In publica commoda

2.2.3 Übersetzungen in die Deutsche Gebärdensprache (DGS)

Taube Menschen kommunizieren überwiegend in der Gebärdensprache des jeweiligen Landes. In Deutschland wird die Deutsche Gebärdensprache (DGS) verwendet. Auch viele hochgradig schwerhörige Menschen bevorzugen die Kommunikation in Gebärdensprache und sie stellt häufig ihre Muttersprache dar. Es ist daher essentiell, Lehrvideos in Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass es sich bei der DGS keineswegs um „gebärdetes Deutsch“ handelt. Die Grammatik der DGS unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Grammatik der deutschen Laut- und Schriftsprache. Für barrierefreie Lehrvideos ist nicht Lautsprachbegleitendes Gebärden (LBG) zu verwenden. LBG visualisiert mit Gebärden die deutsche Lautsprache und folgt nicht der Grammatik von Gebärdensprachen. LBG ist keine natürliche Sprache, sondern ein Kommunikationshilfsmittel. Es ist im Vorfeld zu überlegen, wie die Lernenden am besten erreicht werden können. Für die Übersetzung in die DGS gibt es zwei verschiedene Arten: Bei einer textnahen Übersetzung sind der gesprochene und der gebärdete Inhalt zeitlich näher aufeinander abgestimmt. Bei einer freien Übersetzung ist die Dauer der gebärdeten Version nicht an die gesprochene Version gebunden. Dies hat den Vorteil, dass losgelöst von Lautsprachstrukturen ganz frei optimale Darstellungsformen in Gebärdensprache gewählt werden können. Auch für die Umsetzung der Videos gibt es verschiedene Methoden:

  • Erstellung eines separaten Videos, in dem der*die Gebärdensprachdolmetscher*in die Position der lehrenden Person im lautsprachlichen Video einnimmt.
  • Der*die Gebärdensprachdolmetscher*in wird in das Originalvideo integriert. Hierbei ist im Vorfeld zu berücksichtigen, dass bei der Gestaltung des Videolayouts zusätzlicher und ausreichender Platz für den*die Dolmetscher*in freigehalten wird.

Im DaLeLe4All-Team haben wir uns für eine freie Übersetzung in die DGS mit einem separaten Video entschieden (siehe Abbildung 7). Dies hat die folgenden drei Vorteile:

  • Der*die Gebärdensprachdolmetscher*in ist groß im Bild zu sehen und die Gebärden sowie Mimik können optimal wahrgenommen werden.
  • Der*die Gebärdensprachdolmetscher*in kann, wie der*die Sprecher*in in den lautsprachlichen Videoversionen, direkt neben den Folien positioniert werden, wodurch die Inhalte der Folien und das Gebärdete gut parallel erfasst werden können. Hierfür ist es notwendig, dass der*die Dolmetscher*in ‚gekeyt‘, also technisch ‚freigestellt‘ wird.
  • Der*die Gebärdensprachdolmetscher*in ist nicht an die Dauer der lautsprachlichen Version gebunden und kann losgelöst von Lautsprachstrukturen optimale Darstellungsformen in der DGS wählen.

Das Bild zeigt auf der linken Seite die Präsentationsfolie eines Lehrvideos und auf der rechten Seite einen Gebärdensprachdolmetscher, der gebärdet. Im separaten DGS-Video ersetzt der*die Gebärdensprachdolmetscher*in aus Platzgründen den*die Dozent*in des lautsprachlichen Videos.
Abbildung 7:Separates Lehrvideo in der DGS

Aufgrund der oben erwähnten externen Vergabe wurden alle Übersetzungen in die DGS von der Dienstleistungsfirma yomma GmbH übernommen, in der taube Gebärdensprachdolmetscher*innen arbeiten. So können die Lehrvideos von tauben Muttersprachler*in in bester Qualität gebärdet werden. Zur Begründung siehe auch die Stellungnahme des Berufsverbandes der tauben GebärdenprachdolmetscherInnen e. V. zum Dolmetschen und Übersetzen in den Medien. Grundlage für die Übersetzung von tauben Gebärdensprachdolmetscher*innen ist die Bereitstellung eines Skripts in Schriftsprache und die Folien der Präsentation.

Für die Umsetzung sind folgende Arbeitsschritte erforderlich:
  1. Auftragsvergabe (siehe 2.1.1 Finanzen) oder Eigenproduktion einer*s tauben Mitarbeiters*in
  2. Entscheidung für die Art der Übersetzung (textnah oder frei)
  3. Entscheidung für die passende Umsetzungsmethode (separates Video oder Integration)
  4. Übermittlung der Materialien (Folien und Skript)
  5. Videoaufnahme in der Deutschen Gebärdensprache
  6. Postproduktion des Videos
  7. Test mit tauben Nutzer*innen

Tipps für die Praxis

  • Optimales Zusammenspiel zwischen Folienlayout und Sichtbarkeit des*der Gebärdensprachdolmetschers*in: Für eine bestmögliche Wahrnehmbarkeit des gebärdeten Inhalts und der Folien haben wir uns für ein Layout im Nachrichtenstil entschieden. Die Folien sind auf der linken Seite und der*die Gebärdensprachdolmetscher*in auf der rechten Seite positioniert. Wichtig ist, dass die Folien im Hintergrund liegen, sodass der*die Gebärdensprachdolmetscher*in flexibel mehr Raum beim Gebärden einnehmen kann. So können je nach Nutzung des Gebärdenraums die Arme und Hände über die Folien reichen (siehe Abbildung 8).
  • Hintergrundfarbe: Damit sich die Gebärden gut vom Hintergrund abheben und ein angenehm wahrnehmbares Gesamtbild entsteht, haben wir uns für ein Grau entschieden. Diesen Hintergrund haben wir einheitlich auch für die lautsprachlichen Videos gewählt. Beruhend auf unseren gewonnenen umfassenden Erfahrungen werden wir zukünftig ein noch etwas dunkleres Grau verwenden (siehe auch die Hinweise der Bundesarbeitsgemeinschaft der Taubblinden e. V.).

Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus einem gebärdensprachlichen Video. Auf der linken Seite ist eine Folie eingeblendet. Rechts und räumlich vor der Folie gebärdet der Dolmetscher, der bis zur Hüfte gezeigt wird. Sein Ellbogen ragt über die Kante in die Folie rein. Das Bild illustriert die Passung von Folienlayout und Sichtbarkeit des*der Dolmetscher*in. Für eine gute Wahrnehmbarkeit ist es notwendig, dass notfalls die Arme oder Hände über die Folien ragen können.
Abbildung 8: Die Präsentation liegt im Hintergrund und der Gebärdensprachdolmetscher kann flexibel den Gebärdenraum nutzen.