Thesenblättern des 17. Jahrhunderts mit gattungstheoretischen Reflexionen. Im Zentrum der Theoriearbeit stehen Zitat und davon abgeleitet Gattungszitat, eine semiotische Instanz, die als Triebkraft von Gattungsgenese und -subversion identifiziert wird. Die fundamentale Ambivalenz von Zitaten bedingt produktions- und rezeptionsästhetische Erweiterungen älterer Gattungstheorien. Als Vermittlungsinstanz historischer und atemporaler Barockkonzeptionen dient die von Walter Benjamin geprägte Figur des Allegorikers. Sie steht an der Schnittstelle von künstlerischer Produktion und Rezeption. Der Begriff allegorische Gattungsgenese verweist auf Konstellationen, in denen sich Gattungen gegenseitig zitieren, affizieren und variieren. Durch eine enge Verknüpfung von Druckgrafiken, akademischen Texten und barockem Fest erweist sich das illustrierte Thesenblatt als ideales Experimentierfeld für die Fragestellungen der Dissertation.
Dorothee Schenk: Monastische Bildung am Beispiel von Johannes Cassians Collationes Patrum
Auf den ersten Blick mag es als Widerspruch erscheinen, die Anfänge des Mönchtums – gekennzeichnet durch eine vehemente Abkehr von der Welt – und den Begriff ‚Bildung‘ zusammenzudenken. Am Beispiel von Johannes Cassians Collationes Patrum (425–429 n. Chr.) wird jedoch deutlich, dass ‚Bildung‘ in dreierlei Hinsicht ein geeigneter Begriff ist, um das Werk des Theologen, der es in geschickter narrativer Gestalt unternimmt, spirituelles Wissen der ägyptischen Wüstenväter nach Südgallien zu transferieren, zu fassen: Erstens lässt sich nach Bildung als Thema der Collationes fragen („Wie wird explizit und kritisch auf bestehende Bildungstraditionen (im Sinne der artes liberales / ἐγκύκλιος παιδεία) Bezug genommen?“), zweitens als Ziel („Wie wird durch die Collationes ein Bildungsprozess angestoßen und begleitet?“, „Welche Folgen hat dies für das westliche Mönchtum?“) und drittens als Interpretatment („Welche Aspekte moderner Bildungsbegriffe sind geeignet, um Cassians Wirken zu deuten?“).