Erinnerung und ihre Inszenierung

Inhalt

Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute dauert die Debatte um die Erinnerungskultur an den Nationalsozialismus an. Sie wird seit etwa dreißig Jahren um eine intensive Auseinandersetzung mit dem Begriff der Erinnerungsorte bereichert. Diese inszenieren auf ihre je eigene Weise Erinnerung und Gedenken. Ein Beispiel hierfür ist die Stiftung Adam von Trott bei Bebra in Nordhessen. Ihr Namensgeber war Mitglied und „Außenpolitiker“ des Kreisauer Kreises, einer Widerstandsgruppe mit ganz eigenen Visionen von der Neuordnung Deutschlands nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur.

Ziel des Seminars war es, vor dem Hintergrund kulturanthropologischer Diskurse einen Begriff von Erinnerungskultur zu entwickeln und diesen anhand des konkreten Gegenstandes der Erinnerung an den 20. Juli 1944 empirisch anzureichern. Kulminationspunkt des Seminars waren deswegen die verschiedenen „Reden am Kreuz“, die seit 1984 bei den Gedenkfeiern anlässlich des Jahrestags des Umsturzversuches am 20. Juli 1944 in Imshausen gehalten werden.

Im Einzelnen beschäftigte sich das Seminar mit

  • der Biographie Adam von Trotts,
  • Theorien der Erinnerungskultur,
  • dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944,
  • der Erinnerung an dieses Ereignis.


Den Schwerpunkt des Seminars bildete dabei die Lektüre der Biographie "'daß es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben': Adam von Trott zu Solz 1909–1944. Biographie Adam von Trotts" (Wallstein Verlag) der Göttinger Historikerin Beninga von Krusenstjern. Eine Exkursion zur alljährlich stattfindenden Gedenkrede am Kreuz anlässlich des Jahrestages des Umsturzversuchs des nationalsozialistischen Regimes am 20. Juli 1944 konnte aufgrund der COVID-19-Pandemie leider nicht wie geplant stattfinden. Die Gedenkrede der Göttinger Professorin und Bundesverfassungsrichterin Christine Langenfeld konnte das Seminar aber über einen Videostream live verfolgen. Im Rahmen eines Tagesausflugs am 21. Juli war es dem Seminars aber noch möglich, die Stiftung Adam von Trott auch vor Ort kennenzulernen und mehr über die Erinnerungsarbeit in Imshausen zu erfahren.

Konzipiert und geleitet wurde das Seminar von Dr. Thorsten Wettich, Universität Bremen.

Seminarablauf

Datum Sitzungsinhalt
20. April 2020 Einführung
30. April 2020 Adam von Trott 1/2
14. Mai 2020 Erinnerungsdimensionen
28. Mail 2020 Adam von Trott 2/2
11. Junil 2020 Erinnerung an den 20. Juli 1944
25. Juni 2020 Analyse der „Reden am Kreuz“
20. Juli 2020 Gedenkrede am Kreuz
21. Juli 2020 Exkursion nach Imshausen

Ergebnis

Die Studierenden erarbeiteten im Laufe des Seminars vertonte PowerPoint-Präsentationen zu Aspekten des Seminarthemas.

Erinnerung und ihre Inszenierung – Einleitung (1/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Phasen der Erinnerung, Teil 1 (2/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Phasen der Erinnerung, Teil 2 (3/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Phasen der Erinnerung, Teil 3 (4/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Gegenwartsbezug (5/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Widerstandsbegriff, Teil 1 (6/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Widerstandsbegriff, Teil 2 (7/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Widerstandsbegriff, Teil 3 (8/9)

Erinnerung und ihre Inszenierung – Fazit (9/9)


Einführende Literatur

  • Assmann, Jan: „Formen kollektiver Erinnerung. Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis. In: Assmann, Jan (1992): Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München: C.H. Beck (C.H. Beck Kulturwissenschaft), S. 48-56.
  • Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. In. Assmann, Jan; Hölscher, Tonio (1988): Kultur und Gedächtnis. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 9-19.
  • Assmann, Aleida (2007): Exkurs: Gedächtnis und Geschichte. In: Assmann, Aleida (2007): Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. Bonn: Bpb(Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 633), S. 43-51.
  • Burke, Peter (1989): Geschichte als soziales Gedächtnis. In: Assmann, Aleida; Harth, Dietrich (1991): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag (Fischer Wissenschaft), S. 289-305.
  • Carrier, Peter: Pierre Noras Les lieux de memoire als Diagnose und Symptom des zeitgenössischen Erinnerungskultes. In. Echterhoff, Gerald; Saar, Martin; Assmann, Jan (2002): Kontexte und Kulturen des Erinnerns. Maurice Halbwachs und das Paradigma des kollektiven Gedächtnisses. Konstanz: UVK, S. 141-162.
  • Echterhoff: Halbwachs und seine Folgen. In. Echterhoff, Gerald; Saar, Martin; Assmann, Jan (2002): Kontexte und Kulturen des Erinnerns. Maurice Halbwachs und das Paradigma des kollektiven Gedächtnisses. Konstanz: UVK, S. 13-36.
  • Erll, Astrid: 5. Kommunikatives und kulturelles Gedächtsni: Zwei Basis-Register kollektiven Erinnerns. In: Erll, Astrid (2005): Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. Stuttgart: J.B. Metzler, S. 112-122.
  • Frei, Norbert (2003): 1945 und wir: Das dritte Reich im Bewusstsein der Deutschen. München: Beck.
  • Halbwachs, Maurice (1966): Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 19-23 und 362-369.
  • Krusenstjern, Beninga von (2009): "daß es einen Sinn hat zu sterben -gelebt zu haben": Adam von Trott zu Solz 1909-1944. Göttingen: Wallstein (in Auszügen).
  • Nora, Pierre: Die Gedächtnisorte. Eine andere Geschichte. Nora, Pierre (1998): Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Ungekürzte Ausg. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, S. 32-43.
  • Nora, Pierre: Die Gedächtnisorte. Eine andere Geschichte. Nora, Pierre (1998): Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Ungekürzte Ausg. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, S. 21-31.
  • Schlingensiepen, Hellmut Sitó (2009): „Noch stehen wir in den Anfängen…“ Adam von Trott 1909-1944. Düsseldorf: forwertz.
  • Tuchel, Johannes (2014). Zwischen Diffamierung und Anerkennung: Zum Umgang mit dem 20. Juli 1944 in der frühen Bundesrepublik. In: APuZ27/2014, S. 18-24.