Spielerstellung und Spieldurchführung

2016 wurde an der Universität Göttingen eine Hörsaalspiel-Anwendung für den Einsatz in der Lehre entwickelt. Das Spielprinzip dieser Anwendung ist einfach: Mehrere Gruppen von Studierenden treten im Team gegeneinander an und beantworten Quizfragen. Was dabei besonders ist: Das Spiel erfolgt zwar im Seminarraum, aber digital! Die Fragen (Multiple-Choice-Fragen, Single-Choice-Fragen, Freitextfragen oder Fragen mit Bildern) werden von der Lehrperson in eine webbasierte Anwendung eingegeben, Studierende erhalten über einen QR-Code oder einen Link den Zugang dazu und das Spielfeld erscheint auf deren Endgeräten (z.B. Smartphone oder internetfähiges Tablet). Nun werden die Spielenden aufgefordert einer Gruppe beizutreten und das Spiel beginnt.

Die Hörsaalspiel-Anwendung steht allen Lehrenden der Universität Göttingen unter www.hoersaalspiel.uni-goettingen.de zur Verfügung. Mehr Informationen über die Hörsaalspiele und die Webanwendung finden Sie hier.

Foto der Interviewten

Informationen zum Lehrenden

  • Name: Tatyana Tasche
  • Fakultät/Institut: Philosophische Fakultät, Abteilung für Interkulturelle Germanistik
    (seit 11/16 tätig beim Service für Digitales Lernen und Lehren als Instructional Designerin u.a. für das Projekt „Digitale Kompetenzen für Studierende“)
  • Durchführungszeitpunkt der Lehrveranstaltung: WiSe 16/17, Ende des Semesters (zur Klausurvorbereitung)
  • Dauer: 45 Minuten

Frau Tasche, Lehrbeauftragte in der Abteilung für Interkulturelle Germanistik, hat bereits die Hörsaalspiel-Anwendung zur Klausurvorbereitung in ihrem Seminar ausprobiert und berichtet uns von den gesammelten Erfahrungen:

Digitales Lernen und Lehren: Frau Tasche, wie kamen Sie zu dem Thema Spiele im Hörsaal?

Matthias Schreblowski: Ich bin ein großer Freund von Spielen und von Gamification; Ich habe selber großen Spaß am Spielen, deshalb baue ich auch sehr gerne Spielelemente in meine Seminarsitzungen ein.

Ich muss zugeben, durch meine didaktische Ausbildung als Deutschlehrerin bin ich stark geprägt worden. Meine Ausbilderin hat uns damals ans Herz gelegt, dass der Redeanteil der Lehrperson nicht mehr als 30% der Unterrichtszeit ausmachen sollte, während in den restlichen 70% der Zeit die Lernenden sich aktiv mit der Zielsprache auseinandersetzen sollen. Der Einsatz von Spielen ist eines der besten Mittel, um diese aktive Auseinandersetzung zu fördern und wird deshalb gerne im Fremdsprachenunterricht eingesetzt. Eine Methodenvielfalt sorgt außerdem dafür, dass der Unterricht für die Lernenden nicht eintönig wird. Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Methoden, so kam ich auch auf das Thema Gamification, über das ich sehr viel gelesen habe. Mittlerweile bin ich der Überzeugung, dass in einer Lernveranstaltung immer Platz für Spiele geben sollte.

Wie haben Sie von der Hörsaalspiel-Anwendung erfahren?

Durch Zufall erfuhr ich, dass Sebastian Hobert mit seinen Studierenden in einem Projektseminar der Professur Schumann für Anwendungssysteme und E-Business eine Anwendung für Hörsaalspiele entwickelt hat. Zu der Zeit befand sich die Anwendung noch im Beta-Stadium und Sebastian hat nach freiwilligen Tester*innen dafür gesucht. Als mir das Spielprinzip näher erklärt wurde, hatte ich gleich viele Ideen im Kopf, wie ich die Anwendung in meinem Seminar einsetzen könnte.

Warum haben Sie sich für die Hörsaalspiel-Anwendung entschieden?

Als ich von der Anwendung erfuhr, war es bereits Anfang Januar, d.h. die Studierenden mussten sich auf ihre Klausur vorbereiten. Das hat einfach gepasst.

Welches inhaltliche Thema haben Sie dann in einem Spiel umgesetzt?

Mein Seminar findet im Rahmen des Deutsch als Fremdsprachenunterrichts statt. Ich habe für das Spiel ein Thema der deutschen Grammatik ausgewählt: Verben mit direkter und präpositionaler Ergänzung. Dieses Thema ist für Deutschlerner*innen schwierig, da es keine eindeutige Logik gibt. Das muss man einfach auswendig lernen und deshalb ist es auch gut für das Spiel geeignet. Denn wer lernt schon gerne mehr als 50 Verben einfach auswendig?! Mit dem Spiel kommt wenigstens etwas Spaß in die Sache hinein und zusätzlich wird dabei der Lernstoff gut wiederholt.

Wie waren Ihre Erfahrungen mit der Methode „Hörsaalspiele“?

Die eigentliche Methode, die hinter dem Spiel steckt, sind Multiple- und Single-Choice-Fragen. Diese sind für das gewählte Thema, bei dem nicht reflektiert werden muss, gut geeignet. Letztlich ist es eine reine Wissensabfrage, die aber durch den Spielkontext aufgelockert wird.

Und wie sind Ihre Erfahrungen mit der Technik, also mit der Webanwendung Hörsaalspiele?

Zu meiner Zeit war die Anwendung noch in der Beta-Version, aber schon damit habe ich gute Erfahrungen gemacht und mein Eindruck war sehr positiv. Natürlich war es auch für mich das erste Mal, dass ich diese Anwendung verwendete. Da musste ich mich zunächst etwas einarbeiten und mir überlegen, welche Fragen und wie ich stelle und welchen Schwierigkeitsgrad (Punkte) die Fragen haben sollten. Bei der Verteilung der Punkte habe ich im Nachhinein gedacht, dass ich das noch etwas anders hätte einteilen sollen: So waren einige von mir als schwer eingestufte Fragen für die Studierenden dann doch einfach. Aber das ist ganz normal, wenn man das erste Mal etwas Neues ausprobiert.

Wie waren Ihre Erfahrungen bei der Durchführung im Seminar?

Hierbei hatte ich viel Spaß und in der Präsenzveranstaltung nicht die frontale Hauptrolle. Natürlich musste ich vorher kurz die Regeln erklären und die Gruppeneinteilung ein wenig managen, aber ansonsten blieb ich im Hintergrund und musste nur den einen oder anderen Button bedienen, um die nächste Frage anzuwählen.

Bei den Regeln hatte ich mir vorher noch ein Zeitsystem für die Gruppen überlegt. Außerdem musste ich mir überlegen, welche Gruppe wann antworten darf. Z.B. habe ich mir gedacht, dass die erste Gruppe 30 Sekunden Überlegungszeit hat und wenn die Gruppe die Frage nicht beantworten kann, bekommt die nächste Gruppe diese Frage, hat dann aber weniger Zeit zum Nachdenken.

Mit wie vielen Gruppen haben Sie es gespielt?

Ich hatte 30 Studierende im Seminar gehabt und diese in sechs Gruppen eingeteilt. Es waren dann pro Gruppe vier bis fünf Personen; es waren nicht alle da. Meine Überlegung war es kleine Gruppen zu haben, damit auch jede*r Studierende sich innerhalb der Gruppen beteiligen muss und zu Wort kommt. Im Nachhinein waren dies aber zu viele Gruppen.

Welchen Modus hatten Sie gewählt?

Ich hatte den Modus „Alle antworten“. Jede*r Studierende hatte auch ein Smartphone oder Tablet dabei.

Welche konkreten Vorbereitungen mussten von Seiten der Studierenden getroffen werden?

Ich habe in der Sitzung davor nachgefragt, wer ein Smartphone oder internetfähiges Tablet besitzt und zur nächsten Sitzung mitbringen kann. Und außerdem habe ich die Studierenden gefragt, wer die Möglichkeit hat, eine QR-Code Reader-App auf ihr Smartphone zu laden. Dies war dann für sie quasi ein Teil der Hausaufgaben. Für alle Fälle habe ich noch drei Geräte mitgebracht.

Wie haben die Studierenden auf das Spiel reagiert?

Die Studierenden haben insgesamt sehr positiv reagiert. Sie waren auch sehr begeistert davon, dass solche Anwendungen an der Uni entwickelt werden. Da ich die App in der Testphase hatte, habe ich hinterher auch gefragt, ob technisch etwas anders gemacht werden sollte. Hierbei sagten die Studierenden, dass meine gewählte Zeitregelung zu lang war. Das hatte ich mir aber auch schon gedacht. Es kam der Vorschlag eine Stoppuhr direkt in die App einzubauen.

Da Sie die Anwendung zur Klausurvorbereitung eingesetzt haben, haben Sie dann irgendwelche Unterschiede in der Klausur gemerkt?

Dazu kann ich leider nichts sagen, da mir der Vergleich fehlt. Es haben jedenfalls alle Studierenden bestanden. Bei der Aufgabe in der Prüfung zu diesem Thema lag die positive Antwortrate bei 80%. Bei der Konstruktion der Prüfungsaufgabe habe ich auch die Wörter aus dem Spiel verwendet.

Welche Beratungs- und Schulungsangebote des Service für Digitales Lernen und Lehren haben Sie in Anspruch genommen?

Ich habe den Service für Digitales Lernen und Lehren vor einigen Jahren durch eine ILIAS-Beratung kennengelernt. Für die Hörsaalspiel-App habe ich von Sebastian Hobert eine Einweisung bekommen. Er hat mir bei der technischen Seite sehr geholfen, didaktisch war ich selbst gut vorbereitet.

Würden Sie sagen, es gibt eine maximale oder minimale Teilnehmerzahl? Empfehlungen?

Das nächste Mal würde ich gerne das Spiel mit einer kleineren Gruppe probieren. Man muss sich genau überlegen und entscheiden, was man möchte. Möchte man, dass jede*r Studierende sich an der Diskussion beteiligt, dann müssen kleinere Gruppen eingeteilt werden. Bei größeren Gruppen muss in Kauf genommen werden, dass manche Studierende dann eventuell nicht aktiv in den zusammengestellten Kleingruppen mitdiskutieren. Beim ausgewählten Spielmodus „alle antworten“ müssen aber alle Spielenden eine Antwort auf eigenem Smartphone eingeben, dadurch sind doch alle Spielenden „gezwungen“ die Diskussion in der jeweiligen Kleingruppe mindestens zu verfolgen, um dann die korrekte Lösung auf dem eigenen Gerät einzugeben. So wird auch bei den „Schweigenden“ ein Lerneffekt erzielt.

Haben Sie Empfehlungen zur Spielfeldgröße?

Ich hatte ein recht großes Spielfeld mit ca. 50 Wörtern, die ich in 2 Kategorien eingeteilt habe. Aber es muss gar nicht ein so großes Spielfeld sein. Ich hatte es so groß erstellt, weil bei mir keine Reflexionsfragen waren, bei denen man lange nachdenken muss. Bei dem gewählten Thema ging es um reine Wissensabfrage, damit ist der Zeitbedarf geringer. Bei Spielen mit Reflexionsfragen ist der Zeitbedarf größer und dann reicht auch ein Spielfeld mit weniger Fragen.

Mehrere Kategorien zu verwenden - in meinem Fall waren es zwei - ist sehr empfehlenswert, da so die Studierenden sich eine Kategorie/Frage im Zusammenhang mit der Punktzahl aussuchen können. Dies hatte auch einen großen Einfluss auf das Spiel, weil die Studierenden dann zum Teil taktisch spielten/Fragen auswählten. Außerdem waren sie auf diese Art motiviert, denn sie wollten auch die schweren Fragen beantworten, um dadurch mehr Punkte zu erzielen.

Würden Sie das Spiel wieder in Ihrem Seminar einsetzen?

Ja, unbedingt! Außerdem bin ich selber seit einem Jahr beim Service für Digitales Lernen und Lehren tätig und sitze quasi an der Quelle von solchen Anwendungen. Es wäre doch unverzeihlich, diese Gelegenheit nicht zu nutzen.

Ich würde auch anderen Lehrenden herzlichst die Hörsaalspiel-Anwendung empfehlen. Und sollten Sie dabei Fragen haben, wenden Sie sich gerne an mich oder meine Kolleg*innen.

Sonstiges / Wissenswertes

Titel des Seminars: Studientechniken Grammatik B2

Zielgruppe: internationale Studierende (Deutsch als Fremdsprache)

Voraussetzungen: Sprachniveau B1; In den vorherigen Seminarsitzungen wurde das Thema Verben mit Ergänzungen thematisiert und ca. 100 Verben wurden besprochen und geübt. Die Studierenden hatten also ein Vorwissen (ohne das Vorwissen funktioniert das Spiel nicht, es wird schließlich Wissen abgefragt… es muss also schon da sein!). Die Hälfte der Verben kam dann ins Spiel.

Ablauf: Das Spiel wurde in den letzten 45 Minuten der Seminarsitzung durchgeführt, da es schwierig ist Lernende aus dem Spielmodus dann wieder herauszuholen und zu einer anderen Tätigkeit zu motivieren. Deswegen baut man entweder eine Cool-Down-Phase ein oder man macht das Spiel am Ende der Sitzung. Dies gilt insbesondere für Spiele mit Wettkampfelementen.

Alternativen/didaktische Reserve: Ich hatte mir Vorlagen für ein analoges Memory-Spiel vorbereitet und diese auch in der Tasche, falls irgendetwas an der Technik nicht funktioniert.

Technische Rahmenbedingungen: Beamer, Internet; Studierende: Smartphone oder Tablet mit einer QR-Code-Reader-App drauf

Technische Probleme auf Seiten der Studierenden: Es gab den einen oder anderen, der mit QR-Codes nicht umgehen konnte oder die App den Code nicht lesen konnte. Einige mussten nach vorne kommen, näher an den Beamer heran.

Keine Verständnisprobleme seitens der Studierenden, das Prinzip ist eigentlich bekannt: Durch Wer-wird-Millionär und Quizduell kennen man solche Spiele. Außerdem ist das Tool sehr intuitiv aufgebaut und es ist leicht verständlich, was gemacht werden muss.